Normen
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §77;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Nepals, beantragte am 17. Jänner 2008 nach ihrer Anreise aus Israel (Abflughafen Tel Aviv) im Transitbereich des Flughafens Wien-Schwechat die Gewährung von internationalem Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Jänner 2008 zur Gänze abgewiesen. Der unabhängige Bundesasylsenat bestätigte diese Entscheidung mit Bescheid vom 11. Februar 2008.
2 Mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Mandatsbescheid vom 15. Februar 2008 verhängte die Bundespolizeidirektion Schwechat über die bis dahin im Transitbereich des Flughafens angehaltene Revisionswerberin gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) in der Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005 die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie ihrer Abschiebung. Begründend wurde auf den unrechtmäßigen Aufenthalt nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und das Fehlen ausreichender Mittel zur Abdeckung des Unterhalts verwiesen. Die Notwendigkeit der Sicherung der genannten Verfahren durch Schubhaft ergebe sich daraus, dass sich die Revisionswerberin zweimal - heftigen Widerstand leistend - der Zurückweisung (nach Israel) widersetzt habe und somit ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Durch die Anwendung gelinderer Mittel nach § 77 FPG könne dieser Sicherungszweck nicht abgedeckt werden.
3 Mit weiterem Bescheid vom 15. Februar 2008 erließ die Bundespolizeidirektion Schwechat gegenüber der Revisionswerberin gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.
4 Am 15. April 2008 stellte die Revisionswerberin einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der am 24. April 2008 zugelassen wurde. Sie brachte im Verfahren vor, seit 29. Mai 2005 mit einem in Österreich lebenden nepalesischen Asylwerber verheiratet zu sein und bei diesem wohnen zu können.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. November 2009 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen; die behauptete Ehe konnte nicht erwiesen werden. Der Asylgerichtshof wies eine dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 22. Dezember 2009 als unbegründet ab.
5 Gegen den Schubhaftbescheid sowie ihre zwischen 15. Februar und 23. April 2008 erfolgte Anhaltung in Schubhaft erhob die Revisionswerberin am 6. Mai 2008 Beschwerde. Darin machte sie geltend, sie habe schon anlässlich ihrer Einvernahme vor Verhängung der Schubhaft angegeben, sie sei verheiratet und ihr Gatte habe in Österreich rechtmäßigen Aufenthalt gefunden. Die Schubhaft erweise sich daher als nicht notwendig, weil noch vor der Zulassung des zweiten Asylverfahrens die Ermöglichung ihrer Wohnsitznahme beim Ehegatten in Salzburg - verbunden mit einer regelmäßigen Meldepflicht - zur Haftvermeidung geboten gewesen wäre.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. Februar 2017 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die Beschwerde, die bei der Behörde in Verstoß und bei (dem Rechtsvertreter) der Revisionswerberin außer Evidenz geraten war, als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
7 Begründend stellte das LVwG fest, die Revisionswerberin habe ihren Reisepass "vermutlich während des Fluges vernichtet" und die Behörden über ihre Identität getäuscht. Am 14. Februar 2008 sei zweimal (zuletzt in Begleitung von Sicherheitsorganen) ihre Zurückweisung (nach Tel Aviv) versucht worden, was jedoch auf Grund ihrer heftigen Gegenwehr gescheitert sei. Während einer Einvernahme am 15. Februar 2008 habe die Revisionswerberin angegeben, dass die von der Fluglinie beigebrachte Reisepasskopie (lautend auf einen Aliasnamen) nicht ihr Reisedokument sei. Sie habe sich somit in keiner Weise kooperativ gezeigt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft nach § 76 Abs. 1 FPG sei daher zu bejahen gewesen. Die Anwendung eines gelinderen Mittels im Sinne des § 77 FPG sei ausgeschieden, weil aus dem Gebrauch wechselnder Identitäten abzuleiten gewesen sei, dass die Revisionswerberin willens gewesen wäre, sich die Einreise bzw. den Aufenthalt im Bundesgebiet durch Täuschungshandlungen oder auch durch Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung zu sichern. Die Schubhaft habe sich daher als das einzig taugliche Sicherungsmittel zur Absicherung der zu erwartenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen erwiesen.
Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision erweist sich als unzulässig.
8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 In dieser Hinsicht wendet sich die Revisionswerberin vor allem gegen die Annahme eines Sicherungsbedarfs und die Verneinung des Ausreichens gelinderer Mittel zu seiner Abdeckung.
11 In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde allerdings bereits dargelegt, dass die Frage, ob konkret von einem Sicherungsbedarf auszugehen sei, stets eine solche des Einzelfalles ist, die daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel sei, wenn diese Beurteilung - wie hier - auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. sinngemäß zur aktuellen Rechtslage die hg. Beschlüsse vom 15. September 2016, Ra 2016/21/0256, Rz 12 und 14, sowie vom 11. Mai 2017, Ro 2016/21/0022, Rz 12, mwN).
12 Unter Berücksichtigung des Verhaltens der Revisionswerberin (Gebrauch einer Aliasidentität, Vernichten des Reisepasses und tätliche Widersetzung gegen die Zurückweisung nach Israel) erscheint die vom LVwG vorgenommene Beurteilung des Sicherungsbedarfs - auch im Hinblick auf die behauptete Wohnmöglichkeit beim Ehemann - unter Ausschluss des Ausreichens gelinderer Mittel insgesamt vertretbar.
13 Auch ist - entgegen der Annahme der Revision, die das am 15. Februar 2008 verhängte Aufenthaltsverbot außer Acht lässt - weder eine ungebührliche Dauer der Schubhaft noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem LVwG hat die anwaltlich vertretene Revisionswerberin nicht beantragt.
14 Die Revision wirft somit insgesamt keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Sie erweist sich damit als unzulässig, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.
Wien, am 29. Juni 2017
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