Normen
AVG §13 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
BauO Tir 2011 §2 Abs5;
BauO Tir 2011 §21;
BauO Tir 2011 §22;
BauO Tir 2011 §23;
BauO Tir 2011 §24;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 lita;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 litb;
BauRallg;
ROG Tir 2011 §38 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017060009.L00
Spruch:
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde Axams hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 6.732,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zu Ra 2017/06/0009:
1 Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 beantragte die Mitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerberin) die "Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses mit fünf Wohneinheiten und einer Tiefgarage (Anm: tatsächlich eines Tiefgaragenteiles) für vier PKW-Stellplätze" auf dem Grundstück Nr. X/9, KG A. Dieses Grundstück ist als gemischtes Wohngebiet gemäß § 38 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 (TROG 2011) gewidmet. Von der Bauwerberin wurden neun weitere Bauansuchen für die Grundstücke Nr. X/1 bis Nr. X/8 und Nr. X/10, KG A, eingebracht (vier davon betreffen die hier gegenständlichen Verfahren zu Ra 2017/06/0017 bis 0020); laut Revisionsvorbringen liegt eine "grundstücksübergreifende Tiefgarage mit 3 Einfahrten" vor.
2 Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 teilte die Bauwerberin mit, dass die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgassen auf den beiden Grundstücken Nr. X/8 und Nr. X/10 sowie der Müllraum auf Grundstück Nr. X/8 auch von den jeweiligen Eigentümern des Grundstückes Nr. X/9 benutzt werden dürften.
3 Auf Anfrage der Baubehörde teilte die Bauwerberin darüber hinaus mit, dass für die Liegenschaften Nr. X/1 bis Nr. X/10 keine gemeinsame Hausverwaltung geplant sei, sondern für jedes Haus eine eigene Hausverwaltung bestellt werde.
4 Der Revisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. Y, das südlich unmittelbar an das Baugrundstück (und an die Grundstücke Nr. /7, Nr. X/5, Nr. X/3 und Nr. X/1, die Gegenstand der zu Ra 2017/06/0017 bis 0020 anhängigen Verfahren sind) angrenzt. In seinen Einwendungen vom 16. Februar 2016 brachte er unter anderem vor, das gegenständliche Bauvorhaben auf Grundstück Nr. X/9 sei Teil der Gesamt-Wohnanlage auf den Grundstücken Nr. X/1 bis Nr. X/10. Daher müsste die Immissionsbelastung der Gesamt-Wohnanlage beurteilt werden.
5 Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Axams mit Bescheid vom 18. Februar 2016 der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung auf dem Grundstück Nr. X/9.
6 Dagegen brachte unter anderem der Revisionswerber eine Beschwerde ein, in der er neuerlich das Unterbleiben eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens für das Gesamtprojekt (geplanter Neubau von zehn Wohnhäusern mit 51 Wohnungen und einer Tiefgarage mit voraussichtlich 100 PKW-Stellplätzen auf den Grundstücken Nr. X/1 bis Nr. X/10) rügte.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde als unbegründet ab und erteilte der Bauwerberin die Baubewilligung mit der Maßgabe, dass die mit Genehmigungsvermerk des Bürgermeisters der Gemeinde Axams vom 18. Februar 2016 versehenen Pläne durch die mit Genehmigungsvermerk des LVwG versehenen Pläne, die diesem mit Eingabe vom 11. Mai 2016 vorgelegt worden waren (Anm: diese Pläne liegen den vorgelegten Verfahrensunterlagen nicht bei), ersetzt werden.
Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt. 8 Begründend führte das LVwG - soweit für das Verfahren vor
dem Verwaltungsgerichtshof noch relevant - zunächst zur Frage, ob es sich beim gegenständlichen Bauprojekt um eine Wohnanlage handle und die Nachbarn diese Frage einwenden könnten, mit Hinweis auf die Legaldefinition in § 2 Abs. 5 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) aus, die Bauwerberin habe mit Schreiben vom 2. Februar 2016 gegenüber der Baubehörde bestätigt, dass für die Grundstücke Nr. X/1 bis Nr. X/10 keine gemeinsame Hausverwaltung geplant sei, sondern für jedes Haus eine eigene Hausverwaltung bestellt werde. Das LVwG verkenne nicht, dass eine eigene Hausverwaltung für jedes Haus ungewöhnlich sei, dies sei jedoch nicht denkunmöglich. Im Verfahren seien keine Umstände zutage getreten, dass - entgegen der ausdrücklichen Erklärung der Bauwerberin vom 2. Februar 2016 - doch eine gemeinsame Verwaltung der Gebäude auf den Grundstücken Nr. X/1 bis Nr. X/10 erfolgen sollte; dies könne der Bauwerberin auch nicht unterstellt werden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1986, 84/06/0140). Daher sei das gegenständlich beantragte Bauvorhaben auf Grundstück Nr. X/1 (gemeint wohl: Nr. X/9) - unbeschadet der teilweise gegebenen bautechnischen Einheit (gemeinsame Tiefgarage) - bereits aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Legaldefinition in § 2 Abs. 5 TBO 2011 nicht zusammen mit einzelnen oder allen Bauvorhaben auf den Grundstücken Nr. X/2 bis Nr. X/10 (gemeint wohl: Nr. X/1 bis Nr. X/8 und Nr. X/10) als Wohnanlage zu qualifizieren.
9 In weiterer Folge legte das LVwG seiner Entscheidung die Beurteilung der Immissionsbelastung des auf dem Grundstück Nr. X/9 beantragten Bauvorhabens für fünf Wohnungen und vier PKW-Stellplätze in der Tiefgarage zugrunde und verwies dazu auf die Ausführungen des Amtssachverständigen Ing. K. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG, wonach die Nachbarn des gegenständlichen Bauvorhabens durch die gewählte Parkplatzsituation in Form einer Tiefgarage begünstigt und bei Weitem weniger Immissionen ausgesetzt würden. Für das erkennende Gericht sei somit nicht nachvollziehbar, dass es durch das gegenständliche Projekt zu Immissionen käme, die über das Maß der Widmungskategorie hinausgingen. Die Erhöhung des Verkehrsaufkommens auf öffentlichen Verkehrsflächen könne nicht als subjektiv-öffentliches Nachbarrecht geltend gemacht werden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2007, 2006/06/0338).
10 Nachbarn stehe ein Mitspracherecht bezüglich des Brandschutzes nur hinsichtlich jener Gefährdungen zu, als die brandschutzrechtlichen Bestimmungen seinem Schutz dienten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2007, 2006/06/0338). Dies beinhalte kein Mitspracherecht dahingehend, dass die Zufahrt für die Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr gewährleistet sein müsse (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2012, 2007 (richtig: 2010)/06/0273). Darüber hinaus habe der Sachverständige der Landesstelle für Brandverhütung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt, dass eine Gesamtbeurteilung der Garage brandschutzrechtlich keine weiteren Auflagen nach sich ziehe, weil die Garage aufgrund der Lage bereits nach der Gebäudeklasse GK 4 beurteilt worden sei und diese Gebäudeklasse auch für eine Wohnanlage herangezogen würde.
11 Abschließend führte das LVwG aus, im Rahmen der für die zehn Einzelbauvorhaben zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen mündlichen Verhandlung vor dem LVwG habe der Rechtsvertreter des Revisionswerbers einen Antrag gestellt, dass ihm eine Frist zur Stellungnahme nach Übersendung der Verhandlungsschrift eingeräumt werde. Dieser Antrag sei vom LVwG "abgelehnt" worden, "da von Seiten des Rechtsvertreters keine Gründe aufgezeigt werden konnten, die an der Schlüssigkeit und Richtigkeit der in der Verhandlung erstellten und erörterten Gutachten Zweifel hätten darlegen können. Weiters wurden auch sonst keine Gründe vorgebracht, die die Einräumung einer derartigen Frist gerechtfertigt hätten." Dennoch habe der Revisionswerber am 6. Juli 2016 eine neuerliche Stellungnahme eingebracht, in der jedoch keine neuen Tatsachen vorgelegt worden seien. Die Frage, ob eine Wohnanlage im Sinne der TBO vorliege, stelle eine Rechtsfrage dar, die unter dem Gesichtspunkt der Nachbarrechte zu betrachten sei. Die Frage des Tiefgaragenplanes sei unerheblich. Einerseits hätte für den Rechtsvertreter des Revisionswerbers aus dem "Bebauungsplan" ersichtlich sein müssen, dass drei Garagen vorlägen, weiters hätte er in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gehabt, auf diese Tatsache einzugehen. Darüber hinaus ändere sich an der rechtlichen Beurteilung nichts, ob eine oder drei Garagen vorlägen. Somit habe von einer Wiedereröffnung der Beweisaufnahme abgesehen werden können.
