VwGH 2010/08/0134

VwGH2010/08/013430.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des WR in Wien, vertreten durch Dr. Eva Rieß, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Zeltgasse 3/13, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 15. Februar 2010, Zl. 2010-0566-9- 000406, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §268;
AlVG 1977 §46 Abs1;
AlVG 1977 §46 Abs5;
AlVG 1977 §46 Abs6;
VwRallg;
ABGB §268;
AlVG 1977 §46 Abs1;
AlVG 1977 §46 Abs5;
AlVG 1977 §46 Abs6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, der zu diesem Zeitpunkt im Bezug von Arbeitslosengeld stand, meldete am 6. November 2009 der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien die Aufnahme einer Beschäftigung ab dem 9. November 2009; mit diesem Datum wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes eingestellt. In weiterer Folge kam dieses Dienstverhältnis nicht zu Stande. Am 11. Jänner 2010 sprach der Beschwerdeführer wiederum persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vor.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 18. Jänner 2010 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 17 iVm §§ 44 und 46 AlVG Arbeitslosengeld ab dem 11. Jänner 2010 gebührt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, der mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben wurde.

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass auf Grund der gemeldeten Aufnahme eines Dienstverhältnisses ab 9. November 2009 eine vorsorgliche Bezugseinstellung erfolgt sei. Da das Dienstverhältnis nicht zu Stande gekommen sei, hätte eine persönliche Wiedermeldung binnen einer Woche erfolgen müssen. Die Wiedermeldung sei jedoch nicht innerhalb dieser gesetzlich festgelegten Frist, sondern erst am 11. Jänner 2010 erfolgt. Eine Nachsichtgewährung sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 46 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl I Nr. 82/2008 lautet auszugsweise:

"§ 46. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Das Arbeitsmarktservice hat neben einem schriftlichen auch ein elektronisches Antragsformular zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat. Hat die arbeitslose Person zum Zweck der Geltendmachung des Anspruches bereits persönlich vorgesprochen und können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so kann die regionale Geschäftsstelle vom Erfordernis der persönlichen Abgabe des Antrages absehen. Eine persönliche Abgabe des Antrages ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.

(2) ...

(5) Wird der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen oder ruht der Anspruch (§ 16), wobei der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein nicht bekannt ist, so ist der Anspruch auf das Arbeitslosengeld oder auf den Fortbezug neuerlich persönlich geltend zu machen. Wenn der Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum 62 Tage nicht übersteigt, so genügt für die Geltendmachung die persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Die regionale Geschäftsstelle kann die arbeitslose Person vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache entbinden, wenn kein Zweifel an der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung besteht und keine persönliche Abklärung zur Wahrung oder Verbesserung der Vermittlungschancen erforderlich ist. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung.

(6) Hat die arbeitslose Person den Eintritt eines Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestandes wie zB die bevorstehende Aufnahme eines Dienstverhältnisses ab einem bestimmten Tag mitgeteilt, so wird der Bezug von Arbeitslosengeld ab diesem Tag unterbrochen. Tritt der Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestand nicht ein, so genügt für die Geltendmachung die persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Die regionale Geschäftsstelle kann die arbeitslose Person vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache entbinden, wenn kein Zweifel an der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung besteht und keine persönliche Abklärung zur Wahrung oder Verbesserung der Vermittlungschancen erforderlich ist. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach der Unterbrechung, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung.

(7) Ist der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein bekannt und überschreitet die Unterbrechung oder das Ruhen den Zeitraum von 62 Tagen nicht, so ist von der regionalen Geschäftsstelle ohne gesonderte Geltendmachung und ohne Wiedermeldung über den Anspruch zu entscheiden. Die arbeitslose Person ist in diesem Fall im Sinne des § 50 Abs. 1 verpflichtet, den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis oder sonstige maßgebende Änderungen, die im Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum eintreten, der regionalen Geschäftsstelle zu melden. In allen übrigen Fällen ist der Anspruch neuerlich persönlich geltend zu machen.

