European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00037.25V.0625.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Der echte Arbeitsvertrag unterscheidet sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung vom freien Dienstvertrag durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, das heißt die Unterworfenheit des Arbeitnehmers unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers (RS0021332; RS0021306). Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang verschiedene Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit erarbeitet, die aber nicht alle gemeinsam vorliegen müssen und in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen können. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (RS0021284 [T20]; RS0021306 [T10]).
[2] 1.2. Die für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit sprechenden Merkmale sind vor allem die Weisungsgebundenheit des zur Arbeitsleistung Verpflichteten, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenem Verhalten, die persönliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Arbeitgeber zukommt, die funktionelle Einbindung der Dienstleistung in ein betriebliches Weisungsgefüge einschließlich der Kontrollunterworfenheit und die Beistellung des Arbeitsgeräts durch den Dienstgeber (RS0021284). Davon unterscheidet sich der freie Dienstvertrag besonders durch die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu gestalten, also ohne Bindung an bestimmte Arbeitszeiten und jene Weisungen, die für den echten Arbeitsvertrag prägend sind, und die selbst gewählte Gestaltung jederzeit wieder zu ändern (RS0021518 [T28]).
[3] 1.3. Die vertretbare Anwendung dieser Grundsätze der Rechtsprechung auf den konkreten Einzelfall begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage.
[4] 2.1. Das Berufungsgericht berücksichtigte bei der Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als freie Dienstnehmerin der Beklagten insbesondere, dass die – bereits vor dem Vertragsabschluss mit der Beklagten als Unternehmerin tätige – Klägerin nur gattungsmäßig bestimmte Dienstleistungen zu erbringen hatte; dass sie nicht an einen bestimmten Arbeitsort oder eine bestimmte Arbeitszeit gebunden war; dass sie keine Büroräumlichkeiten bei der Beklagten hatte und auch sonst – abgesehen von Warenproben, Visitenkarten und Werbematerial für Kundentermine – eigene Betriebsmittel heranziehen musste; dass sie bei der Gestaltung ihrer Tätigkeitsfelder frei war; dass sie selbst entscheiden konnte, zu welchen Kunden sie Kontakt aufnimmt und wo die Treffen stattfinden; dass sie von der Beklagten vereinzelt sachliche Weisungen erhielt, die auch bei Werkverträgen und Dauerschuldverhältnissen ohne echten Arbeitsvertragscharakter vorkämen, aber keine persönlichen Weisungen; und dass sie weder dazu verpflichtet war, sich bei der Beklagten krank zu melden, noch dazu, mit der Beklagten Urlaubsvereinbarungen zu schließen oder ihr den Urlaub bekanntzugeben. Die wöchentliche Berichtspflicht der Klägerin und die nur hinsichtlich des „Außenauftritts“ erfolgte Eingliederung in den Betrieb der Beklagten – Verpflichtung zur Verwendung des E-Mail-Accounts der Beklagten; Anführung in einem Prospekt der Beklagten unter „Key Contacts“ – wertete das Berufungsgericht als nicht derart weitgehende Einbindung in die hierarchische betriebliche Ordnung, dass eine persönliche Abhängigkeit der Klägerin vorgelegen wäre. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen des eingeräumten Ermessensspielraums.
[5] 2.2. Die Klägerin will in der Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems – die das Berufungsgericht vorgenommen hat – einzelne Umstände stärker und andere weniger stark gewichten. Sie meint, unter ausreichender Würdigung dieser Umstände hätte das Berufungsgericht zum Ergebnis kommen müssen, dass ein echter Arbeitsvertrag vorgelegen sei, zumal bei Außendienstmitarbeiterinnen die typische Unterordnung in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten „nicht so auffällig zu Tage trete“. Dass die Beurteilung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall unvertretbar gewesen wäre, kann sie damit aber nicht aufzeigen – unabhängig von der (nicht abschließend geklärten) Frage, ob sich die Klägerin bei ihrer Tätigkeit vertreten lassen hätte dürfen.
