VwGH 2011/16/0012

VwGH2011/16/001228.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch die Jirovec & Partner Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Bauernmarkt 24, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 25. November 2010, Zl. RV/1976-W/10, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Haftung nach §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §245 Abs3;
BAO §245 Abs4;
BAO §245 Abs3;
BAO §245 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt zog die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 24. Juli 2009 zur Haftung nach §§ 9 und 80 BAO für verschiedene Abgabenschuldigkeiten der K. GmbH heran. Der Bescheid wurde am 30. Juli 2009 der Beschwerdeführerin zugestellt.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom 27. August 2009 die Verlängerung der Berufungsfrist bis zum (Samstag, dem) 31. Oktober 2009 und mit Schriftsatz vom 2. November 2009 die Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 20. Jänner 2010.

Mit Bescheid vom 20. November 2009 sprach das Finanzamt über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. November 2009 ab, wonach diesem Antrag "teilweise stattgegeben" werde. Die Frist werde bis zum 24. Dezember 2009 verlängert. In der Begründung wird angeführt, eine Rechtsmittelfrist von fünf Monaten erscheine ausreichend. Anschließend findet sich der Text:

"Achtung! Durch Ihren Antrag auf Fristverlängerung wurde der Lauf der Berufungsfrist (Antragsfrist) gehemmt. Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages und endet mit dem Tag, an dem Ihnen diese Entscheidung zugestellt wird. Diese Hemmung kann jedoch nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zum dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft."

Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009 beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 20. März 2010.

Diesen Antrag wies das Finanzamt mit Bescheid vom 22. Jänner 2010 als unbegründet ab.

Mit Schriftsatz vom 28. Jänner 2010 erhob die Beschwerdeführerin Berufung gegen den eingangs erwähnten Haftungsbescheid vom 24. Juli 2009.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2010 wies das Finanzamt die Berufung als verspätet zurück, weil die Berufungsfrist am 28. Dezember 2009 abgelaufen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte die belangte Behörde aus, strittig sei einzig und allein die Frage, ob die bescheidmäßige Terminsetzung der Abgabenbehörde mit 24. Dezember 2009 eine weitere Hemmung durch einen vor Ablauf dieser Frist gestellten neuerlichen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einbringung einer Berufung zulasse oder nicht.

Der Lauf der Berufungsfrist werde durch einen Fristverlängerungsantrag nur dann gehemmt, wenn er vor Ablauf der Berufungsfrist eingebracht werde. Auch Anträgen auf neuerliche Erstreckung einer bereits verlängerten Berufungsfrist komme hemmende Wirkung zu. Jedoch könne dieses Instrumentarium naturgemäß nicht ad infinitum eingesetzt werden. Einem nach Abweisung eines Fristverlängerungsantrages eingebrachten neuerlichen Fristerstreckungsantrag komme keine hemmende Wirkung mehr zu.

Der Bescheid vom 20. November 2009 habe unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine fristgerechte Einbringung der Berufung nur noch bis 24. Dezember 2009 möglich sei, und habe somit neben der Zubilligung der Hemmung bis 24. Dezember 2009 eine Abweisung eines Mehrbegehrens einer noch längeren Zufristung enthalten. Eine weitere Verlängerung einer Frist durch einen vor Ablauf der Frist eingebrachten neuerlichen Antrag wäre wegen der mit einem Bescheid einhergehenden Wirkung der Unabänderbarkeit nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 294 BAO gegeben gewesen wären, was im Beschwerdefall weder behauptet worden sei noch vorliege. Der weitere Antrag auf Fristverlängerung (vom 22. Dezember 2009) habe somit keine Verlängerung der Hemmung bewirken können; eine Berufung hätte nur noch am 24. Dezember 2009 fristgerecht eingebracht werden können.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin ersichtlich im Recht verletzt erachtet, dass über ihre Berufung gegen den Haftungsbescheid in der Sache entschieden werde.

Die belangte Behörde legte Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Berufungsfrist einen Monat.

§ 245 Abs. 3 und 4 BAO lautet:

"(3) Die Berufungsfrist kann aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.

(4) Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs. 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft."

Auch Anträgen auf neuerliche Erstreckung einer bereits verlängerten Berufungsfrist kommt hemmende Wirkung zu (vgl. etwa Ritz, BAO4, § 245 Tz 26). Nach der hg. Rechtsprechung kommt demgegenüber einem nach Abweisung eines Fristverlängerungsansuchens eingebrachten neuerlichen Fristerstreckungsansuchen keine hemmende Wirkung zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. November 2011, 2009/13/0153, mwN).

Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Finanzamtes vom 20. November 2009 die Frist zur Einbringung der Berufung bis zum 24. Dezember 2009 verlängert.

Der innerhalb dieser Frist mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009 eingebrachte Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist hemmte nach § 245 Abs. 3 und 4 BAO somit den weiteren Ablauf der Berufungsfrist.

Dass die belangte Behörde mit ihrem Bescheid vom 20. November 2009 dem Ansuchen vom 2. November 2009 nur teilweise stattgab und die Frist nicht wie beantragt bis zum 20. Jänner 2010, sondern nur bis zum 24. Dezember 2009 verlängert, das "Mehrbegehren" somit abgewiesen hatte, ändert daran nichts. Bei (teilweiser) Stattgabe kann vor Ablauf der Frist neuerlich eine Fristverlängerung beantragt werden (vgl. insoweit zutreffend Lenneis, Zurückweisung eines Fristverlängerungsantrages - widersprüchliche Bescheidgestaltung, in UFS Journal 2012/3, 111 ff, Punkt 3.3).

Der somit innerhalb offener Berufungsfrist (diese endete unter Berücksichtigung der teilweise Stattgebung des Antrages vom 2. November 2009 durch Bescheid vom 20. November 2009 mit 24. Dezember 2009) eingebrachte Fristverlängerungsantrag vom 22. Dezember 2009 hemmte gemäß § 245 Abs. 3 letzter Satz BAO den Ablauf der Berufungsfrist bis zur Zustellung der Entscheidung darüber (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. März 2012, 2012/13/0016), somit bis zur Zustellung des Bescheides des Finanzamtes vom 22. Jänner 2010. Wann dieser Bescheid zugestellt wurde, ist weder den vorgelegten Verwaltungsakten noch den Schriftsätzen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu entnehmen.

Mit der Ansicht, der Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. Dezember 2009 habe keine Verlängerung der Hemmung bewirken können, hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Februar 2013

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