Normen
BauG Vlbg 2001 §18 Abs1 lita;
BauG Vlbg 2001 §40 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §40 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BauG Vlbg 2001 §18 Abs1 lita;
BauG Vlbg 2001 §40 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §40 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren in Bezug auf Schriftsatzaufwand wird abgewiesen.
Begründung
Der Bürgermeister der Marktgemeinde S. erteilte mit Bescheid vom 19. April 2006 dem Mitbeteiligten die baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung eines landwirtschaftlichen Geräteschuppens auf den Grundstücken Nr. 2975 und 2974/1, KG. S., am B.-Weg. Nach den bewilligten Bauplänen verläuft der letzte Abschnitt (das letzte Segment) des geplanten Geräteschuppens im Westen nach einem Knick in Richtung Süden parallel zur Grundgrenze des Grundstückes Nr. 2963 (dessen Eigentümer der Mitbeteiligte ist). In Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde zu diesem Nachbargrundstück und dem weiteren, südlich gelegenen Nachbargrundstück Nr. 2960 eine Abstandsnachsicht gemäß § 7 Abs. 1 Vbg BauG erteilt, da der geplante Geräteschuppen in seinem westlichen bzw. südlichen Teil zu diesen Grundstücken (zumindest teilweise) lediglich einen Abstand von 1,0 m einhält.
Bei einer Besichtigung des Bauvorhabens am 4. September 2008 stellte die Baubehörde fest, dass der westliche Teil des Geräteschuppens nicht wie in den Bauplänen vorgesehen nach einem Knick parallel zur Nachbargrundgrenze Nr. 2963, sondern vielmehr mit geradliniger Front nach Westen errichtet wurde.
Die erstinstanzliche Behörde trug dem Mitbeteiligten am 4. September 2008 auf, gemäß § 40 Abs. 1 Vbg BauG binnen einer Monatsfrist einen Bauantrag hinsichtlich der festgestellten Planabweichungen einzubringen (mit den entsprechenden Planunterlagen). Gleichzeitig wurde die Verfügung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes angedroht, sollte diesem Auftrag nicht entsprochen werden. Der Mitbeteiligte kam dieser Aufforderung nicht nach. Der Bürgermeister der Marktgemeinde S. ordnete in der Folge mit Bescheid vom 9. Februar 2009 die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes auf den Grundstücken Nr. 2975 und 2974/1, KG. S., durch Beseitigung des Geräteschuppens an. Die vollständige Beseitigung des Geräteschuppens habe bis zum 1. Juni 2009 zu erfolgen.
In der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten führte dieser aus, dass der Abbruchbescheid verfrüht ergangen sei, da der angrenzende Liegenschaftseigentümer E. M. das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers bestreite. Er habe nunmehr eine Zivilklage auf Feststellung des Eigentumsrechtes beim Bezirksgericht M. eingebracht. Weiters habe er die Gegenseite auf Übertragung des Eigentumsrechtes geklagt. Sobald in diesem Zivilprozess geklärt sei, dass der Beschwerdeführer zivilrechtlicher Eigentümer dieser Liegenschaft sei, werde er das entsprechende Urteil vorlegen und die geforderten Planergänzungen vorlegen. Die Beurteilung dieser Frage stelle eine zivilrechtliche Vorfrage dar. Wenn der Zivilrechtsstreit zu Gunsten des Beschwerdeführers entschieden werde, und die geänderten Planunterlagen vorgelegt würden, sei mit einem positiven Abschluss des vorliegenden Bauverfahrens zu rechnen. Die Überreichung von Planunterlagen innerhalb der gesetzten Frist hätte zu einer Abweisung des Bauantrages geführt, da im gegenwärtigen Stadium die Zustimmung des Grundnachbarn noch nicht nachgewiesen werden könnte.