[6] 2.3. Insbesondere entfernen sich die Annahmen der Klägerin – dass ihr die Beklagte „die wesentlichen Betriebsmittel“ zur Verfügung gestellt habe; dass sie einer regelmäßigen Arbeitsverpflichtung unterlegen sei; dass ihr die Beklagte konkret vorgegeben habe, was sie auf Messen und Veranstaltungen machen solle und wer ihr Vorgesetzter sei, der ihr Weisungen vor Ort erteile; und dass sie Events und Veranstaltungen generell vorab mit der Beklagten abzustimmen gehabt habe und von der Beklagten genehmigen lassen habe müssen – vom festgestellten Sachverhalt und begründen auch deshalb keine erhebliche Rechtsfrage.
[7] 3. Auch die in der Revision zitierten Entscheidungen sprechen nicht gegen die Vertretbarkeit der Beurteilung des Berufungsgerichts:
[8] 3.1. In 4 Ob 69/75 (= ÖJZ [EvBl] 1976/179, 354) entschied der Oberste Gerichtshof, dass der Vertrag des beklagten Sängers, der unter einem vom klagenden Verein bestellten künstlerischen Leiter nach dessen Plänen und Weisungen an der Erarbeitung einer aufführungsfähigen Gestaltung der vom künstlerischen Leiter bestimmten Werke und deren Aufführung mitzuwirken hatte, ein Arbeitsvertrag – und nicht wie vom Verein behauptet ein Werkvertrag – war. Die Abgrenzung zwischen echtem Arbeitsvertrag und freiem Dienstvertrag war kein Thema.
[9] 3.2. Die in 4 Ob 102/83 (= ZAS 1985/2, 18) beurteilte „Werbediensthostess“ war lediglich hinsichtlich der Einteilung der Arbeitszeit frei. In Bezug auf den Arbeitsort, die Vornahme ihrer Arbeit sowie deren Inhalt war sie weisungsgebunden und unterlag, wie die Berichtspflicht zeigte, der Kontrolle ihrer Vertragspartnerin. Darüber hinaus war sie zur Teilnahme an Schulungskursen verpflichtet. Die für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit sprechenden Merkmale waren somit insgesamt wesentlich stärker ausgeprägt als im vorliegenden Fall.
[10] 3.3. Die Tätigkeit jener Außendienstmitarbeiterin, die in 8 ObA 26/99b zu beurteilen war, war dadurch gekennzeichnet, dass sie in engen Grenzen dem Weisungs- und Kontrollrecht ihrer beklagten Vertragspartnerin unterlegen war: Sie hatte an jedem Werktag in einem bestimmten Zeitraum erreichbar zu sein und erhielt morgens Anweisungen durch Organe ihrer Vertragspartnerin über die durchzuführenden Tätigkeiten, die sie teilweise im Beisein des Geschäftsführers ihrer Vertragspartnerin auszuführen hatte. Die Vertragspartnerin gab der Außendienstmitarbeiterin Termine ebenso vor wie die Namen der Unternehmen, von denen Kostenvoranschläge einzuholen waren, und wertete diese gemeinsam mit der Außendienstmitarbeiterin aus. Die Vertragspartnerin stellte der Außendienstmitarbeiterin ein Mobiltelefon zur Verfügung und ersetzte ihr die Spesen für die Benützung des eigenen PKW. Sie stellte für sie Krankenscheine sowie eine Lohnbestätigung aus. Auch dort waren die für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit sprechenden Merkmale somit insgesamt deutlich stärker ausgeprägt als bei der Klägerin.
[11] 3.4. Die Entscheidung 9 ObA 40/16x schließlich betraf einen Rechtsberater im Asylverfahren. Der Oberste Gerichtshof beurteilte dessen Vertrag zum BMI als freien Dienstvertrag. Er betonte, dass sich der Rechtsberater frei und ohne jegliche Abstimmung mit dem beklagten Fonds entscheiden habe können, ob und gegebenenfalls in welchem Stundenausmaß sowie an welchen Arbeitstagen er als Rechtsberater tätig werden wolle; dass er mit dem Fonds im Fall des Urlaubs keine Urlaubsvereinbarung abschließen und diesem den (stets unbezahlten) Urlaub auch nicht bekannt geben habe müssen; dass er sich im Verhinderungsfall von einem anderen Rechtsberater vertreten lassen habe können; und dass er weisungs- und kontrollfrei sowie nicht der funktionellen Autorität des Fonds unterworfen gewesen sei. Auch daraus sind keine Argumente gegen die Vertretbarkeit des Berufungsurteils im vorliegenden Fall zu gewinnen.
[12] 4. Die außerordentliche Revision ist daher (ohne weitere Begründung, § 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG) zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)