VwGH 2010/05/0035

VwGH2010/05/003516.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des EP in E, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 24, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Dezember 2009, Zl. RU1-BR-1241/001-2009, betreffend Zwangsstrafe nach dem VVG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs2;
VVG §1 Abs1 Z2 litb;
VVG §10 Abs2;
VVG §5 Abs1;
VVG §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §63 Abs2;
VVG §1 Abs1 Z2 litb;
VVG §10 Abs2;
VVG §5 Abs1;
VVG §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit rechtskräftig gewordenem Bescheid vom 7. Dezember 2004 hat der Bürgermeister der Gemeinde E dem Beschwerdeführer die Nutzung des nicht baubewilligten Ausbaues des Dachgeschoßes des Wirtschaftsgebäudes auf dem Grundstück Nr. 1778, EZ 1352, KG E, zur Befriedigung familieneigener Wohnbedürfnisse untersagt.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2005 ersuchte der Bürgermeister der Gemeinde E die Bezirkshauptmannschaft K um die Vollstreckung des Bescheides vom 7. Dezember 2004.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde E vom 10. Juni 2005 wurde das mit Bauanzeige des Beschwerdeführers vom 11. April 2005 angezeigte Bauvorhaben, nämlich das Dachgeschoß des Wirtschaftsgebäudes künftig als Wohnbereich zu nutzen, untersagt.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand der Gemeinde E mit Bescheid vom 5. Oktober 2005 als unbegründet abgewiesen.

Die Vorstellung, die der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhoben hat, wurde von der Niederösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 13. September 2006 als unbegründet abgewiesen.

Im an den Beschwerdeführer gerichteten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft K vom 23. November 2006 wurde ausgeführt, mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde E vom 10. Juni 2005 sei der Beschwerdeführer zur Unterlassung verpflichtet worden, das "angezeigte Vorhaben, das Dachgeschoß des Wirtschaftsgebäudes künftig als 'Wohnbereich' zu nutzen, wird untersagt". Dieser Verpflichtung sei er bisher nicht nachgekommen. Dem Beschwerdeführer wurde bei Nichteinhaltung einer Paritionsfrist von vier Monaten eine Zwangsstrafe von EUR 250,-- angedroht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K vom 24. Oktober 2007 wurde die Zwangsstrafe von EUR 250,-- verhängt. Unter einem wurde eine weitere Zwangsstrafe von EUR 350,-- angedroht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K vom 9. September 2009 wurde unter ausdrücklicher Wiederholung des Wortlautes in der Androhung vom 23. November 2006 die Zwangsstrafe von EUR 350,-- verhängt. Eine weitere Zwangsstrafe von EUR 450,-- wurde angedroht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein Berufungsgrund des § 10 Abs. 2 VVG vorgebracht worden sei. In der Berufung sei lediglich dargelegt worden, dass der dem Vollstreckungsverfahren zugrunde liegende Untersagungsbescheid zu Unrecht erlassen worden sei, da für sämtliche Gebäudeteile des Wirtschaftsgebäudes die Widmung Bauland-Sondergebiet-Presshäuser gelte und auf Grund dieser Widmung die private Nutzung des Dachgeschoßes zulässig sei. Im Vollstreckungsverfahren könne aber die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Titelbescheides nicht mehr aufgeworfen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird vorgebracht, die Untersagung eines angezeigten Vorhabens entspreche der Versagung einer Baubewilligung und sei ein Rechtsgestaltungsbescheid. Als solcher sei er kein Leistungsbescheid und damit nicht vollstreckbar. Ferner habe es im Jahr 2006 eine Änderung der Flächenwidmung gegeben, nach der das Wirtschaftsgebäude nunmehr im Bauland-Sondergebiet-Keller/Presshäuser liege. Diese Baulandwidmung erlaube die Nutzung von Gebäuden zu privaten Zwecken. Grundsätzlich seien im Übrigen von Gemeinden erlassene Bescheide von den Gemeinden selbst zu vollstrecken. Sie seien berechtigt, im eigenen Wirkungsbereich erlassene Bescheide auf Ersuchen von der Bezirksverwaltungsbehörde vollstrecken zu lassen. Dieses Ersuchen habe mit verfahrensrechtlichem Bescheid zu erfolgen, was im vorliegenden Fall nicht geschehen sei. Damit sei die Bezirksverwaltungsbehörde zur Vollstreckung unzuständig gewesen.

