European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00075.23D.1018.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen haben das Begehren des Klägers, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 19. 8. 2021 zum 31. 12. 2021 für rechtsunwirksam zu erklären, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
[2] Der Kläger hatte sich im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren auf die Anfechtungsgründe des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG und § 105 Abs 3 Z 2 sowie Z 3c ArbVG gestützt. In der außerordentlichen Revision kommt der Kläger auf die Anfechtung der Kündigung wegen eines verpönten Motivs iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht mehr zurück.
[3] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Die relevanten Rechtsfragen wurden vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen 8 ObA 16/22y und 8 ObA 92/22w (jeweils Verfahren, die zwischen den Streitteilen geführt wurden) und 8 ObA 40/22y geklärt.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung (US 37 f) begründet, weshalb die vom Kläger in der Berufung begehrten Feststellungen (betreffend Flugbegleiterinnen) rechtlich nicht relevant sind.
[5] 2.1. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger unter Beibehaltung des bisherigen Dienstorts Salzburg auf einen anderen Flugzeugtyp umzuschulen, lässt sich dem Kollektivvertrag nicht entnehmen. Nach Punkt 65.9 Bord-KV sind die durch Umschulung zu besetzenden Stellen vielmehr auszuschreiben und aus dem Kreis der Bewerber nach dem Senioritätsprinzip zu besetzen. Die Beklagte hat dem Kläger auch tatsächlich die Möglichkeit eingeräumt, eine solche Stelle zu erlangen, was dieser aber aufgrund der damit verbundenen Verlegung seines Dienstorts abgelehnt hat (8 ObA 92/22w Rz 20 vom 23. 2. 2023). Soweit im Aufhebungsbeschluss 11 Ra 75/21k des OLG Linz vom 21. 1. 2022 (das Verfahren [Downgrading eines R3‑Kapitäns auf eine M1‑Co‑Piloten‑Position] endete durch Klagsrückziehung unter Anspruchsverzicht) eine andere Rechtsansicht vertreten wurde, wird dieser für die hier gegenständliche Frage (Recht/Pflicht auf Umschulung einer Kapitänsposition von R3 auf M3) nicht beigetreten.
[6] 2.2. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe aufgrund der konkreten Umstände des Falls (vgl RS0051942 [T4]) ihre soziale Gestaltungspflicht vor Ausspruch der Kündigung (vgl RS0051707) nicht verletzt, ist nicht korrekturbedürftig. Nach den Feststellungen hat sie dem Kläger – entsprechend den kollektivvertraglichen Vorgaben (Punkt 65.9 KV‑Bord) – mehrmals die Möglichkeit einer Umschulung eingeräumt. Der Kläger wusste auch, dass er in seinem Einzeldienstvertrag eine garantierte Kapitänsstellung mit Dienstort Salzburg vereinbart hatte und deshalb (im Gegensatz zu anderen Piloten ohne Einzelvertrag) nicht „zwangsumgeschult“ werden konnte. Hätte sich der Kläger beworben, ohne seine Bewerbung auf den Dienstort Salzburg einzuschränken, wäre er aufgrund seines Senioritätsrangs bereits ab 2017 bei allen ausgeschriebenen M3‑Positionen zum Zug gekommen.
[7] 3. Nach Punkt 39. KV-Bord ist eine örtliche Versetzung nur möglich, wenn sie im Einvernehmen mit dem Dienstnehmer erfolgt. Daraus kann aber – so hingegen die außerordentliche Revision – nicht abgeleitet werden, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, M3-Positionen ohne den Zusatz „Dienstort Wien“ auszuschreiben, standen doch die Schließungen der Bundesländer‑Homebases unmittelbar bevor (vgl 8 ObA 92/22w Rz 20). Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang verneinte Aktenwidrigkeit kann in dritter Instanz nicht geltend gemacht werden (9 ObA 130/11z).
[8] 4. Richtig ist, dass die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 16. 3. 2021 mitteilte, ihn mit Wirksamkeit vom 1. 6. 2021 nach Wien-Schwechat zu versetzen. Da diese Versetzung vertragsändernd war, weil im Dienstvertrag des Klägers der Dienstort Salzburg vereinbart war, war sie ohne Zustimmung des Klägers nicht möglich (vgl 8 ObA 40/22y). Ein sekundärer Feststellungsmangel liegt nicht vor, weil der Dienstort des Klägers mit Salzburg festgestellt wurde. Die Außerstreitstellung, auf die sich die außerordentliche Revision beruft, wonach der Kläger ab 1. 6. 2021 seinen Dienstort aufgrund einer von der Beklagten durchgeführten einseitigen Versetzung in Wien-Schwechat hatte, kann im Lichte des gesamten Vorbringens der Beklagten nur so verstanden werden, dass die Versetzung des Klägers nach Wien (in Folge ersetzter Zustimmung gemäß § 101 ArbVG) zwar wirksam war, aber eben nicht vertragskonform.
[9] 5.1. Auch die weiteren in der außerordentlichen Revision behaupteten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Selbst wenn man zugrundelegt, dass Flugbegleiter/innen nach ihrer Versetzung nach wie vor ihren vertraglich vereinbarten Dienstort in den Bundesländern haben, hat das Berufungsgericht die (im konkreten Einzelfall nicht zu beanstandende) Rechtsauffassung vertreten, dass es der Beklagten nicht zumutbar war, den Kläger als Piloten weiter zu beschäftigen, bestand doch für sie keine Möglichkeit mehr, den Kläger als Kapitän eines von ihr betriebenen Flugzeugtyps einzusetzen.
