OGH 9ObA34/25b

OGH9ObA34/25b17.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden,den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Lena Steiger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Maria Buhr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI (FH) T*, vertreten durch Hawel em.-Eypeltauer-Gigleitner-Huber & Partner Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A* AG, *, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 47.015,63 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. April 2025, GZ 10 Ra 2/25z‑35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00034.25B.0717.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist bei der beklagten Fluggesellschaft als Pilot beschäftigt. Seit 13. 9. 2021 wird er als Co-Pilot auf dem Flugzeugtyp Embraer E195 eingesetzt, zuvor war er Kapitän einer Dash‑8. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für das Bordpersonal der * AG (OS‑KV 2015) anwendbar.

[2] Der Kläger begehrt Gehaltsdifferenzen für den Zeitraum September 2021 bis März 2024 sowie Pensionskassen- und Mitarbeitervorsorgekassenbeiträge für diesen Zeitraum. Im Zuge der Ausflottung der Dash‑8‑Flugzeuge sei er gegen seinen Willen von einer R3‑Kapitänsposition auf eine M1‑Co‑Piloten‑Position für die Flugzeugtype Embraer E195 umgeschult worden. Unter Berücksichtigung der Gesamtseniorität beider Verwendungsbereiche hätte diese Umschulung (Downgrading) nicht erfolgen dürfen. Vielmehr hätte er auf eine M3-Kapitänsposition, etwa auf einen Airbus A320 oder einen Embraer E195, umgeschult werden müssen. Ihm stehe daher seit September 2021 eine M3‑Kapitänsposition mit entsprechendem Gehalt zu.

[3] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren zusammengefasst damit, dass sie bei den Umschulungen nach den im Kollektivvertrag genannten Senioritätslisten vorgegangen sei.

[4] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab.

Rechtliche Beurteilung

[5] In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Kläger angesichts der klaren Regelung des Kollektivvertrags (vgl RS0042656 [T15]) keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[6] 1. Der OS‑KV 2015 (auch KV‑Bord) etabliert in seinem Teil 5 unter dem Titel „Senioritätsreglement und Karrieremodell Piloten (SRKM‑P)“ ein Senioritätsprinzip für Besetzungen undkennt zwei Verwendungsbereiche, nämlich den Verwendungsbereich Mainline (M) und den Verwendungsbereich Regional (R) mit den dazugehörigen Senioritätslisten M1 und M2 für Co-Piloten, M3 und M4 für Kapitäne der Mainline sowie R1 und R2 für Co-Piloten und R3 und R4 für Kapitäne im Bereich Regional. Sämtliche Piloten sind entsprechend ihrem Senioritätsdatum in beiden Listen gereiht, in der Liste „M“ allerdings zuerst die OS‑Piloten (Altbelegschaft) und danach die VO‑Piloten (ehemalige Piloten der T* GmbH), in der Liste „R“ umgekehrt zuerst die VO‑Piloten und danach die OS‑Piloten. Zuletzt sind auf beiden Listen die nach 1. 7. 2012 eingetretenen (NEW-)Piloten gereiht (Pkte 64.1.1 und 64.1.2). Beiden Verwendungsbereichen sind unterschiedliche Flugzeugtypen für unterschiedliche Einsätze zugeordnet.

[7] Das SRKM‑P regelt Auf- und Abstieg – außer es bestehen Sonderregelungen (Pkt 62.4.3 iVm Pkt 2.1.2 des Zusatzprotokolls 2 zum OS‑KV 2015) – nur innerhalb der jeweiligen Verwendungsbereiche. Sind Stellen in einem Senioritätsrang des Verwendungsbereichs „Mainline“ zu besetzen, so sind zunächst jene Stellen auszuschreiben, die innerhalb dieses Senioritätsrangs durch Umschulungen besetzt werden sollen. Die Besetzung erfolgt aus dem Kreis der Bewerber nach aufsteigender Reihenfolge der Senioritätsnummern aus der Senioritätsliste „M“ (Pkt 65.9.1).

