European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0100BS00130.25A.0828.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Einspruch wird dahin Folge gegeben, dass die Anklage zurückgewiesen und das Verfahren in den Punkten I./ und III./ eingestellt wird.
BEGRÜNDUNG:
Mit Anklageschrift vom 14. Mai 2025, St*, legt die Staatsanwaltschaft Wels der am ** geborenen A* und dem am ** geborenen B* jeweils den Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I./), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./) und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (III./) unterstellte Verhaltensweisen zur Last (ON 21).
Demnach haben sie als Beteiligte (§ 12 StGB)
I./ am 12. Juli 2023 in ** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, Mag. C* durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, zahlungsfähige und -willige Käufer zu sein, zur Unterfertigung eines Bittleih- und Kaufvertrags zu einem Kaufpreis von EUR 130.000,00 bzw zur Überlassung des leerstehenden Geschäftslokales in D*, E*platz **, verleitet, wodurch dieser mangels Kaufpreiszahlung im angeführten, sohin EUR 5.000,00 übersteigenden Betrag, am Vermögen geschädigt worden sei;
II./ zwischen 12. Juli 2023 und zumindest 5. Jänner 2024 in D* „Originalbaupläne“, somit Urkunden, über die sie nicht alleine verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich des Grundrisses der verkaufsgegenständlichen Liegenschaft, gebraucht werden, indem sie diese nach Scheitern des Kaufes nicht an Mag. C* retournierten;
III./ zwischen 12. Juli 2023 und 12. Dezember 2023 in D* sich anvertraute Güter, nämlich zwei Frostwächter, die ihnen im Rahmen der Benützung der Räumlichkeiten aufgrund des Bittleihvertrages anvertraut worden sind, dadurch, dass sie diese mitnahmen, mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.
Dagegen richtet sich der rechtzeitige Einspruch der beiden Angeklagten, der auf eine Einstellung des Verfahrens, hilfsweise auf eine Zurückweisung der Anklage, abzielt (ON 21).
Dem Einspruch kommt im Sinne der spruchgemäßen Erledigung Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 210 Abs 1 StPO ist Voraussetzung für die Einbringung einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft unter anderem das „Naheliegen“ einer Verurteilung aufgrund ausreichend geklärten Sachverhalts. Ausreichend geklärter Sachverhalt bedeutet, dass entsprechend dem Grundsatz der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) die Strafverfolgungsorgane alle be- und entlastenden Tatsachen, die für die Beurteilung der Tat und des Angeklagten von Bedeutung sind, sorgfältig ermittelt haben, sodass sie sich ein objektives Bild darüber machen können, wie sich die gegenständliche Tat zugetragen hat. Weiters muss aufgrund des ausermittelten Sachverhalts eine Verurteilung nahe liegen (Verurteilungswahrscheinlichkeit). Dazu muss ein einfacher Tatverdacht bestehen, was bedeutet, dass vom Gewicht der belastenden und entlastenden Indizien her bei deren Gegenüberstellung mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch zu erwarten sein muss. Dabei kommt es ausschließlich auf den Tatverdacht und nicht auf Rechtsfragen an (vgl Birklbauer, WK StPO § 210 Rz 4 f).
Nach § 212 Z 1 StPO steht dem Angeklagten gegen die Anklageschrift Einspruch zu, wenn die zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt. Dass die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, betrifft die Rechtsfrage, ob der angeklagte Lebenssachverhalt als prozessualer Tatbegriff – hypothetisch als erwiesen angenommen – unter den Tatbestand zumindest einer gerichtlich strafbaren Handlung zu subsumieren wäre. Allein eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Tat in der Anklageschrift verhindert nicht die Zulässigkeit der Anklage unter diesem Gesichtspunkt, sofern bei rechtsrichtiger Beurteilung nur irgendein anderer gerichtlich strafbarer Tatbestand erfüllt ist (vgl RIS-Justiz RS0097881; Birklbauer aaO § 212 Rz 2, 4).
Da die den Einspruchswerbern zur Last gelegten Tathandlungen im Falle ihrer Erweislichkeit gerichtlich strafbar sind und weder materiell-rechtliche Schuldausschließungs-, Rechtfertigungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, noch verfahrensrechtliche Verfolgungshindernisse im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO (vgl Kirchbacher, StPO15 § 212 Rz 2) erkennbar sind, liegt der Einspruchsgrund des § 212 Z 1 StPO nicht vor.
Soweit das Einspruchsvorbringen auf einen fehlenden Betrugsvorsatz der Angeklagten, die im Zuge der Verkaufsgespräche und -vereinbarungen ohne Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung gehandelt hätten, abstellt, es das Unterdrücken von Bauplänen und eine Wegnahme von Frostwächtern in Abrede stellt, stützt es sich inhaltlich auf den Einspruchsgrund des § 212 Z 2 StPO bzw - unter Verweis auf weitere Beweismittel - des § 212 Z 3 StPO. Ersterer ist erfüllt, wenn Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten; nach Z 3 leg cit ist ein Einspruch gegen die Anklage erfolgreich, wenn der Sachverhalt nicht so weit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten naheliegt (§ 212 Z 3 StPO).