[10] 5.2. Die begehrten Feststellungen zur Kurzarbeitsunterstützung sind nicht relevant, weil der Kläger in seiner außerordentlichen Revision nicht ausreichend konkret aufzeigt, weshalb diesfalls eine Interessenabwägung zu seinen Gunsten vorzunehmen wäre.
[11] 5.3. Mit den Revisionsausführungen, wonach die Dienstplanung für die Beklagte nicht erschwert wäre, wenn sie die Homebases in den Bundesländern beibehalten hätte, entfernt sich der Kläger in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt. Nach diesem wäre die Dienstplanung sehr wohl erschwert, weil auch die Zeiten der An‑ und Abreise als Arbeitszeiten Berücksichtigung finden müssten und beim Kläger die erhöhte Gefahr der Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit bestünde. Sekundäre Feststellungsmängel können in diesem Zusammenhang daher nicht erfolgreich geltend gemacht werden (vgl RS0053317 [T1, T3]).
[12] 6. Die Revisionsausführungen zur Reduzierung der Arbeitszeit bzw Kosten für ein Klimaticket erster Klasse sowie die Geltendmachung damit im Zusammenhang stehender sekundärer Feststellungsmängel können nicht erfolgreich sein, weil die Vorinstanzen ihrer Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung ohnedies zugrunde gelegt haben, dass der Kläger in seinen wesentlichen Interessen beeinträchtigt ist. Nach der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Kündigung betriebsbedingt notwendig war, keineswegs unvertretbar. Die im gegenständlichen Fall vorzunehmende Interessenabwägung kann nicht zu seinen Gunsten ausgehen, weil ausschließlich jene von der Beklagten ausgeschriebenen Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden waren. Wie feststeht kam es zur Ausflottung der DASH8 und damit einhergehend zur Auflassung des gesamten Verwendungsbereichs „Regional“. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich der Arbeitgeber im Rahmen der Interessenabwägung nur die Prüfung gefallen lassen, ob die konkrete Kündigung durch die von ihm getroffenen Maßnahmen gerechtfertigt ist. Die Gerichte sind nicht dazu berufen, die Zweckmäßigkeit oder objektive Richtigkeit der vom Betriebsinhaber getroffenen Maßnahmen im Rahmen des Verfahrens über eine Kündigungsanfechtung zu überprüfen, weil es sich bei den festgestellten Rationalisierungsmaßnahmen um Fragen des wirtschaftlichen Ermessens handelt (RS0051649 [T9]). Das Berufungsgericht hat die dargestellten Rechtsgrundsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Seine vom konkreten Einzelfall geprägte Beurteilung, dass der Arbeitsplatz des Klägers am Dienstort Salzburg aus (objektivierten) betrieblichen Gründen weggefallen sei, er sich auf einen anderen möglichen und auch angebotenen Arbeitsplatz bewusst nicht entsprechend den Vorgaben der Ausschreibung beworben habe und daher mangels Beschäftigungsmöglichkeit die Interessenabwägung zugunsten der Beklagten ausfalle, ist nicht korrekturbedürftig (vgl 8 ObA 30/15t [Pkt 3.]; vgl RS0051785 [T9]).
[13] 7. Zuletzt moniert die Revision, dass im Rahmen eines durchzuführenden Sozialvergleichs ergänzende Feststellungen zu anderen namhaft gemachten Piloten zu treffen gewesen wären und sich daraus die Sozialwidrigkeit der Kündigung ergeben würde. Das Berufungsgericht hat dazu aber bereits schlüssig dargelegt, dass zufolge der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation, wonach es zur Ausflottung der DASH8 und zur Auflassung des gesamten Verwendungsbereichs „Regional“ kam und eine ordnungsgemäße Bewerbung auf angebotene Stellen mit Dienstort Wien durch den Kläger nicht erfolgte, ein Sozialvergleich mit am Dienstort Wien tätigen Piloten nicht in Betracht komme. Dieser Rechtsansicht hält die Revision nur pauschale Ausführungen entgegen. Eine Auseinandersetzung mit der Entscheidung 8 ObA 92/22w, in welcher im Zusammenhang mit der klägerischen Kündigung bereits ausgesprochen wurde, dass sich der Kläger nicht auf seine Seniorität gegenüber Piloten berufen könne, die in Wien beschäftigt und vom erforderlichen Personalabbau gar nicht betroffen seien, erfolgt im Rechtsmittel nicht. Die Ansicht des Berufungsgerichts steht auch im Einklang mit der zum Sozialvergleich ergangenen Rechtsprechung, wonach es nicht genügt, dass die vom Anfechtungswerber benannte Vergleichsperson im selben Betrieb beschäftigt ist. Sie muss gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG in derselben Tätigkeitssparte wie die gekündigte Person beschäftigt sein, weiter muss der Anfechtungswerber nicht nur willens sein, die Arbeit der Vergleichsperson zu leisten, sondern muss er dazu gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG fähig sein (9 ObA 69/09a). Die Revision zeigt nicht auf, dass diese Voraussetzung in Bezug auf die angesprochenen Vergleichspersonen erfüllt wären. Wie vom Berufungsgericht ausgeführt steht dem die Feststellung entgegen, dass der Kläger eine Versetzung mit Dienstort Wien ablehnte und geeignete (den Ausschreibungen entsprechende) Bewerbungen seinerseits auch nicht erfolgten, die seine Umschulung ermöglicht hätten.
[14] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.
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