OGH 9ObA10/25y

OGH9ObA10/25y19.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Mag. Gabriele Knizak LL.M., Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: 66.405,71 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2024, GZ 8 Ra 57/24x‑17, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 11. April 2024, GZ 9 Cga 6/24s‑11, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00010.25Y.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.720,58 EUR (darin 453,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger steht seit 2003 als Landesberufsschullehrer in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum beklagten Land.

[2] Mit an alle Direktionen der Landesberufsschulen in * gerichtetem Schreiben des Landesschulrats für * vom 24. 9. 2009 informierte der Landesschuldirektor im Auftrag des amtsführenden Präsidenten über das mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 neu eingeführte Zeitkontenmodell. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, dass für eine 100%ige Freistellung der regelmäßigen Lehrverpflichtung 720 Wochen‑Werteinheiten von der Gesamtgutschrift abzubuchen sind. Dass Letzteres für Berufsschullehrer nicht zur Anwendung gelangt, geht aus diesem Schreiben zwar nicht explizit hervor, es verweist allerdings ua auch auf § 61 Abs 4 GehG. Der Kläger entschied sich aufgrund dieser Informationen ab dem Schuljahr 2010/2011 dazu, das Modell zu nutzen.

[3] Über Antrag des Klägers vom 15. 12. 2022 um Verbrauch seiner gutgeschriebenen Unterrichtsstunden im Schuljahr 2023/2024 und zwar in Form einer teilweisen Freistellung vom Unterricht unter Weiterbezahlung der vollen Bezüge, gewährte ihm die Beklagte für die Zeit vom 1. 9. 2023 bis 31. 8. 2024 eine Freistellung von der regelmäßigen Lehrverpflichtung im Ausmaß von 51,1 %, was 420,528 Wochenstunden entspreche. Über Remonstration des Klägers, dass bei Zugrundelegung eines Basiswerts von 720 Wochen-Werteinheiten für die begehrte Freistellung nur 367,826 Wochen-Werteinheiten erforderlich seien, teilte ihm die Bildungsdirektion (erstmals) mit, dass die in § 61 Abs 16 GehG 1956 genannten 720 Wochen-Werteinheiten nur für Lehrpersonen gelten, auf die das Bundeslehrer‑LehrverpflichtungsG (BLVG) anzuwenden sei. Für Lehrpersonen an Berufsschulen seien hingegen die Wochen‑Werteinheiten gemäß § 61 Abs 4 GehG unter Anwendung des Faktors 0,875 auf Wochenstunden umzurechnen. Dem Kläger eine Freistellung auf Basis eines Werts von 720 Wochen-Werteinheiten zu gewähren, lehnte die Beklagte letztlich ab.

[4] Der Kläger begehrte, primär gestützt auf das Zeitkontenmodell des § 61 Abs 13 bis 19 GehG iVm § 61 Abs 2 und Abs 4 GehG die Feststellung, dass ihm die Beklagte die Freistellung seines gesamten Zeitkontos auf Basis von 720 Wochen‑Werteinheiten für eine 100%ige Freistellung für ein Schuljahr schulde, in eventu die Zahlung von 66.405,71 EUR sA aus dem Titel des Schadenersatzes (Erfüllungsinteresse), weil ihn die Beklagte unter Verletzung ihrer Fürsorgepflicht über die Rechtslage falsch informiert habe. Seien für ihn als Berufsschullehrer für eine 100%ige Freistellung nicht 720 Wochen‑Werteinheiten, sondern 822,86 Wochen‑Werteinheiten erforderlich, stütze er sein Klagehauptbegehren auf einen mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag. Das Schreiben vom 24. 9. 2009, auf dessen inhaltliche Richtigkeit er vertrauen habe dürfen, sei als Angebot der Beklagten anzusehen, das er mit seiner Entscheidung, das Zeitkontenmodell zu nutzen, angenommen habe.

[5] Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. § 52 Abs 20 LDG 1984 bestimme ausdrücklich, dass bei Anwendung der Bestimmungen über das Zeitkonto (§ 61 Abs 13 bis 19 GehG) auf Berufsschullehrer die gemäß § 61 Abs 4 GehG umgerechneten Wochen-Stunden‑Werteinheiten im Sinne des BLVG entsprächen. Ein Sondervertrag sei mit dem Kläger nicht abgeschlossen worden.

[6] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Nach der ausdrücklichen und speziellen Anordnung des § 52 Abs 20 LDG 1984 entsprächen bei der Anwendung der Bestimmungen über das Zeitkonto (§ 61 Abs 13 bis 19 GehG) auf Berufsschullehrer die gemäß § 61 Abs 4 GehG umgerechneten Wochenstunden‑Werteinheiten im Sinne des BLVG. Die Wochen‑Werteinheiten für eine 100%ige Freistellung eines Berufsschullehrers seien daher mit dem Faktor 0,875 umzurechnen (zu „valorisieren“). Ein von diesen zwingenden gesetzlichen Regelungen abweichender (Sonder‑)Vertrag sei von den Parteien nicht abgeschlossen worden. Das Berufungsgericht hat die Revision zur Auslegung des § 52 Abs 20 LDG 1984 zugelassen.

[7] Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die – von der Beklagten beantwortete – Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Zum einen trifft das Gesetz zur Anwendung der Bestimmungen über das Zeitkonto auf Berufsschullehrer eine klare, eindeutige Regelung (vgl RS0042656), zum anderen hängt die Frage, ob zwischen den Parteien ein (Sonder‑)Vertrag abgeschlossen wurde, von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

[8] Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[9] 1.1. Der Revisionswerber gesteht zu, dass § 61 Abs 4 GehG ausdrücklich hinsichtlich der (finanziellen) Vergütung von Berufsschullehrern und von anderen Lehrern erbrachten Mehrdienstleistungen differenziert. Er meint aber, dass das Gesetz nicht hinsichtlich der angesparten Mehrdienstleistungen unterscheidet. Dies trifft nicht zu.

[10] 1.2. Auf das Dienstverhältnis des Klägers findet – unstrittig – das Landesvertragslehrerpersonengesetz 1966 (LVG 1966) Anwendung. Dieses verweist ua auf das VBG 1948 (§ 26 Abs 1 lit a LVG 1966) und § 52 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 (LDG 1984) (§ 26 Abs 2 lit k LVG 1966). Mit der Bestimmung des § 52 Abs 20 LDG 1984, wonach bei Anwendung der Bestimmungen über das Zeitkonto (§ 61 Abs 13 bis 19 GehG) auf Berufsschullehrer die gemäß § 61 Abs 4 GehG umgerechneten Wochenstunden‑Werteinheiten im Sinne des BLVG entsprechen, hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass auch für die Berechnung (Anrechnung) der für die Freistellung von der Lehrverpflichtung erforderlichen Wochen‑Werteinheiten nicht die in § 61 Abs 16 Z 5 GehG genannten 720 Wochen-Werteinheiten, sondern die gemäß § 61 Abs 4 GehG umgerechneten Wochen-Werteinheiten (unstrittig 822,86) heranzuziehen („abzubuchen“) sind. Damit wird der Berufsschullehrer gegenüber anderen Lehrern nicht „doppelt schlechter bezahlt“, sondern das Äquivalent für die Freistellungsphase folgerichtig ebenso differenziert vergütet. Mit den damit übereinstimmenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichts zu § 52 Abs 20 LDG 1984 setzt sich die Revision nicht auseinander, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[11] 2.1. Nach ständiger Rechtsprechung können die Rechte und Pflichten von Vertragsbediensteten nur unter den im Gesetz vorgesehenen Rahmenbedingungen geändert werden (RS0050823 [T2]). Nur ein zwischen den Parteien abgeschlossener Sondervertrag im Sinne des § 26 Abs 1 lit a LVG 1966 iVm § 36 VBG 1948 könnte daher zur Berechtigung des Klage‑(haupt‑)begehrens führen. Ein Sondervertrag wurde hier nach den Feststellungen aber unzweifelhaft nicht abgeschlossen und wurde vom qualifiziert vertretenen Kläger im Verfahren erster Instanz trotz Erörterung nicht behauptet. Auf die weiteren Ausführungen des Revisionswerbers in diesem Zusammenhang ist daher nicht einzugehen.

[12] 2.3. Da die Beklagte in Entsprechung des Gesetzes die Ansprüche des Klägers erfüllt hat, steht dem Kläger der von ihm – eventualiter – geltend gemachte Schadenersatz in Form des Erfüllungsinteresses nicht zu.

[13] Da die Revision des Klägers damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist sie zurückzuweisen.

[14] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 4150 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979  [T16]).

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