OGH 9ObA19/25x

OGH9ObA19/25x29.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH in Amstetten, gegen die beklagte Partei T* GmbH, *, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in Linz, wegen 37.955,59 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2025, GZ 7 Ra 102/24g‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00019.25X.0429.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Bei der Auslegung von Verträgen iSd § 914 ABGB ist ausgehend vom Wortlaut der Vereinbarung die Absicht der Parteien zu erforschen. Lässt sich ein vom objektiven Erklärungswert abweichender Wille der Parteien nicht feststellen (RS0017915 [T28], RS0017834), ist der Vertrag unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs (vgl RS0017902) und der Übung des redlichen Verkehrs (vgl RS0017781) so auszulegen, wie er für einen redlichen und verständigen Empfänger zu verstehen war (vgl RS0113932).

[2] Steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RS0042776). Das ist auch hier nicht der Fall.

[3] 2. Auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten ist der Kollektivvertrag für Angestellte im Gewerbe und Handwerk und in der Dienstleistung (KV) anwendbar, nach dessen § 18 das kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt als erreicht gilt, wenn das Monatsbruttogehalt zuzüglich der jahresdurchschnittlichen Provision das Mindestgrundgehalt der entsprechenden Verwendungsgruppe erreicht.

[4] Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Vereinbarung im Dienstvertrag des Klägers, dass mit den über den Kollektivvertrag hinausgehenden (Provisions‑)Zahlungen sämtliche Mehrarbeitsstunden, Überstunden, Diäten, Reisezeiten und Rufbereitschaften abgegolten sind, kein Abbedingen der kollektivvertraglichen Regelung darstellt, ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, dass sich diese Bestimmung auf die Wirkung von Provisionszahlungen bezieht, soweit es sich dabei um über den KV hinausgehende Zahlungen handelt.

[5] Dass diese Formulierung so zu verstehen wäre, dass die Provision in jedem Fall zu den nach dem KV gebührenden Ansprüchen hinzutritt, wie die Revision meint, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch dem Regelungszweck der Vertragsbestimmung. Letztlich wird mit ihr nur klargestellt, dass die ausdrücklich genannten Leistungen wie etwa Überstunden nicht gesondert entlohnt werden, sofern sie in den (überkollektivvertraglichen) Provisionszahlungen Deckung finden. Darüber, ob durch Provisionszahlungen auch eine allfällige kollektivvertragliche Unterentlohnung abgegolten werden soll, enthält die Regelung keine Aussage, was im Hinblick auf § 18 KV auch nicht erforderlich ist.

[6] Gerade weil, worauf auch die Revision hinweist, der Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags das kollektivvertragliche Mindestentgelt bezogen hat, bestand für die Parteien auch kein Grund, eine kollektivvertragliche Unterentlohnung zu regeln, insbesondere auch keiner, von der entsprechenden Regelung des Kollektivvertrags abzugehen.

[7] 3. § 915 ABGB ist nur subsidiär, wenn der Inhalt einer unklaren und zweifelhaften Äußerung mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB nicht ermittelt werden kann, heranzuziehen (RS0017951). Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen.

[8] 4. Richtig ist, dass die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung und die des Klägers je nach Höhe des Grundgehalts, der Provision und der Mehrarbeits- und Überstunden zu unterschiedlichen Ansprüchen führen können. Die Auslegung hat aber nach den zuvor dargestellten Grundsätzen und nicht nach dem (von einer Partei als vorteilhaft erachteten) Ergebnis zu erfolgen.

[9] Dass ausgehend von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts der Kläger auch unter Zugrundelegung der von ihm geforderten Einstufung das kollektivvertraglich vorgesehene Mindestentgelt erhalten hat, wird in der Revision nicht bestritten. Der Kläger behauptet auch nicht konkret, dass durch die Anrechnung der Provisionen auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt andere Ansprüche etwa aus Überstunden oder Rufbereitschaften nicht ausreichend abgegolten worden wären.

[10] 5. Da damit der Kläger unter Berücksichtigung der Provisionszahlungen durchgehend überkollektivvertraglich entlohnt wurde, kommt es auf die Frage von Verfristung oder Verfall allfälliger Ansprüche und darauf, ob ein solcher Einwand wider Treu und Glauben verstößt, nicht an. Dies gilt ebenso für die Frage, ob und wann eine ausreichende Gehaltsabrechnung übermittelt wurde.

[11] 6. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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