Normen
AVG §59 Abs1
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VStG §44a Z5
VStG §64
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §52
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019170114.L00
Spruch:
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Am 12. September 2017 führten Organe der Finanzpolizei in einem Lokal in B eine Kontrolle durch, bei der vier Glücksspielgeräte betriebsbereit vorgefunden wurden.
2 Die belangte Behörde forderte den Revisionswerber mit Schreiben vom 11. April 2018 zur Rechtfertigung auf, in welcher ihm als Geschäftsführer der U s.r.o. im Zusammenhang mit den genannten Glücksspielgeräten die vierfache Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 (drittes Tatbild) Glücksspielgesetz ‑ GSpG vorgeworfen wurde. Dieses ausschließlich in deutscher Sprache verfasste Schreiben wurde dem Revisionswerber an seine Anschrift in Tschechien übermittelt.
3 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 5. Juli 2018 wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer und gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der U s.r.o. der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz ‑ GSpG schuldig erkannt. Es wurden über ihn vier Geldstrafen in der Höhe von je EUR 10.000,--(samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Die Kosten des Strafverfahrens wurden mit EUR 4.000,‑ ‑ bestimmt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber auch in tschechischer Übersetzung zugestellt.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die vom Revisionswerber gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.) Das LVwG schrieb dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 8.000,‑ ‑ vor (Spruchpunkt 2.). Es sprach überdies aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof nur im Rahmen der dafür in der Revision ‑ gesondert ‑ vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Liegen ‑ wie hier ‑ trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 7.12.2018, Ra 2018/17/0103).
10 Die Revision macht in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zunächst geltend, das in die tschechische Sprache übersetzte Straferkenntnis vom 5. Juli 2018 sei die erste wirksame Verfolgungshandlung gewesen. Im Zeitpunkt seiner Zustellung sei bereits Verfolgungsverjährung eingetreten gewesen, sodass eine Bestätigung des Straferkenntnisses durch das LVwG nicht hätte erfolgen dürfen.
11 Damit übersieht die Revision aber, dass im Revisionsfall bereits mit der Aufforderung zur Rechtfertigung, auch wenn sie nur in deutscher Sprache abgefasst war, eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorlag. Es kommt nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung als Verfolgungshandlung nur darauf an, dass durch die Handlung der behördliche Wille nach außen tritt, eine Person wegen einer konkreten Verwaltungsübertretung verfolgen zu wollen. Die Kenntnis des Beschuldigten von dieser Handlung ist nicht erforderlich. Auf die wirksame Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung kam es daher im Revisionsfall nicht an (vgl. VwGH 7.1.2021, Ra 2020/17/0021).
12 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf, sodass sich die Revision diesbezüglich als unzulässig erweist. Die Revision war daher in diesem Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
13 Die Revision erweist sich jedoch in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zur Anführung der korrekten Strafsanktionsnorm im Spruch im Umfang der Überprüfung des Strafausspruches als zulässig und begründet:
14 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschuldigte ein Recht darauf, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist. Das Verwaltungsgericht hat daher, wenn der Spruch des behördlichen Strafbescheids unvollständig ist, diesen in seinem Abspruch zu ergänzen (vgl. VwGH 27.3.2020, Ra 2018/17/0168, mwN).
15 Im vorliegenden Fall kommt bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 GSpG in Betracht. Im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und somit auch ‑ infolge Bestätigung desselben ‑ des angefochtenen Erkenntnisses wurde aber als Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG angeführt.
16 Das Verwaltungsgericht hat die Strafsanktionsnorm trotz des fehlerhaften Abspruchs im Straferkenntnis nicht korrigiert.
17 Damit hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb das Erkenntnis im Umfang des Ausspruches über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruches über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (vgl. wieder VwGH 27.3.2020, Ra 2018/17/0168, mwN).
18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. März 2021
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