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass § 46 Abs. 1 AlVG unter bestimmten Umständen - bei vorliegen triftiger Gründe - die Gewährung einer Nachsicht bei der verspäteten Einbringung des Antrages auf Arbeitslosengeld zulasse. Eine Krankheit sei jedenfalls als triftiger Grund für eine Terminversäumnis anzusehen. § 46 Abs. 5 (richtig: Abs. 6) AlVG sehe für den Fall, dass der mitgeteilte Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestand nicht eintritt, für die Geltendmachung die persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle binnen einer Woche nach Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes vor. In dieser Bestimmung finde sich weder ein ausdrücklicher Verweis auf einen Entschuldigungsgrund noch ein expliziter Ausschluss der Berücksichtigung von Hinderungsgründen im Fall der Säumnis mit der persönlichen Wiedermeldung, sodass hier ein Handlungsspielraum für die Behörde bestehe. Die belangte Behörde habe von diesem Ermessensspielraum nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht und den Grund, dass der Beschwerdeführer nicht in der psychischen Verfassung gewesen sei, um sich fristgerecht in der regionalen Geschäftsstelle wiederzumelden, nicht in die Abwägung einfließen zu lassen.

Der Beschwerdeführer verkennt mit diesem Vorbringen, dass die Berücksichtigung triftiger Gründe im Falle einer Fristversäumnis nach § 46 Abs. 1 letzter Satz AlVG lediglich Fälle betrifft, in denen von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder sonstiger Unterlagen eine Frist gesetzt wurde; dies setzt jedoch die vorherige (persönliche) Vorsprache zum Zweck der Geltendmachung des Anspruchs voraus.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthält § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder verspäteter Antragstellungen. Die formalisierte Antragstellung im Sinne des § 46 AlVG schließt eine Bedachtnahme auf Fälle unverschuldet unterbliebener Antragstellung aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2007, Zl. 2006/08/0330). Die selben Überlegungen wie für die Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 46 Abs. 1 AlVG gelten auch für die neuerliche Geltendmachung bzw. die Wiedermeldung im Falle einer Unterbrechung oder des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 46 Abs. 5 AlVG. Eine Regelungslücke, die durch analoge Anwendung einer anderen Bestimmung des AlVG zu schließen wäre, besteht daher nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 2008, Zl. 2008/08/0138). Diese Grundsätze gelten auch für die erforderliche Wiedermeldung, nachdem ein vom Arbeitslosen zunächst gemeldeter Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestand wider Erwarten doch nicht eingetreten ist. Wird die in § 46 Abs. 6 AlVG festgelegte Wochenfrist für die Wiedermeldung versäumt, gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung, ohne dass es auf die Gründe für die verspätete Wiedermeldung ankäme.

3. Der Beschwerdeführer, für den mit Beschluss des Bezirksgerichtes F vom 12. März 2010 eine Sachwalterin für finanzielle Angelegenheiten bestellt wurde, macht geltend, er habe bereits vor der erstinstanzlichen Behörde sowie in der Berufung gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle - dabei jeweils bereits vertreten durch seine nunmehrige Sachwalterin - vorgebracht, dass er auf Grund seiner schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, seine finanziellen Angelegenheiten und Bedürfnisse alleine zu regeln, weshalb ihm auch die Tragweite seines Handelns und Nichthandelns nicht bewusst und für ihn nicht einschätzbar gewesen sei. Bei vollständiger Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass der Beschwerdeführer auf Grund der bereits jahrelang bestehenden Spielsucht mit Krankheitswert nicht in der Lage gewesen sei, die Wesentlichkeit der Wiedermeldung zu erkennen, weshalb er diese auch nicht erledigt habe. Die belangte Behörde habe sich damit nicht auseinander gesetzt; bei einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren wäre sie jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Entschuldigungsgrund für die Fristversäumnis vorgelegen sei.

Auch zu diesem Vorbringen ist darauf zu verweisen, dass bei verspäteter Wiedermeldung das Arbeitslosengeld - unabhängig von den für das Versäumnis ausschlaggebenden Gründen - erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung gebührt. Soweit das Vorbringen des Beschwerdeführers dahin zu verstehen ist, dass seine Geschäftsfähigkeit bereits vor Bestellung der Sachwalterin eingeschränkt gewesen sei, ist festzuhalten, dass nach dem mit der Beschwerde vorgelegten Beschluss des Bezirksgerichtes F vom 12. März 2010 die Sachwalterin lediglich für finanzielle Angelegenheiten, nicht aber für die Vertretung vor Behörden bestellt wurde und damit auch kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass der Beschwerdeführer im Umgang mit Behörden geschäftsunfähig gewesen wäre. Es kann daher offen bleiben, ob die Frist des § 46 Abs. 5 AlVG gegen Geschäftsunfähige laufen könnte.

4. Die Beschwerde war daher, da bereits ihr Inhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. Juni 2010

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