[8] Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, für die Ausschreibung und Besetzung von Co-Piloten und Kapitänspositionen normiere der Kollektivvertrag unter Berücksichtigung zweier getrennt zu führender Senioritätslisten ein umfangreiches Regelwerk, welches insbesondere auch den unfreiwilligen Abbau eines „Überbestandes“ an Kapitänen in einzelnen Senioritätsrängen sowie die Durchbrechung des Prinzips der verwendungsbereichsbezogenen Senioritätsliste ausdrücklich vorsehe, weshalb von einer Regelungslücke bzw Analogiefähigkeit der „Gesamtsenioritätsliste“ auch für die infolge der Ausflottung der Regionalflugzeuge erforderlichen Umschulungen und Ausschreibungen nicht auszugehen sei, ist nicht zu beanstanden (vgl 9 ObA 75/23d Rz 5). Den vom Kläger gewünschten Rückgriff auf die Senioritätsdaten aller Piloten sieht der Kollektivvertrag ausdrücklich und ausschließlich nur für die Reihenfolge auszusprechender objektiv betriebsbedingter Kündigungen vor (Pkt 68.2), nicht aber für Umschulungen von Piloten im aufrechten Dienstverhältnis. Der begehrten Feststellung, es habe bei der Beklagten mehr senioritätsjüngere M3‑Kapitäne als die 38 auf M1‑Co‑Piloten‑Positionen im Zusammenhang mit der Ausflottung der Dash‑8 downgegradeten Dash‑8 R3‑Piloten gegeben, zu denen der Kläger gezählt habe, bedarf es daher nicht. Im Übrigen besteht nach den Feststellungen der Regional-Bereich weiter, weil eine „Wiederaufflottung“ nicht ausgeschlossen ist.

[9] 2. Auch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Kläger könne sein Klagebegehren nicht erfolgreich aus dem von ihm behaupteten „Flottentausch“ (Übernahme der von Dash‑8‑Flugzeugen geflogenen Strecken ua auch durch das Flugzeug Airbus A320) im Zusammenhang mit der Entscheidung 8 ObA 67/16k ableiten, ist nicht korrekturbedürftig. Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich ein „Flottentausch“ stattgefunden hat, übersieht der Revisionswerber die für den Senat bindende Feststellung des Erstgerichts, dass er bei seinen Bewerbungen zu den für die Ausschreibungen relevanten Stichtagen aufgrund seines Senioritätsrangs in der Senioritätsliste „R“ nicht zum Zug gekommen wäre.

[10] 3. Grundsätzlich zutreffend ist, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 ObA 92/22w davon ausging, dass die betriebswirtschaftliche Entscheidung der Beklagten zur Schließung der Standorte in den Bundesländern und zur Ausflottung der Dash‑8‑Maschinen eine (Teil-)Betriebsstilllegung darstellte. Nach Punkt 69.2 OS‑KV 2015 ist auch bei Teil-Betriebsstilllegungen bei einem erforderlichen Personalabbau Punkt 68 anzuwenden. Punkt 68 bestimmt, dass objektiv betriebsbedingte Kündigungen – unter Würdigung sozialer Umstände – in aufsteigender Reihenfolge der Kündigungsnummern unabhängig von Senioritätsrang und Flugzeugtype erfolgen. Dem Argument des Revisionswerbers, auch wenn es im vorliegenden Fall nicht um einen Personalabbau gehe, sei den Wertungen dieser Bestimmung dadurch Rechnung zu tragen, dass die betroffenen R3-Kapitäne entsprechend der Gesamtseniorität auf M3-Kapitänspositionen umzuschulen gewesen wären, hat das Berufungsgericht entgegengehalten, dass der Kollektivvertrag die Gesamtseniorität nur in diesem speziellen Fall für die Kündigungsreihenfolge berücksichtigt wissen will. Diese Rechtsauffassung ist im Hinblick auf das oben dargestellte Regelwerk des (in sich geschlossenen) Kollektivvertrags, das Upgrading eines Piloten – von geregelten Ausnahmen abgesehen – ausschließlich im jeweiligen Verwendungsbereich und abhängig von der entsprechenden verwendungsbereichsbezogenen Senioritätsliste vorzunehmen, nicht korrekturbedürftig. Die Rechtsansicht des Revisionswerbers hätte schließlich auch einen Verstoß gegen Punkt 69.1 zur Folge, wonach (Teil‑)Betriebsübergänge und (Teil‑)Betriebsstilllegungen nicht zur Umgehung der senioritätsbasierten Regeln des SRKM‑P führen dürfen.

[11] 4. Da dem Kläger nach dem Gesagten kein kollektivvertraglicher Anspruch auf eine Beförderung auf eine M3-Kapitänsposition zustand, kommt es auf die begehrte Feststellung, zumindest zehn Co-Piloten seien in der Zeit von 2019 bis zum Ende der Ausflottung der Dash‑8 2021 auf M3‑Kapitänspositionen befördert worden, nicht mehr an.

[12] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte