VwGH 88/02/0031

VwGH88/02/003122.6.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde der F F in M, vertreten durch Dr. Karl Reiter, Rechtsanwalt in Wels, Ringstraße 6/1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. Jänner 1988, Zl. VerkR‑4210/8‑1988‑II/H, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §50
StVO 1960 §5 Abs1
VStG §25
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988020031.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Jänner 1988 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, am 17. Juni 1986 um 20.30 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw an einem näher bezeichneten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen zu haben. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt sowie der Ersatz von Barauslagen vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof; dieser hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte den Schuldspruch im wesentlichen auf die Feststellung des Blutalkoholgehaltes von 2,8 ‰, berechnet auf die Tatzeit, und legte ausführlich dar, weshalb sie die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Verwechslung der Blutprobe ausschloß.

Die Beschwerdeführerin bringt offenbar damit im Zusammenhang ‑ nämlich, daß dieses Ergebnis der Blutalkoholbestimmung nicht beweiskräftig sei, es müsse eine „Verwechslung“ vorliegen ‑ vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, zum Beweis dafür, daß dieser Blutalkoholgehalt (weiter) rückgerechnet auf 16.30 Uhr einen solchen von 3,3 ‰ ergeben hätte, der einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Vollrausch entsprechen würde, ein entsprechendes Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einzuholen. Dies auch zum Beweis dafür, daß sie „in einem derartigen, schweralkoholisierten Zustand“ außerstande gewesen wäre, sich mit anderen Personen zu unterhalten, mit dem Pkw durch das gesamte Stadtgebiet zu fahren und auch dafür, daß eine Alkoholisierung dieses Ausmaßes infolge diverser Ausfallerscheinungen auch einem medizinischen Laien hätte auffallen müssen.

Was dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin in Hinsicht auf ihre „Fahrfähigkeit“ anlangt, so versteht es der Gerichtshof anhand der Aktenlage dahin, daß damit der Zustand der Beschwerdeführerin unmittelbar vor der Tatzeit gemeint ist. Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, daß ein Erfahrungssatz der medizinischen Wissenschaften etwa derart, eine Person, deren Blutalkoholgehalt 2,8 ‰ betrage, sei jedenfalls nicht mehr imstande, ein Fahrzeug zu lenken, nicht besteht (vgl. in diesem Zusammenhang Jarosch/Müller/Piegler, Alkohol und Recht, 2. Aufl., S. 97, wonach mitunter sogar Alkoholwerte über 3 ‰ vorkommen). Die belangte Behörde war daher nicht gehalten, diesem, allein auf Alter, Körpergröße und Gewicht ‑ ohne besondere Gründe hervorhebenden ‑ bezugnehmenden Beweisantrag Folge zu leisten. Gleiches gilt ‑ sollte das Vorbringen der Beschwerdeführerin so zu verstehen sein ‑ hinsichtlich der Frage, ob die Beschwerdeführerin bei einem solchen Zustand außerstande gewesen wäre, sich mit anderen Personen „zu unterhalten“, würde dies doch die durch nichts untermauerte These voraussetzen, daß der zur Tatzeit festgestellte Blutalkoholgehalt es nicht zugelassen hätte, vorher eine „Unterhaltung“ zu führen.

Was die Frage der von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Rückrechnung des Blutalkoholgehaltes auf den Zeitpunkt 16.30 Uhr sowie die „Bemerkbarkeit der Alkoholisierung der Beschwerdeführerin durch einen Laien“ anlangt, ist zu bemerken:

Die Beschwerdeführerin hat sich zum Beweis dafür, daß sie in der Zeit von 16.30 Uhr und dem Tatzeitpunkt keine alkoholischen Getränke zu sich genommen habe und bis zum letzteren Zeitpunkt (an dem sie an einem Verkehrsunfall beteiligt war) in keiner Weise alkoholisiert gewesen sei, primär auf den Zeugen Dipl. Ing. V. berufen. Dieser habe sich seit seiner Heimkehr um 16.30 Uhr bis knapp vor dem Unfall ununterbrochen in ihrer Gesellschaft befunden. Die belangte Behörde hat diesen Zeugen im Wege der Erstbehörde vernommen, wobei dieser am 16. April 1987 im wesentlichen angab, die Beschwerdeführerin habe während seiner Anwesenheit bis zu ihrer Abfahrt keinerlei alkoholische Getränke zu sich genommen, er habe auch keinen Alkoholgeruch aus dem Mund derselben festgestellt. Dem gegenüber sei allerdings ‑ so die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ‑ auf die übereinstimmenden Aussagen der beiden intervenierenden Polizeibeamten im Rahmen des (wegen desselben Vorfalls gegen die Beschwerdeführerin eingeleiteten) gerichtlichen Strafverfahrens, wonach diese aus dem Mund der Beschwerdeführerin Alkoholgeruch wahrgenommen hätten, sowie auf die dortige Aussage des die Beschwerdeführerin im Krankenhaus behandelnden Arztes Dr. P., wonach ihm die Alkoholisierung der Beschwerdeführerin aufgefallen sei, zu verweisen. Im übrigen habe der Zeuge Dipl. Ing. V. hinsichtlich der Wahrnehmung einer Alkoholisierung im gerichtlichen Verfahren unterschiedliche Angaben gemacht. So habe er zunächst angegeben, daß ihm 3 %o auf jeden Fall auffallen müßten, und bei einer späteren Vernehmung wörtlich ausgeführt:

„Ich habe keine Vergleiche dazu, ich kann das nicht 100%ig sagen. Ich habe einfach keine Vergleiche dazu, das waren glaube ich (richtig: glaublich) 2,8 ‰. Das kann ich auch nicht wahrnehmen, wenn diese Menge vorhanden gewesen wäre, das ist eine Vermutung, ich habe so etwas noch nie gesehen.“ Zu den gerichtlichen Zeugenaussagen der Kinder dieses Zeugen sei festzustellen, daß diese angegeben hätten, daß sie zwar mit der Beschwerdeführerin den Nachmittag im wesentlichen gemeinsam verbracht hätten, sie seien jedoch entgegen den Berufungsbehauptungen nicht ununterbrochen mit ihr zusammen gewesen. Zum Beispiel habe der Zeuge G.V. vor Gericht angegeben, er habe mit der Beschwerdeführerin ca. eine Stunde gelernt und sei anschließend Skateboard gefahren. Die Zeugin C.V. habe vor Gericht ausgeführt, daß sie nicht immer durchgehend bei der Beschwerdeführerin gewesen sei. Auch der Zeuge A.V. habe vor Gericht angegeben, er habe sich von ca. 14.00 Uhr bis 15.00 Uhr und von ca. 16.30 Uhr bis 17.00 Uhr bei der Beschwerdeführerin auf der Terrasse aufgehalten. Es sei daher nach Ansicht der belangten Behörde durchaus möglich, daß die Beschwerdeführerin zwischendurch am Nachmittag des Tattages Alkohol habe konsumieren können.

Die Beschwerdeführerin rügt in Hinsicht auf die zitierte Vernehmung des Zeugen Dipl. Ing. V. durch die Verwaltungsbehörde, die belangte Behörde habe der Erstbehörde die Weisung erteilt, sollte dieser Zeuge die Wahrnehmung von Alkoholgeruch aus dem Mund der Beschwerdeführerin verneinen, gegen ihn Strafanzeige wegen Verdachtes eines Vergehens nach § 289 StGB zu erstatten. Durch diese rechtswidrige Vorgangsweise habe sich die belangte Behörde als „Anklägerin“ deklariert, sodaß von ihr ein faires Verfahren, insbesondere eine unvoreingenommene Beweiswürdigung nicht mehr zu erwarten gewesen sei. Damit vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides allerdings nicht darzutun: Selbst wenn die belangte Behörde schon vor Erlassung des angefochtenen Bescheides Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen Dipl. Ing. V. gehabt und sie dies zur erwähnten Weisung bewogen haben sollte, könnte dies nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn dies im Ergebnis der Beweiswürdigung einen solchen Niederschlag gefunden hätte, daß diese im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) einer solchen nicht standhielte. Dies vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Von einem unzulässigen „Unter‑Druck‑Setzen“ dieses Zeugen kann im Hinblick auf dessen Pflicht, die Wahrheit anzugeben und die Anordnung des § 50 AVG 1950, den Zeugen auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen Zeugenaussage aufmerksam zu machen, im übrigen keine Rede sein. Weiters sei die Beschwerdeführerin darauf verwiesen, daß im Verwaltungsstrafverfahren u.a. das „Inquisitionsprinzip“ normiert ist (vgl. Walter‑Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, RZ 826).

Was die weitere Verfahrensrüge anlangt, die belangte Behörde habe es unterlassen, die Kinder des Zeugen Dipl. Ing. V. zu vernehmen, so hat die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt, zu welchem anderen Bescheid die belangte Behörde bei Unterbleiben dieses Verfahrensmangels hätte gelangen können, obwohl dies nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen wäre; insbesondere wäre es der Beschwerdeführerin daher etwa oblegen, darzutun, daß diese Zeugen nicht jene Angaben vor der Verwaltungsbehörde gemacht hätten, welche sie vor Gericht gemacht haben und die von der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung ‑ wie oben dargestellt ‑ verwertet wurden.

Schließlich trifft es nicht zu, daß die belangte Behörde das Gerichtsurteil erster Instanz, welches nicht rechtskräftig sei, als „weiteren Belastungsbeweis“ herangezogen hat, läßt sich dies doch aus dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen. Soweit die Beschwerdeführerin im übrigen ins Treffen führt, das Berufungsgericht habe die Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen für erforderlich erachtet, vermag sie eine Relevanz für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang sei vermerkt, daß die Beurteilung, ob eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt, unabhängig von den Sprüchen der Gerichte vorzunehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1988, Zl. 87/18/0107).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet; sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die SS 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, 22. Juni 1988

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