OGH 9ObA30/25i

OGH9ObA30/25i27.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N*, vertreten durch Hintermeier Brandstätter Engelbrecht Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei H*, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Mag. Andrea Blum, Rechtsanwälte in Linz, wegen 23.420,88 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 14.004,90 EUR und Räumung) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. März 2025, GZ 7 Ra 20/25z‑72, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00030.25I.0527.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Soweit der Beklagte erstmals in der Revision die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts geltend macht, ist er darauf zu verweisen, dass eine Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß § 38 Abs 1 ASGG iVm § 104 Abs 1 JN heilt, wenn die qualifiziert (§ 40 Abs 1 ASGG) vertretene beklagte Partei in der Sache vorgebracht oder mündlich verhandelt hat, ohne die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben. Die behauptete Nichtigkeit liegt daher nicht vor.

[2] 2. Die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen kann vor dem Obersten Gerichtshof als reine Rechtsinstanz (RS0123663 [T2]) nicht mehr bekämpft werden (vgl RS0042903 [T5, T7, T10]). Die Feststellung, dass der Kläger Urkunden im Wissen um ihre Unrichtigkeit unterfertigte und dem Beklagten dies auch bekannt war, kann daher vor dem Obersten Gerichtshof auch nicht unter Hinweis auf § 914 ABGB angefochten werden.

[3] 3. Soweit der Beklagte damit argumentiert, dass das Mietverhältnis vor dem Dienstverhältnis begründet wurde, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, nach dem der Kläger dem Beklagten „im Rahmen des Dienstverhältnisses“ ein Zimmer zur Verfügung stellte.

[4] 4. Die Beurteilung einer Wohnung als Dienstwohnung iSd § 1 Abs 2 Z 2 MRG als mittelbare Werks-(Dienst-)Wohnung setzt zwei gesonderte Verträge voraus, von denen der Dienstvertrag im Vordergrund steht, der Anlass (Geschäftsgrundlage) des Bestandvertrags sein muss. Dabei muss der Vermieter nicht unbedingt der Arbeitgeber sein, sondern kann auch ein Dritter sein, sofern zwischen Arbeitgeber und Wohnungsgeber ein besonderes Rechtsverhältnis besteht, das jenem einen maßgeblichen Einfluss auf die Wohnungsvergabe sichert (RS0069651).

[5] Dass die Vorinstanzen diesen maßgeblichen Einfluss aufgrund der Personenidentität zwischen dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin und dem Vermieter bejahten, ist nicht zu beanstanden.

[6] 5. Richtig ist, dass die Umwandlung eines von den Bestimmungen des MRG ausgenommenen Benützungsverhältnisses an einer Dienstwohnung in einen nunmehr nach dem MRG geschützten Mietvertrag auch konkludent erfolgen kann (9 ObA 172/97b), davon ist das Berufungsgericht aber ohnehin ausgegangen.

[7] Ob ein bestimmtes Verhalten als konkludente Willenserklärung verstanden werden kann, richtet sich aber immer nach den Umständen des Einzelfalls und kann außer im Falle einer groben Fehlbeurteilung eine wesentliche Rechtsfrage nicht begründen.

[8] Eine solche liegt im konkreten Fall nicht vor. Allein dass die Wohnung nach Auflösung des Dienstverhältnisses dem ehemaligen Dienstnehmer jahrelang belassen wurde, lässt auf den Willen, den Charakter der Wohnung als Dienst-, Werks- oder Betriebswohnung aufzugeben und nunmehr ein Mietverhältnis mit allen seinen einschneidenden Folgewirkungen zu begründen, nicht schließen (vgl RS0014308). Eine Entgeltlichkeit (im konkreten Fall 130 EUR pro Monat) schließt das Vorliegen einer Dienstwohnung nicht aus.

[9] 6. Die Verpflichtung zur Bezahlung eines Benützungsentgelts in der Höhe eines angemessenen Bestandzinses für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung beruht auf § 1041 ABGB (vgl RS0019883 [T6, T7]). Der Benützer hat gemäß § 1041 ABGB ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt zu entrichten, wobei es in erster Linie nicht etwa auf die Nachteile des Anspruchsberechtigten, sondern auf den Nutzen des Benützers, insbesondere auf die von ihm durch die Benützung der fremden Sache ersparten Auslagen ankommt (RS0019850). Warum davon nicht auch die für ein Bestandobjekt im allgemeinen zu entrichtenden Betriebskosten umfasst sein sollten, führt die Revision durch den bloßen Hinweis auf § 1099 ABGB nicht aus.

[10] Die Vorinstanzen sind im Übrigen entgegen der Revision vom festgestellten Richtwertmietzins, nicht von einem angemessenen Mietzins ausgegangen.

[11] 7. Insgesamt gelingt es dem Beklagten nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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