VwGH 2007/11/0076

VwGH2007/11/007623.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm, sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des Dr. M T in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Freyung 7, gegen den Bescheid des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Spitzauer & Backhausen Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3, vertretenen Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 14. März 2007, Zl. B 7/07- 16/070314 Arzt Nr.:11999, betreffend Vorschreibung von Beiträgen für die Todesfallbeihilfe und für die Krankenunterstützung, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1984 §75 Abs1;
ÄrzteG 1998 §109 Abs1;
ÄrzteG 1998 §113 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ÄrzteG 1984 §75 Abs1;
ÄrzteG 1998 §109 Abs1;
ÄrzteG 1998 §113 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 11. Jänner 2007 wurde der Beitrag des Beschwerdeführers für die Todesfallbeihilfe gemäß Abschnitt II der Beitragsordnung und für die Krankenunterstützung gemäß Abschnitt VI Abs. 1 der Beitragsordnung, jeweils des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, für den Zeitraum von 1. Februar 1994 bis 31. Dezember 2004, festgesetzt.

In der Begründung führte die Erstbehörde im Wesentlichen aus, auf Grund der Eintragung in die Ärzteliste werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer seit 1. Februar 1994 bis dato in der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten unselbständig ärztlich tätig sei und ist, woraus die Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien seit 1. Februar 1994 resultiere, die unverändert aufrecht sei. Hinsichtlich der Höhe der vorgeschriebenen Beiträge verwies die Erstbehörde auf angeschlossene Aufstellungen.

In der Berufung ("Beschwerde") gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer unter anderem geltend, die Erstbehörde habe es unterlassen, die Kammerangehörigkeit des Beschwerdeführers in einem den Bestimmungen des AVG entsprechenden Verfahren festzustellen; nach entsprechenden Erhebungen hätte festgestellt werden müssen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls seit einem Zeitpunkt vor der Aufnahme seiner ärztlichen Tätigkeit in Wien ohne rechtlich maßgebliche Unterbrechung Mitglied der Niederösterreichischen Ärztekammer sei, woraus folge, dass Beiträge zum Wohlfahrtsfonds ausschließlich von dieser vorgeschrieben werden dürften. Der Beschwerdeführer sei daher gegenüber dem Wohlfahrtsfonds der Wiener Ärztekammer nicht beitragspflichtig, was in einem mangelfreien Verwaltungsverfahren festgestellt hätte werden müssen. Völlig unerklärlich sei weiters die Feststellung, der Beschwerdeführer hätte im Zeitraum von 1. November 1995 bis 30. April 1996 die Ermäßigung gemäß Abschnitt II Abs. 3 der Beitragsordnung in Anspruch genommen sowie am 1. Mai 1996 eine Ordination eröffnet. Weder das eine noch das andere sei der Fall; der Beschwerdeführer habe niemals eine eigene Ordination eröffnet; es sei daher zu befürchten, dass die Erstbehörde einer Namensverwechslung unterlegen sei.

Der Beschwerdeführer übe unter anderem im Bereich der Ärztekammer für Wien seinen Beruf als Angestellter der Sozialversicherungsanstalt aus und sei in die von der Österreichischen Ärztekammer geführte Ärzteliste eingetragen. Er sei Angehöriger der Niederösterreichischen Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst den ärztlichen Beruf aufgenommen habe, und zwar seit seiner Tätigkeit als Turnusarzt ab dem Jahr 1979. Er habe diese Tätigkeit in Niederösterreich fortgesetzt und niemals für mehr als sechs Monate unterbrochen. Der Beginn seiner Tätigkeit im Bereich der Ärztekammer für Wien datiere jedenfalls geraume Zeit nach der Aufnahme seiner im genannten Sinn niemals rechtlich maßgeblich unterbrochenen ärztlichen Tätigkeit in Niederösterreich.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung ("Beschwerde") des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen und dieser bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde nach einer Wiedergabe des Verfahrensgangs im Wesentlichen aus, gemäß § 109 Abs. 1 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) seien die Kammerangehörigen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen hätten, solange diese Tätigkeit aufrecht sei.

Übe ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibe er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen habe, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht sei. Eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate sowie eine ärztliche Tätigkeit im Bereich einer anderen Ärztekammer oder im Ausland auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften gelte diesbezüglich als ununterbrochene Berufsausübung.

Der Beschwerdeführer habe die ärztliche Tätigkeit am 1. Juni 1976 im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich aufgenommen und diese am 15. Februar 1987 beendet. Von 16. Februar 1987 bis 29. Februar 1988 sei er ausschließlich im Bereich der Ärztekammer für Wien in einer Privatklinik tätig gewesen. Von 1. März 1988 bis 31. Jänner 1994 sei der Beschwerdeführer im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich tätig gewesen; diese Tätigkeit sei am 31. Jänner 1994 beendet worden. Seit 1. Februar 1994 übe der Beschwerdeführer den ärztlichen Beruf als Angestellter der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien aus. In der Ärzteliste und dem beigeschafften Personalakt scheine kein weiterer Dienstort und keine weitere Anstellung oder selbständige Tätigkeit als Arzt auf. Richtig sei daher, dass der Beschwerdeführer die ärztliche Tätigkeit im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich begonnen habe; unrichtig allerdings, dass diese Tätigkeit aufrecht sei oder für nicht mehr als sechs Monate unterbrochen worden sei.