Zu Ra 2017/06/0017 bis 0020:
12 Der Revision Ra 2017/06/0017 liegt ein Bauansuchen (vom 10. Dezember 2015) betreffend die Errichtung eines Wohnhauses für fünf Wohneinheiten und Tiefgarage (Anm: tatsächlich eines Tiefgaragenteiles) auf dem Grundstück Nr. X/7 zugrunde, der Revision Ra 2017/06/0018 ein solches (vom 2. Februar 2016) auf dem Grundstück Nr. X/1, der Revision Ra 2017/06/0019 eines (vom 1. Dezember 2015) auf dem Grundstück Nr. X/3 und der Revision Ra 2017/06/0020 ein Bauansuchen (vom 1. Dezember 2015) betreffend das Grundstück Nr. X/5.
Das Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. X/7 betreffend (Ra 2017/06/0017) teilte die Bauwerberin mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 mit, dass sowohl die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgassen als auch der Müllraum auf dem Grundstück Nr. X/8 lägen und von den Eigentümern des Grundstückes Nr. X/7 mitbenutzt würden.
Das Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. X/1 betreffend (Ra 2017/06/0018) teilte die Bauwerberin mit Schriftsatz vom 3. Februar 2016 mit, dass sowohl die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgassen als auch der Müllraum auf dem Grundstück Nr. X/2 lägen und von den Eigentümern des Grundstückes Nr. X/1 mitbenutzt würden.
Das Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. X/3 betreffend (Ra 2017/06/0019) teilte die Bauwerberin mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2015 mit, dass sowohl die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgassen als auch der Müllraum auf dem Grundstück Nr. X/4 lägen und von den Eigentümern des Grundstückes Nr. X/3 mitbenutzt würden.
Das Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. X/5 betreffend (Ra 2017/06/0020) teilte die Bauwerberin mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2015 mit, dass sowohl die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgassen auf den Grundstücken Nr. X/4 und Nr. X/6 als auch der Müllraum auf dem Grundstück Nr. 630/4 lägen und von den Eigentümern des Grundstückes Nr. X/5 mitbenutzt würden.
Die weiteren Sachverhalte sowie die Begründungen der dazu ergangenen Erkenntnisse des LVwG, mit welchen die betreffenden Baubewilligungen jeweils erteilt wurden, gleichen inhaltlich dem zu Ra 2017/06/0009 anhängigen Verfahren.
13 Gegen die Erkenntnisse des LVwG brachte der Revisionswerber zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof betreffend eine allfällige Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 5 TBO und die Gesetzwidrigkeit der 1. Änderung des Bebauungsplanes und des Ergänzenden Bebauungsplanes B2.25/E1 der Gemeinde A ein, deren Behandlung der Verfassungsgerichtshof mit Beschlüssen jeweils vom 24. November 2016, E 2446/2016, E 2451/2016, E 2450/2016, E 2453/2016 und E 2454/2016, ablehnte und die Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.
14 In den vorliegenden außerordentlichen Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof wurde beantragt, die angefochtenen Erkenntnisse nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben oder insofern abzuändern, dass die Bauansuchen abgewiesen werden.
15 Die Bauwerberin beantragte in ihren für alle Verfahren gleich lautenden Revisionsbeantwortungen vom 3. April 2017 die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revisionen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges die Verbindung der Revisionen zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung beschlossen und darüber erwogen:
16 Die Revisionen erweisen sich im Hinblick auf die sich aus der rechtlichen Beurteilung der konkreten Ausgestaltung der Bauvorhaben ergebenden unterschiedlichen Auswirkungen auf die subjektiven Rechte des Revisionswerbers als zulässig.
17 § 2 Abs. 5 und § 26 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011), LGBl. Nr. 57/2011 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 187/2014, lauten (auszugsweise):
"§ 2
Begriffsbestimmungen
(1) ...
