OGH 9Ob55/25s

OGH9Ob55/25s27.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhmin der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. W *, vertreten durch Mag. Stefan Hutecek und Mag. Katja Pfeiffer, Rechtsanwälte in Herzogenburg, wegen 19.300 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 1.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2024, GZ 16 R 85/24y‑72, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 3. April 2024, GZ 1 Cg 11/21b‑65, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00055.25S.0527.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.599,90 EUR (darin 266,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der beklagte Arzt führte bei der Klägerin am 4. 12. 2018 eine kosmetische Nasenoperation (Rhinoplastik) durch. Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass die Operation lege artis erfolgte.

[2] Am 16. 10. 2018 und 19. 11. 2018 führte der Beklagte mit der Klägerin umfassende Informations‑ und Aufklärungsgespräche. Der Beklagte klärte die Klägerin aber nicht darüber auf, dass im Rahmen einer Rhinoplastik die passgenaue Modellierung von Knorpel‑ und Knochenstrukturen am Nasenrücken operationstechnisch nicht immer gewährleistet werden kann, weshalb die Möglichkeit besteht, dass trotz Abtragung des Nasenhöckers lege artis der Nasenscheidewandknorpel mit einem kleinen (konkret nur einen Millimeter messenden) Teil zu wenig abgetragen wird und dieser dann von innen auf die Haut des Nasenrückens drücken kann, wodurch Schmerzen, insbesondere beim Tragen einer Brille, verursacht werden und die Druckschmerzhaftigkeit nur durch das Abtragen des überlangen Knorpelteils im Rahmen einer Revisionsoperation beseitigt werden kann. Hätte der Beklagte die Klägerin über dieses konkrete Risiko aufgeklärt, hätte die Klägerin dennoch die Operation vorgenommen.

[3] Die Klägerin begehrte vom Beklagten, ua gestützt auf die Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht, 19.300 EUR an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftige Folgen.

[4] Der Beklagte bestritt eine mangelnde Aufklärung der Klägerin und beantragte Klagsabweisung.

[5] Das Erstgerichtwies das Klagebegehren ab. Der Beklagte habe die Klägerin zwar nicht über jenes Risiko aufgeklärt, das sich bei ihr letztlich verwirklichte. Da sich die Klägerin der Operation aber auch bei ausreichender Aufklärung unterzogen hätte, sei die Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten nicht kausal für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden (rechtmäßiges Alternativverhalten).

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. § 5 Abs 1 ÄsthOpG normiere eine umfassende Aufklärungspflicht des Arztes. Abgesehen davon, dass die Klägerin in ihrem Rechtsmittel kein weiteres konkretes Risiko nenne, über das sie vom Beklagten nicht aufgeklärt worden sei, komme eine Haftung des Beklagten für die fehlende Aufklärung über Risiken und mögliche Komplikationen, die letztlich nicht eingetreten seien, schon mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs nicht in Frage.

[7] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht aufgrund eines Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO der Klägerin nachträglich zugelassen, weil sich der Oberste Gerichtshof bislang nicht mit der Frage befasst habe, ob die Judikatur, wonach der Arzt auch im Fall der Annahme einer Aufklärungspflichtverletzung nur für die Verwirklichung des Risikos hafte, auf welches er hätte hinweisen müssen, auch im Bereich der verschärften Aufklärungspflichten nach dem ÄsthOpG noch Bestand habe.

[8] In ihrerRevision beantragte die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Der Beklagte beantragte in seinerRevisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision der Klägerin ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig; sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die hier maßgebliche Rechtsfrage ist durch den Obersten Gerichtshof bereits geklärt. Davon ist das Berufungsgericht auch nicht abgewichen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[11] 1. Es ist ständige Rechtsprechung, dass sich die Haftung des Arztes bei einer Aufklärungspflichtverletzung auf die Verwirklichung jenes Risikos beschränkt, auf das er hinweisen hätte müssen (RS0026783 [T9]). Richtig ist, dass im Fall einer – mangels ausreichender Aufklärung nach § 5 ÄsthOpG – eigenmächtigen Behandlung der Arzt nicht nur für die Risiken haftet, über die er aufzuklären gehabt hätte und für die er eine Aufklärung unterließ, sondern für alle nachteiligen Folgen (9 Ob 47/23m Rz 47 mit Hinweis auf 4 Ob 172/22f Rz 23 und RS0026783).

[12] 2. Bereits in der Entscheidung 9 Ob 47/23m (zust Gerhard W. Huber/Jakob Dietrich, Rechtmäßiges Alternativverhalten bei ÄsthOpG‑Aufklärungsmängeln, RdM 2024/53, 271 [272]) hat der Oberste Gerichtshof ausführlich begründet, dass auch bei mangelnder Aufklärung nach § 5 Abs 1 ÄsthOpG, die dazu führt, dass eine ästhetische Operation als rechtswidriger Eingriff in die körperliche Integrität zu beurteilen ist, der behandelnde Arzt den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erheben kann. Dem Arzt steht daher auch im Anwendungsbereich des ÄsthOpG grundsätzlich der Beweis offen, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zu der ärztlichen Maßnahme erteilt hätte.

[13] 3. Gründe für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung zeigt die Revision der Klägerin nicht auf. Aus der mehrfach in der Revision zitierten Entscheidung 4 Ob 172/22f ergibt sich für den Standpunkt der Klägerin nichts Gegenteiliges (vgl Rz 18). Die von der Revisionswerberin vermissten Feststellungen über die konkreten mit dem Eingriff verbundenen Unannehmlichkeiten, mögliche Folgen, mögliche Spätfolgen, bekannte Gefahren des Eingriffs und das in Aussicht gestellte Ergebnis des Eingriffs sowie mögliche Abweichungen davon und Feststellungen darüber, dass der Beklagte die Klägerin mündlich und schriftlich und in einer für medizinische Laien verständlichen Sprache aufgeklärt habe, sind für die rechtliche Beurteilung nicht relevant (vgl Pkt 1.). Die Rechtsansicht des Erstgerichts, eine Haftung des Beklagten für die unterbliebene Aufklärung über jenes Risiko, welches sich bei ihr verwirklicht habe, scheitere schon an der fehlenden Kausalität, weil sie die Operation auch hätte durchführen lassen, wäre sie vom Beklagten über dieses Risiko aufgeklärt worden, hat die Klägerin – worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist – schon in der Berufung nicht mehr bekämpft.

[14] Die Revision der Klägerin ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagtehat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

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