Da der Beschwerdeführer seinen Beruf nicht im Bereich mehrerer Ärztekammern, sondern ausschließlich im Bereich der Ärztekammer für Wien ausübe, sei er als ordentliches Kammermitglied dieser Landeskammer auch ordentliches Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. § 75 Abs. 1 des Ärztegesetzes 1984, BGBl. Nr. 373/1984, idF der Novelle BGBl. I Nr. 100/1994 (ÄrzteG) lautete:

"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§ 75. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie ihren Beruf ausüben (§§ 2 Abs. 3, 19 Abs. 2 und 3, 20) oder ihren Wohnsitz haben (§ 20a). Übt ein Arzt seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen hat. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet."

§ 109 Abs. 1 des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 in der Fassung bis zur Novelle BGBl. I Nr. 110/2001, lautete:

"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie den ärztlichen Beruf freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses (§§ 3 Abs. 2, 45 Abs. 2 und 3, 46) oder als wohnsitzärztliche Tätigkeit (§ 47) ausüben. Übt ein Arzt seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen hat. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet."

Durch BGBl. I Nr. 110/2001 erhielt § 109 Abs. 1 des Ärztegesetzes 1998 folgende Fassung:

"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Übt ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht ist. Eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate gilt diesbezüglich als ununterbrochene Berufsausübung. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet."

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurden Beiträge zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für den Zeitraum 1. Februar 1994 bis 31. Dezember 2004 festgesetzt. Auf der Basis der dargestellten Rechtslage war für die Beitragspflicht des Beschwerdeführers zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles jeweils entscheidend, ob er die im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich früher unstrittig ausgeübte ärztliche Tätigkeit auch weiterhin (ohne eine Unterbrechung von sechs Monaten oder mehr) ausübte.

3. Der Beschwerdeführer hatte in seiner Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid vorgebracht, er sei vor Aufnahme seiner ärztlichen Tätigkeit in Wien ohne rechtlich maßgebliche Unterbrechung Mitglied der Niederösterreichischen Ärztekammer gewesen und geblieben. Er habe nämlich im Bereich der Niederösterreichischen Ärztekammer zuerst seine ärztliche Berufstätigkeit aufgenommen und diese seit dem Jahr 1979 ohne eine mehr als sechs Monate dauernde Unterbrechung fortgesetzt.

Die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu der maßgeblichen Feststellung, er übe seinen ärztlichen Beruf ausschließlich im Bereich der Ärztekammer für Wien aus, eine frühere Tätigkeit im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich sei nicht mehr aufrecht, kein Parteiengehör gewährt hat.

Sie ist damit im Recht:

Die belangte Behörde hat die gerügte Feststellung darauf gestützt, dass "in der Ärzteliste und dem beigeschafften

Personalakt ... kein weiterer Dienstort und keine weitere

Anstellung oder selbständige Tätigkeit als Arzt" aufscheine.

Die Beschwerde bringt hingegen vor, der Beschwerdeführer sei auch seit 1. Februar 1994 laufend als Urlaubsvertreter in Arztpraxen in Niederösterreich tätig gewesen und habe daher seinen ärztlichen Beruf nicht ausschließlich im Bundesland Wien ausgeübt. Aus einem Beiblatt zur Einkommensteuererklärung etwa für das Jahr 1997 gehe ein Reingewinn aus ärztlicher Vertretungstätigkeit in Niederösterreich hervor. Die von der belangten Behörde als Grundlage für ihre gegenteiligen Feststellungen gewählten Unterlagen, nämlich die Ärzteliste und der Personalakt, seien offenkundig unrichtig, zumal der Beschwerdeführer auf die Aufnahme von Daten in diesen Unterlagen keinen Einfluss habe ausüben können; sie seien ihm aber auch nie vorgehalten worden, weshalb er dagegen keine Stellung beziehen habe können.

4. Indem die belangte Behörde, die gemäß § 113 Abs. 7 ÄrzteG 1998 im Verfahren das AVG anzuwenden hatte, sich zur Begründung der inkriminierten Feststellung, der Beschwerdeführer übe seit 1. Februar 1994 seine ärztliche Tätigkeit ausschließlich im Bereich der Ärztekammer für Wien aus, lediglich auf das Schreiben der Ärztekammer für Niederösterreich vom 8. November 2005 gestützt hat, ohne dem Beschwerdeführer dazu Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Unterlassung des gerügten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 23. November 2010

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