(5) Wohnanlagen sind Gebäude mit mehr als fünf Wohnungen; mehrere in einem räumlichen Naheverhältnis stehende Gebäude, die zusammen mehr als fünf Wohnungen enthalten, gelten als eine Wohnanlage, wenn sie eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen und für sie eine gemeinsame Verwaltung vorgesehen ist.
(6) ...
§ 26
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,
a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren
Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen
Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und
b) ...
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit
ein Immissionsschutz verbunden ist,
b) der Bestimmungen über den Brandschutz,
c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der
Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,
d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes
nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011
hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen
und der Bauhöhen,
e) ..."
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
18 Soweit die Revisionen eine Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen, weil dem Revisionswerber die Gutachten der Sachverständigen nicht vor der mündlichen Verhandlung übermittelt wurden, ist ihnen entgegenzuhalten, dass sich aus § 45 Abs. 3 AVG - der gemäß § 17 VwGVG in Verfahren vor Verwaltungsgerichten anzuwenden ist - nicht ergibt, dass ein Gutachten den Parteien schon vor der mündlichen Verhandlung zuzustellen wäre (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) E 471 zu § 45 zitierte hg. Judikatur). Zu Recht bringt der Revisionswerber jedoch vor, dass seinem Antrag, ihm nach der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine Frist einzuräumen, um den in der Verhandlung mündlich ausgeführten Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten zu können, nicht stattgegeben wurde (vgl. diesbezüglich das hg. Erkenntnis vom 24. November 2014, 2013/04/0153, mwN). Die Relevanz dieses Verfahrensfehlers wurde in den Revisionen jedoch nicht dargelegt, weshalb diesbezüglich keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Erkenntnisse aufgezeigt wurde.
19 Der Hinweis in den Revisionen auf das zur Wiener Bauordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2014, 2013/05/0148, betreffend den Brandschutz ist ebenfalls nicht zielführend, weil der Revisionswerber in seinen Einwendungen nicht vorbrachte, dass durch den Einsturz des Bauwerkes oder von Bauwerksteilen größere Schäden an seinem Grundstück entstehen könnten. Das LVwG entschied vielmehr im Einklang mit der hg. Rechtsprechung zur TBO 2011 (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 2. November 2016, 2013/06/0206, mwN, sowie die bei Weber/Rath-Kathrein, TBO, Rz 15 und E 88 zu § 26 zitierte hg. Judikatur), wonach kein Mitspracherecht der Nachbarn dahingehend besteht, dass die Zufahrt für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr gewährleistet sein muss.
20 Grundsätzlich ist dem LVwG zuzustimmen, dass eine Baubewilligung ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt ist, weshalb nur das gesamte Bauvorhaben bewilligt oder nicht bewilligt werden kann. Aus der Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung folgt, dass die Baubehörde über das Parteibegehren, wie es sich aus dem Ansuchen, den Plänen und der Baubeschreibung ergibt, abzusprechen hat. Dem Bauwerber steht es grundsätzlich frei, bei einem teilbaren Bauvorhaben die Bewilligung nur für einen Teil dieses Vorhabens zu beantragen; der andere, nicht von der Baubewilligung umfasste Teil des Vorhabens bleibt sodann unbewilligt (vgl. das zur Kärntner Bauordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 21. Mai 2015, 2013/06/0176, mwN).
21 Setzt jedoch - wie in dem hg. Erkenntnis 2013/06/0176 zu einem vergleichbaren Sachverhalt ausgeführt wird - die Genehmigung mehrerer Wohnhäuser die Errichtung gemeinsamer Anlagen voraus, sind die Wohnhäuser nicht jeweils für sich zu beurteilen, sondern als Teil eines Gesamtprojektes.