Die Berufungskommission der Marktgemeinde S. wies diese Berufung des Mitbeteiligten mit dem vom Bürgermeister ausgefertigten Bescheid vom 7. April 2009 als unbegründet ab. Sie führte im Wesentlichen aus, dass der seinerzeitige Eigentümer der Nachbargrundstücke J. S. einem geringeren Abstand zu seinen Grundstücken zugestimmt habe, woraus sich ergebe, dass den Beteiligten der Grenzverlauf zwischen dem Baugrundstück und den beiden Nachbargrundstücken im Wesentlichen klar gewesen sei. Die nicht erfolgte Abschrägung des letzten Segmentes des verfahrensgegenständlichen Geräteschuppens stelle an sich schon eine bewilligungspflichtige Planabweichung dar. Abgesehen davon, sei davon auszugehen, dass sich dadurch ein geringerer Abstand zum Grundstück Nr. 2963 ergeben habe bzw. dieses Grundstück überbaut worden sei. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 Vbg. BauG lägen eindeutig vor und zwar unabhängig von allfälligen zivilrechtlichen Auseinandersetzungen.
Die belangte Behörde hob den Berufungsbescheid vom 7. April 2009 mit dem angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurück. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass dem Bauantrag gemäß § 24 Abs. 2 lit. a Vbg. BauG der Nachweis des Eigentums oder Baurechtes am Baugrundstück anzuschließen sei. Im vorliegenden Verfahren müsse das Eigentum des Baugrundstückes als zivilgerichtliche Vorfrage erst geklärt werden. Gemäß § 38 AVG sei die Behörde berechtigt, die im Ermittlungsverfahren auftauchenden Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrundezulegen. Sie könne aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bilde oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht werde.
Derzeit sei beim Bezirksgericht M ein Zivilverfahren anhängig, in dem die Eigentumsverhältnisse in Bezug auf das Nachbargrundstück Nr. 2963, GB. S., geklärt werden sollten. Für die Beantwortung dieser Frage sei die belangte Behörde nicht zuständig. Die Beantwortung dieser Frage stelle für das gegenständliche Verfahren eine Vorfrage gemäß § 38 AVG dar und sei eine unabdingbare Voraussetzung für die Fortsetzung des Verfahrens. Der Berufungsbescheid sei daher aufzuheben gewesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde macht die beschwerdeführende Marktgemeinde Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Vbg. BauG, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 34/2008 anzuwenden.
Gemäß § 18 Abs. 1 lit. a BauG ist die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden baubewilligungspflichtig; ausgenommen davon sind kleine Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind (Letzteres kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht).
§ 40 Abs. 1 und 3 BauG lauten wie folgt:
"§ 40
Herstellung des rechtmäßigen Zustandes
(1) Ergibt eine Überprüfung nach § 38 Abs. 1 lit. a oder b einen Grund zur Beanstandung, so hat die Behörde - unabhängig von einem Vorgehen nach § 39 - den Bauherrn aufzufordern, innerhalb eines Monats
a) einen Bauantrag zu stellen, wenn das beanstandete Bauvorhaben oder der beanstandete Teil des Bauvorhabens bewilligungspflichtig ist; oder
b) eine Bauanzeige einzubringen, wenn das beanstandete Bauvorhaben oder der beanstandete Teil des Bauvorhabens anzeigepflichtig ist.
…
(3) Kommt der Bauherr der Aufforderung nach Abs. 1 durch Einbringung eines vollständigen Bauantrages bzw. einer vollständigen Bauanzeige nicht nach oder wurde die Baubewilligung versagt bzw. erfolgte aufgrund der Bauanzeige die Untersagung, so hat die Behörde die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen einer angemessen festzusetzenden Frist zu verfügen. Falls der Bauherr nicht herangezogen werden kann, hat die Verfügung an denjenigen zu ergehen, der als Eigentümer oder als Bauberechtigter über das Bauwerk oder die sonstige Anlage verfügungsberechtigt ist; dies ist jedoch unzulässig, sofern der Eigentümer oder der Bauberechtigte nachweist, dass er dem Bauvorhaben nicht zugestimmt hat, es nicht geduldet hat und er aus ihm keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen kann."
