European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00038.25S.0429.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.211,72 EUR (darin 193,47 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erwarb am 28. 5. 2013 von einem Fahrzeughändler das am 8. 8. 2013 erstmals zugelassene Neufahrzeug Mercedes GLK 220 CDI 4-matic um einen Kaufpreis von 42.547 EUR. Im Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs OM 651 verbaut, der – im Revisionsverfahren unstrittig – mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art 5 VO 715/2007/EG ausgestattet ist. Das Fahrzeug befindet sich nach wie vor im Besitz des Klägers und wies zum Schluss der Verhandlung erster Instanz am 31. 5. 2024 einen Kilometerstand von rund 160.000 auf. Ein Nachgeben der Gebrauchtwagenpreise der vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge am österreichischen Gebrauchtwagenmarkt konnte nicht festgestellt werden.
[2] Der Kläger begehrte von der Beklagten, gestützt auf § 874 ABGB iVm §§ 146 ff StGB und Schutzgesetzverletzung nach § 1311 ABGB Schadenersatz in Höhe von – nach § 273 Abs 1 ZPO geschätzten – 25 % des Neupreises samt 4 % Zinsen seit 7. 8. 2013 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden künftigen Schaden, der ihm aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag entstehen werde. Die Beschaffenheit der Abschalteinrichtung sei auch nach dem Software-Update dazu geeignet, weitergehende Schäden, wie zB einen erhöhten Kraftstoffverbrauch, Leistungseinbrüche im oberen und unteren Drehzahlbereich oder ein deutlich spürbares Ruckeln des Motors zu verursachen.
[3] Die Beklagte bestritt – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – den Eintritt eines Schadens, den Beginn des Zinsenlaufs und die Berechtigung des Feststellungsbegehrens.
[4] Das Erstgerichtgabdem Leistungsbegehrenmit 2.127,35 EUR (5 % des Kaufpreises) samt 4 % Zinsen seit 7. 8. 2013 statt. Das Leistungsmehrbegehren und das Feststellungsbegehren wies es ab. Der nach der Rechtsprechung innerhalb einer Bandbreite von 5 % bis 15 % nach § 273 ZPO objektiv-abstrakt auszumittelnde Schadenersatzbetrag sei hier mit 5 % des Neupreises festzusetzen, zumal das Fahrzeug am Gebrauchtwagenmarkt keinen Wertverlust erlitten habe. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten habe der Kläger nicht, weil er sich zum einen dazu entschlossen habe, das Fahrzeug zu behalten, womit er das Risiko allfälliger künftiger Schäden bewusst in Kauf nehme. Zum anderen sei das theoretische Risiko eines Entzugs der Zulassung bereits in die Bemessung des Schadenersatzes eingeflossen.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. In teilweiser Stattgebung der Berufung der Beklagten wies es das Zinsenmehrbegehren für den Zeitraum 7. 8. 2013 bis 12. 4. 2013 ab. Soweit der Kläger in seiner Berufung die Höhe des zugesprochenen Schadenersatzes bekämpfe, sei die Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt und selbst bei gesetzmäßiger Ausführung im Übrigen auch nicht zielführend. Das Feststellungsbegehren sei aus den vom Erstgericht genannten Gründen nicht berechtigt. Soweit die Berufung darauf abstelle, der Kläger könne möglicherweise von einem künftigen Käufer des Fahrzeugs im Fall des Zulassungsentzugs in Anspruch genommen werden, stehe ihr das Neuerungsverbot des § 482 Abs 1 ZPO entgegen. Auf nachteilige technische Folgen durch das Software-Update komme der Kläger in der Berufung nicht zurück, sodass diesbezüglich ein abgeschlossener Streitpunkt vorliege. Zinsen aus dem zugesprochenen Schadenersatzbetrag stünden dem Kläger nicht schon ab Zahlung des Kaufpreises, sondern – mangels vorheriger Fälligstellung – erst ab dem Tag nach der Klagszustellung zu.
[6] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht aufgrund eines Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO des Klägers nachträglich zugelassen, weil die Entscheidung über das Feststellungsbegehren möglicherweise in Widerspruch zur Entscheidung 9 Ob 18/24y stehe. Den in diesem Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO enthaltenen Antrag auf Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens wies es zurück.
[7] In seiner gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision des Klägers ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig; sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
1. Schadenersatz:
[10] 1.1. Hat das Berufungsgericht – wie hier im Zusammenhang mit dem Leistungsbegehren – den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtet, muss dies in der Revision als Mangelhaftigkeit bekämpft werden; ansonsten ist dem Obersten Gerichtshof die sachrechtliche Überprüfung verwehrt (RS0043231). Daran ändert es nichts, wenn – wie hier – das Berufungsgericht trotz seiner Auffassung, es liege keine (gesetzmäßig ausgeführte) Rechtsrüge vor, darlegte, aus welchen Gründen die „bloßen Gegenbehauptungen“ des Berufungswerbers „im Übrigen“ nicht zielführend wären (RS0043231 [T2, vgl auch T5, T8]).
[11] 1.2. Der Revisionswerber hat dem Berufungsgericht seine Beurteilung nicht als Mangel vorgeworfen, sodass es nach der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Rechtsrüge der Revision zur Höhe des Schadenersatzes nicht überprüfen darf.
2. Zinsen:
[12] Nach der gefestigten Rechtsprechung wird (auch) ein Schadenersatzanspruch wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach Art 5 VO 715/2007/EG erst mit der zahlenmäßig bestimmten Geltendmachung durch den Zugang einer Mahnung, Klage oder Klageerweiterung fällig, sodass Verzugszinsen erst ab diesem Zeitpunkt mit Erfolg gefordert werden können (10 Ob 2/23a Rz 44 vom 25. 4. 2023; 4 Ob 90/24z Rz 20 f mwN; 6 Ob 5/25s Rz 12 f; 4 Ob 66/24w Rz 43). Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung beachtet und dem Kläger Verzugszinsen erst ab dem auf die Klagszustellung folgenden Tag zuerkannt. Auch der Effektivitätsgrundsatz gebietet es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht, den Beginn des Zinsenlaufs in jedem Fall mit Vertragsschluss festzusetzen (4 Ob 90/24z Rz 20 f mwN; 6 Ob 5/25s Rz 12 f; vgl 10 Ob 59/24k Rz 23). Gegenteiliges ist auch den Entscheidungen des EuGH, C‑271/91 , M. H. Marshall und C‑295–298/04, Manfredi ua, nicht zu entnehmen (4 Ob 38/24b Rz 17; 4 Ob 66/24w Rz 43).
3. Feststellungsbegehren:
[13] 3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können dann, wenn in der Berufung die Rechtsrüge nur in bestimmten Punkten ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0043352 [T17, T27, T33]; RS0043338 [T11, T13]).
[14] 3.2. Im erstinstanzlichen Verfahren begründete der Kläger sein Feststellungsbegehren mit dem nicht auszuschließenden Eintritt von Schäden am Fahrzeug aufgrund der vorhandenen Abschalteinrichtung und Abhilfemaßnahmen. Darauf kam der Kläger in seiner Berufung – wie bereits das Berufungsgericht (vom Kläger in der Revision nicht bestritten) ausgeführt hat – nicht mehr zurück. Vielmehr referierte er die Entscheidung 9 Ob 18/24y und verwies lediglich darauf, dass ihm im Falle eines Verkaufs des Fahrzeugs Gewährleistungsansprüche des Käufers drohten. In seiner Revision bezieht sich der Kläger wiederum ausschließlich auf das Risiko von Schäden und Nachteilen in Bezug auf die technischen Eigenschaften des Motors aufgrund des Software-Updates. Da dieser Aspekt aber in der Rechtsrüge der Berufung nicht aufgegriffen worden war, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, im Revisionsverfahren darauf einzugehen.
[15] Die Revision des Klägers ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
[16] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).
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