22 Den von der Bauwerberin vorgelegten Planunterlagen betreffend die Feuerwehraufstellflächen zufolge liegen die Einfahrten zu den drei Tiefgaragen im Bereich der nördlichen Grundstücke Nr. X/2, Nr. X/4 und Nr. X/8, die jeweils nicht Gegenstand der hier anhängigen Verfahren sind. Auf den Plänen für die verfahrensgegenständlichen Wohnhäuser ist jeweils nur der auf dem betreffenden Bauplatz zu liegen kommende, südliche Teil der einzelnen Tiefgaragen dargestellt. Abgesehen davon, dass der betreffende Tiefgaragenteil schon mangels einer Zu- und Abfahrt für sich allein nicht bestehen kann, bildet dieser Teil in Verbindung mit den auf anderen Bauplätzen befindlichen Tiefgaragenteilen jeweils eine gemeinsame Anlage für mehrere Wohnhäuser, sodass diese Wohnhäuser vor dem Hintergrund der oben zitierten hg. Judikatur als Teil eines Gesamtprojektes zu beurteilen sind. Bei Zutreffen der vom LVwG - ohne nähere Begründung - getroffenen Annahme, dass drei Tiefgaragen vorlägen, und unter Zugrundelegung der oben genannten Planunterlagen betreffend die Feuerwehraufstellflächen stellen die Wohnhäuser auf den Grundstücken Nrn. X/1 und X/2, die Wohnhäuser auf den Grundstücken Nrn. X/3 bis X/6 sowie die Wohnhäuser auf den Grundstücken Nrn. X/7 bis X/10 jeweils ein Gesamtprojekt dar.
23 Das LVwG hat es jedoch unterlassen, eine Beurteilung des jeweiligen Gesamtprojektes vorzunehmen, und hat infolgedessen auch keine Feststellungen zu den von den jeweiligen Tiefgaragen ausgehenden Immissionen getroffen, sodass eine Verletzung des Revisionswerbers in seinem ihm nach § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2011 zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht betreffend Immissionsschutz nicht ausgeschlossen werden kann.
24 Dazu kommt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von den Abstellflächen, die Pflichtstellplätze sind, typischerweise ausgehenden Immissionen grundsätzlich als im Rahmen der Widmung Wohngebiet zulässig anzusehen sind, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2010, 2010/06/0155, mwN). Solche besonderen Umstände liegen etwa vor, wenn Stellplätze - wie in den Revisionsfällen - in einer Tiefgarage geplant sind, welche mit besonderen Lüftungs- und Schallverhältnissen verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 2016, Ro 2014/06/0044, mwN). Schon deshalb wäre es erforderlich gewesen, durch Einholung von Sachverständigengutachten die Immissionsbelastung an der Grundgrenze des Revisionswerbers festzustellen und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus zu beurteilen.
25 Die angefochtenen Erkenntnisse waren somit wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
26 Im Übrigen wird Folgendes angemerkt:
Gemäß § 2 Abs. 12 TBO 2011 ist ein Bauplatz ein Grundstück, auf dem eine bauliche Anlage errichtet werden soll oder besteht; Grundstück ist eine Grundfläche, die im Grundsteuerkataster oder im Grenzkataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet ist oder die in einem Zusammenlegungsverfahren als Grundabfindung gebildet wurde. Ausnahmen von dieser Regel sind in § 4 Abs. 3 TBO 2011 festgelegt. Demnach dürfen bauliche Anlagen nur dann über die Grenzen des Bauplatzes hinweg errichtet werden, wenn die Festlegungen in einem Bebauungsplan dem nicht entgegenstehen und (lit. a) für die betreffenden Bauplätze eine einheitliche Widmung als Gewerbe- und Industriegebiet, als Sonderfläche oder als Vorbehaltsfläche nach § 52 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 festgelegt ist oder (lit. b) es sich um unterirdische bauliche Anlagen, wie Tiefgaragen, Verbindungsgänge und dergleichen, handelt. Fallbezogen bestehen die drei Gesamtprojekte aus jeweils einer Tiefgarage und mehreren Wohnhäusern im gemischten Wohngebiet, sodass die Ausnahmen des § 4 Abs. 3 TBO 2011 nicht zur Anwendung kommen und die verfahrensgegenständlichen Wohnhäuser somit derzeit nicht genehmigungsfähig sind.
Darüber hinaus kann angesichts der von mehreren Wohnhäusern gemeinsam genutzten Tiefgaragen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass - wie dies das LVwG ausführte - keine Umstände zutage getreten seien, wonach entgegen der ausdrücklichen Erklärung der Bauwerberin doch eine gemeinsame Verwaltung der Gebäude auf den betreffenden Grundstücken erfolgen solle. Gerade die Errichtung solcher gemeinsamer Anlagen indiziert das Vorliegen einer gemeinsamen Verwaltung, sodass eine Erklärung wie die von der Bauwerberin abgegebene einer eingehenden Prüfung zu unterziehen wäre.
27 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014.
28 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.
Wien, am 24. April 2017
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