Vorbehaltlich des (hier nicht relevanten) § 3 Abs. 3 VVG obliegt den Bezirksverwaltungsbehörden gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. b VVG die Vollstreckung der von Gemeindebehörden (ausgenommen die Behörden der Städte mit eigenem Statut) erlassenen Bescheide auf Ersuchen dieser Behörden.

Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, wird gemäß § 5 Abs. 1 VVG dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

Die Vollstreckung hat gemäß § 5 Abs. 2 VVG mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen.

Gemäß § 10 Abs. 2 VVG kann die Berufung gegen eine nach dem VVG erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn

  1. 1. die Vollstreckung unzulässig ist oder
  2. 2. die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder

    3. die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind ober mit § 2 VVG im Widerspruch stehen.

    Soweit in der Beschwerde unter Hinweis auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II, 2. Auflage, S. 1248 FN 19, vorgebracht wird, dass das Ersuchen der Gemeinde an die Bezirksverwaltungsbehörde um Vollstreckung in Form eines verfahrensrechtlichen Bescheides zu ergehen hat, ist dem nicht zu folgen. Das Gesetz sieht die Erlassung eines solchen Bescheides nicht vor. Zwar handelt es sich dabei um eine Delegation der Zuständigkeit zur Vollstreckung, diese kann jedoch sowohl verfassungs- als auch (jedenfalls im vorliegenden Fall) gesetzeskonform durch Verfahrensanordnung im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG erfolgen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1986, VfSlg. Nr. 10.912; vgl. dazu auch Moritz, Die Delegation durch Verfahrensanordnung, ZfV 1987/4, S. 405 ff, und die bei Walter/Thienel, aaO, S. 560f zu § 29a VStG zitierte hg. Judikatur).

    Zu beachten ist allerdings, dass sich die Vollstreckung auf einen konkreten Titelbescheid zu beziehen hat. Stimmt eine im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ergangene Vollstreckungsverfügung mit dem Titelbescheid nicht überein, ist die Vollstreckung nicht zulässig (vgl. Walter/Thienel, aaO, S. 1408 f).

    Daraus folgt aber, dass sich jedenfalls auch schon die Übertragung der Zuständigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b VVG auf einen konkreten Titelbescheid beziehen muss.

    Nun hat zwar im vorliegenden Fall der Bürgermeister der Gemeinde E einen Leistungsbescheid vom 7. Dezember 2004 erlassen und diesbezüglich mit Schreiben vom 9. Mai 2005 die Bezirkshauptmannschaft K um Vollstreckung ersucht. Die Androhung der Zwangsstrafe mit Verfahrensanordnung vom 23. November 2006 durch die Bezirkshauptmannschaft K bezog sich aber ausdrücklich auf den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde E vom 10. Juni 2005, mit dem "das angezeigte Vorhaben, das Dachgeschoß des Wirtschaftsgebäudes künftig als 'Wohnbereich zu nutzen'", untersagt worden war. Auf eben diesen Bescheid vom 10. Juni 2005 und den darin ausdrücklich enthaltenen Spruch bezog sich auch die Androhung der hier gegenständlichen Zwangsstrafe von EUR 350,-- mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft K vom 24. Oktober 2007 und die Verhängung dieser Zwangsstrafe mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K vom 9. September 2009. Hinsichtlich des Bescheides vom 10. Juni 2005 lag aber kein Ersuchen der Gemeindebehörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b VVG vor.

    Dadurch, dass die belangte Behörde die Vollstreckungsverfügung vom 9. September 2009 mit dem angefochtenen Bescheid durch die Abweisung der Berufung inhaltlich bestätigt hat, hat auch sie in der Sache eine mit dem Bescheid vom 9. September 2009 gleichlautende Vollstreckungsverfügung in Bezug auf den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde E vom 10. Juni 2005 erlassen. Mangels Ersuchens der Gemeinde bestand aber weder für die Bezirkshauptmannschaft K noch für die belangte Behörde eine Zuständigkeit zu einem solchen bescheidmäßigen Abspruch. Die belangte Behörde hätte vielmehr die Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft K in ihrem Berufungsbescheid aufzugreifen und deren Bescheid vom 9. September 2009 ersatzlos zu beheben gehabt, zu einer Entscheidung in der Sache war sie hingegen unzuständig.

    Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

    Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

    Wien, am 16. März 2012

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