Die beschwerdeführende Gemeinde macht geltend, dass die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgehe, dass in einem Verfahren gemäß § 40 BauG die Frage des Eigentums bzw. des genauen Grenzverlaufes eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstelle. Die Eigentumsfrage bzw. im gegenständlichen Verfahren der genaue Grenzverlauf sei im Bauverfahren gemäß § 24 Abs. 3 lit. a BauG nachzuweisen und zu berücksichtigen. Gemäß § 35 BauG dürfe von einem bewilligten Bauvorhaben nur dann abgewichen werden, wenn die Änderung des Bauvorhabens rechtskräftig bewilligt worden sei. Derartige Abweichungen seien grundsätzlich wie normale Bauvorhaben zu behandeln. Tatsächlich sei vom Mitbeteiligten jedoch kein Bauantrag hinsichtlich der bewilligungspflichtigen Planabweichungen eingebracht worden und liege ein derartiger Bauantrag nicht vor. Der Mitbeteiligte sei beim Ortsaugenschein am 4. September 2008 bzw. mit einem ihm am 8. September 2008 zugestellten Schreiben aufgefordert worden, binnen einer Monatsfrist einen Bauantrag hinsichtlich der Planabweichungen einzubringen. Der Umstand, dass der Mitbeteiligte den Bauantrag nicht eingebracht habe, weil hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse Unklarheit bestehe und er den Bauantrag erst nach Klärung dieser Umstände stellen werde, sei diesbezüglich rechtlich irrelevant. Der Beschwerdeführer hätte bereits vor Ausführung des geänderten Projektes um die baupolizeiliche Bewilligung ansuchen müssen.
Dieses Vorbringen ist zielführend. Der Mitbeteiligte hat den westlichen Teil des mit Bescheid vom 19. April 2006 bewilligten landwirtschaftlichen Geräteschuppens unbestritten nicht entsprechend der erteilten Baubewilligung, sondern abweichend davon ausgeführt, indem er dessen Lage maßgeblich geändert hat. Danach verläuft die nördliche bzw. nordwestliche Gebäudefront im westlichen Bereich des Gebäudes nicht nach einem Knick parallel zum Grundstück Nr. 2963, sondern wurde die nördliche Gebäudefront auch im westlichen Bereich des Gebäudes geradlinig errichtet, woraus sich ein geringerer Abstand zu dem angeführten Nachbargrundstück als bewilligt ergibt bzw. das Überschreiten der Nachbargrundgrenze durch das Bauvorhaben. Maßgebliche Voraussetzung für einen Auftrag zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 40 Abs. 3 BauG ist, dass der betroffene Bauherr der Aufforderung nach Abs. 1, nämlich innerhalb eines Monates einen Bauantrag zu stellen, wenn das beanstandete Bauvorhaben oder der beanstandete Teil des Bauvorhabens, wie im vorliegenden Fall, bewilligungspflichtig ist. Diese Voraussetzung steht in keinerlei Zusammenhang damit, ob der einzubringende Bauantrag Aussichten auf positive Erledigung hat oder nicht.
Gemäß § 40 Abs. 3 BauG hat die Aufforderung grundsätzlich an den Bauherrn zu ergehen, also den, in dessen Namen und Auftrag das in Frage stehende Gebäude errichtet wurde. Der verfahrensgegenständliche baupolizeiliche Auftrag ist ohne Frage an den Mitbeteiligten als Bauherren des in Frage stehenden Gebäudes gerichtet worden. Die Frage des Grundeigentums stellt daher in dem vorliegenden Verfahren gemäß § 40 Abs. 1 und 3 BauG keine Vorfrage gemäß § 38 AVG dar. Indem die belangte Behörde von dieser Annahme ausging, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Abgesehen davon ist die Verpflichtung gemäß § 40 Abs. 1 BauG, einen Bauantrag innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen, unabhängig davon, ob ein solcher Antrag Aussicht auf Erfolg hat. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren betreffend Schriftsatzwaufwand war im Hinblick auf den in der angeführten Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrag (der die Umsatzsteuer mitumfasst) abzuweisen.
Wien, am 27. April 2011
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