Um der Entscheidung des erkennenden Gerichts nicht vorzugreifen, kommt eine Verfahrenseinstellung durch das Oberlandesgericht nach Z 2 nur in Betracht, wenn es der Überzeugung ist, dass der Angeklagte der Tat keinesfalls überwiesen werden kann, dass somit Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz eingehender Ermittlungen nicht ausreichen, bei lebensnaher Betrachtung eine Verurteilung auch nur (entfernt) für möglich zu halten (vgl Birklbauer aaO § 212 Rz 18 ff).
Das objektive Tatgeschehen wird hinsichtlich des zu Punkt I. in Rede stehenden Sachverhalts von den Angeklagten im Rahmen ihrer Stellungnahme (ON 16.2) nicht in Abrede gestellt. Sie haben jedoch weder den Verkäufer der Liegenschaft täuschen noch sich unrechtmäßig bereichern wollen. Vielmehr hätten Differenzen mit dem ehemaligen Mieter der Geschäftsräumlichkeiten wegen einer ungerechtfertigten Ablöseforderung dazu geführt, dass sie den vereinbarten Kaufpreis letztlich nicht bezahlt hätten.
Erst mit dem Einspruch wurden zur Untermauerung ihrer Verantwortung eine mit 9. März 2023 datierte Finanzierungszusage der F* AG, Filiale **, mit Bezugnahme konkret auf die Immobilie „E*platz **, D*“ (ON 26.2) sowie eine Umsatzliste betreffend eines den beiden Angeklagten zuzuordnenden Kontos bei der G*, ausweisend einen Kontostand per 21. Juli 2023 von EUR 113.529,75 und per 31. Juli 2023 einen solchen von EUR 115.506,50 (ON 26.3), vorgelegt.
Die Anklagebehörde stützt sich zur inneren Tatseite auf den Umstand, dass die Angeklagten ein gesteigertes Interesse an der Gewährung eines Bittleihvertrages gezeigt hätten und zahlreiche Exekutionsverfahren gegen sie geführt worden seien. Vor dem Hintergrund, dass die Angeklagten jedoch über eine – bis 31. Juli 2023 gültige – Finanzierungszusage einer Bank und im Juli 2023 zudem über nahezu den Kaufpreis erreichende Geldmittel verfügten, wird ein auch nur bedingter Vorsatz ihrerseits auf unrechtmäßige Bereicherung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht erweislich sein. Das Oberlandesgericht erachtet daher Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts in diesem Punkt für nicht ausreichend, eine Verurteilung in diesem Punkt bei lebensnaher Betrachtung auch nur entfernt für möglich zu halten.
Gleiches gilt für den Vorwurf der Veruntreuung zweier Frostwächter (III./). Es liegen hiezu keinerlei Beweisergebnisse vor, durch welche die beiden Angeklagten konkret belastet würden. Eine Begründung hiezu findet sich in der Anklageschrift, zumal auch der Anzeiger, auf dessen Angaben primär verwiesen wird, angibt, hiezu keine eigenen Wahrnehmungen zu haben (S 4 in ON 4.7). Die Ermittlungsergebnisse beschränken sich auf den Umstand, dass die beiden Frostwächter im Zeitpunkt der Kontrolle durch den Vater des Anzeigers im Dezember 2023 nicht mehr vorhanden waren, ohne dass Näheres dazu bekannt wäre. Die Möglichkeit einer Verurteilung ist auf Basis dieser Beweislage wiederum nicht ableitbar. Weiterführende Ermittlungsansätze bestehen dazu auch hier nicht, weshalb eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten steht.
Hinsichtlich der unter Punkt II./ angeführten „Originalbaupläne“ ist den bislang vorliegenden Erhebungsergebnissen die nähere Beschaffenheit der inkriminierten Unterlagen nicht zu entnehmen und eine rechtliche Beurteilung des Sachverhalts somit nicht möglich. Werden ausschließlich technische Formeln und Zeichnungen bzw sonstige graphische Darstellungen und Skizzen verwendet, kommt es darauf an, ob diese Zeichnungen bzw Darstellungen mit schriftlichen Erklärungen verbunden sind oder nicht. Sind sie Bestandteil einer im Übrigen schriftlichen Gedankenerklärung, dann liegt insgesamt eine Urkunde vor, sodass insoweit auch Baupläne, Konstruktionszeichnungen udgl Urkundencharakter haben können (vgl Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 § 223 Rz 8 mwN; Kienapfel/Schroll, WK2 StGB § 223 Rz 28 mwN). Es wird daher der Anzeiger diesbezüglich ergänzend zu befragen sein.
Die Anklage war daher in sämtlichen Punkten zurückzuweisen. Im Umfang der Punkte I./ und III./ war ob der dargelegten Erwägungen mit einer Verfahrenseinstellung vorzugehen (§ 215 Abs 2 StPO ), während zu Punkt II./ eine weitere Aufklärung des Sachverhalts vorzunehmen sein wird (§ 215 Abs 3 StPO).
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu (§ 214 Abs 1 StPO).
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