OGH 9Ob28/25w

OGH9Ob28/25w19.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner‑Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei S* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Marschall & Heinz Rechtsanwalts‑Kommanditpartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH, *, wegen 16.853,92 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2025, GZ 2 R 170/24w‑31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00028.25W.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Gemäß § 9 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten; diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Rechtsanwalt eine Reihe von Pflichten, wie unter anderem Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung seiner Kardinalspflicht, nämlich der Pflicht zur Interessenwahrung und zur Rechtsbetreuung seines Mandanten, sind (RS0112203).

[2] 2. Welche konkreten Pflichten aus den von der Rechtsprechung allgemein entwickelten Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich immer nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Einzelfalls (RS0112203 [T10]). Auch die Beurteilung, ob ein Rechtsanwalt die im konkreten Fall nach § 1299 ABGB gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0026584 [T21]).

[3] 3. Die Klägerin gründet die behauptete Schadenersatzhaftung der beklagten Rechtsanwaltsgesellschaft auf eine Verletzung des Mandatsvertrags und die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Die über-einstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen, die eine Schadenersatzpflicht der Beklagten verneinten, sind nach den konkreten Umständen des Falls nicht zu beanstanden.

[4] 4. Nach den Feststellungen erhielt die Beklagte den Auftrag, den bestehenden Kapitalmarktprospekt für Deutschland an die rechtlichen Gegebenheiten in Österreich anzupassen und die Beitrittserklärung für österreichische Anleger zu adaptieren. Mit Fragen des Vertriebs des klagsgegenständlichen Fonds war sie aber nicht betraut. Die von der Klägerin angestrebte Auslegung des Mandatsvertrags dahin, dass dieser auch eine Verpflichtung der Beklagten beinhalte, die Mandantin auf die Notwendigkeit der Übermittlung einer Anlegerbestätigung bei sonstiger Rücktrittsmöglichkeit gemäß § 5 Abs 2 iVm § 14 Z 3 KMG aF hinzuweisen, hat das Berufungsgericht im konkreten Einzelfall (vgl RS0112106) vertretbar verneint. Eine vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die außerordentliche Revision der Klägerin nicht auf. Der Verweis auf vergleichbare Immobilienfonds und andere beauftragte Rechtsanwaltskanzleien weist keine Bezugnahme auf den konkreten Fall auf. Im Übrigen stellte das Erstgericht fest, dass die Beklagte in einer Besprechung auch § 14 Z 3 KMG aF angesprochen hat. Dem Argument des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nicht ausgeführt, inwieweit damit der von ihr geforderten Beratung nicht Genüge getan worden sei, tritt die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision nicht entgegen.

[5] 5. Im Revisionsverfahren können mit der Rechtsrüge (§ 503 Z 4 ZPO) tatsächliche Feststellungen (nur insoweit) angefochten werden, als sie auf Schlussfolgerungen beruhen, die mit den Gesetzen der Logik und der Erfahrung unvereinbar sind (RS0043356). Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn der Schluss des Richters logisch unmöglich ist (RS0043356 [T3]). Solche Fehler des Berufungsgerichts – das zutreffend darauf verwiesen hat, dass § 503 Z 4 ZPO im Berufungsverfahren nicht anwendbar ist – vermag die Klägerin mit der Behauptung, wenn der Auftrag an die Beklagte darin bestand, den bestehenden Kapitalmarktprospekt für Deutschland an die rechtlichen Gegebenheiten in Österreich anzupassen, hätte die Beklagte bei der Beratung die Revisionswerberin „logischerweise“ darauf hinweisen müssen, dass das Fehlen einer Anlegerbestätigung gemäß § 5 Abs 2 KMG aF iVm § 14 Z 3 KMG aF den Anleger zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, nicht aufzuzeigen.

[6] 6. Die gerügte Aktenwidrigkeit wurde vom Senat geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[7] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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