European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00113.24V.0527.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird insoweit bestätigt, dass es als Teilurteil lautet:
„Das Klagebegehren, der zwischen den Parteien am 11. Mai 2020 zur Kundennummer 9* abgeschlossene Abstattungskreditvertrag wird rückwirkend dahingehend angepasst, dass diesem ab dem 1. Jänner 2023 für die folgenden 20 Jahre, sohin bis zum 31. Dezember 2042, eine fixe Verzinsung in Höhe von 2,3 % zugrunde liegt, wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten“.
Im Übrigen, also hinsichtlich des Leistungsbegehrens von 1.353,38 EUR sA werden die Urteileder Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger schloss beim beklagten Kreditinstitut am 11. 5. 2020 einen Abstattungskreditvertrag ab, der mit einer Höchstbetragshypothek auf den Liegenschaftsanteilen des Klägers besichert wurde. Es wurde ein variabler Sollzinssatz vereinbart.
[2] Am 15. 9. 2022 ersuchte der Kläger die Beklagte schriftlich um Übermittlung von Angeboten für einen Wechsel von der variablen Verzinsung zu einer Fixverzinsung, jeweils auf 5, 10, 15 und 20 Jahre. Nach seiner Urgenz am 6. 10. 2022 teilte eine Mitarbeiterin der Beklagten dem Kläger über eine weitere Nachfrage am 10. 11. 2022 mit: „Bezüglich der Fixzinsberechnung melden wir uns so bald wie möglich bei Ihnen“.
[3] Am 6. 7. 2023 unterbreitete die Beklagte dem Kläger ein „Finanzierungsangebot“ für einen Wechsel vom vereinbarten variablen auf einen fixen Zinssatz.Der Kläger lehnte dieses Angebot ab.
[4] Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger – gestützt auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere jedoch auf § 8 iVm § 7 HIKrG und seine Eigenschaft als Verbraucher sowie culpa in contrahendo – die rückwirkende Anpassung seines Kreditvertrags auf eine Fixverzinsung wie im Spruch ersichtlich sowie Schadenersatz von 1.353,38 EUR sA. Zur Anspruchsgrundlage nach dem HIKrG brachte der Kläger vor, dass ihm die Beklagte unverzüglich, nachdem er am 15. 9. 2022 die erforderlichen Angaben zu seinen Bedürfnissen, seiner finanziellen Situation und seinen Präferenzen gemacht habe, die auf ihn zugeschnittenen Informationen über eine Fixverzinsung erteilen hätte müssen, um eine fundierte Entscheidung über den Abschluss eines Kreditvertrags zu treffen. Die Beklagte hätte ihm auf sein erstes Ersuchen um Erstellung von Angeboten für eine Fixverzinsung unverzüglich entweder entsprechende Angebote übermitteln oder ihm zumindest mitteilen müssen, dass sie keine Änderung auf eine Fixverzinsung vornehmen werde. Dies habe die Beklagte unterlassen, weil sie ihm erst am 6. 7. 2023 ein Angebot für einen Wechsel auf eine Fixverzinsung unterbreitet habe. Bei pflichtgemäßem Handeln hätte ihm die Beklagte im September 2022 marktübliche Fixzinsangebote (1,85 % für 5 Jahre, 2,0 % für 10 Jahre, 2,15 % für 15 Jahre und 2,3 % für 20 Jahre) unterbreiten müssen. Die im verspäteten Angebot vom 6. 7. 2023 enthaltenen Konditionen für einen Wechsel auf eine Fixverzinsung seien mit jenen vom September 2022 nicht mehr vergleichbar. In Anbetracht der sich ab Sommer 2022 abzeichnenden enormen Leitzinserhöhung hätte er zumindest das Angebot für die Laufzeit von 20 Jahren zu einem Fixzins von 2,3 % angenommen. Die dann von ihm zu zahlenden Kreditraten hätten ab 1. 1. 2023 450 EUR monatlich betragen. Für die Differenz zu den von ihm tatsächlich geleisteten Kreditraten (1.353,38 EUR für die Monate Jänner 2023 bis Jänner 2024) hafte ihm die Beklagte nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen. Hätte ihm die Beklagte in Entsprechung ihrer rechtlichen Mindestverpflichtungen zumindest mitgeteilt, dass ihr die Unterbreitung von Fixzinsangeboten nicht möglich wäre, hätte er seinen bestehenden Kreditvertrag mit variablem Zinssatz auf einen Kreditvertrag mit Fixverzinsung (2,3 % auf 20 Jahre) bei einem anderen Kreditinstitut umgeschuldet.
[5] Die Beklagte bestritt die Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Insbesondere wandte sie ein, dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, dem Kläger ein Angebot für einen Umstieg auf einen Fixzins zu unterbreiten oder ihm mitzuteilen, dass ein derartiges Angebot nicht unterbreitet werde. Schon gar nicht sei sie verpflichtet, mit dem Kläger zu kontrahieren. Die Anfrage des Klägers habe sich auf einen Wechsel der bestehenden Finanzierung zu einer anderen Art der Finanzierung bezogen. Damit gehe einher, dass der bestehende Kreditvertrag beendet und ein neuer abgeschlossen werde. Die Bestimmung des § 8 HIKrG sei auf bloße Anfragen des Kunden von vornherein nicht anzuwenden. Die Regelung diene der Ermöglichung des Vergleichs verschiedener Kreditangebote, begründe aber keine Pflicht zur Angebotserstellung. § 8 HIKrG regle lediglich den Umfang und den Inhalt der für den Fall der Angebotserstellung zu erteilenden Informationen. Dazu sei sie auch schon deshalb nicht verpflichtet gewesen, weil der Kläger die nach § 9 Abs 2 HIKrG erforderlichen Angaben zu seinen Bedürfnissen, seiner finanziellen Situation und Präferenzen im Rahmen seiner Anfrage nicht gemacht habe. Im Übrigen sei der dem Kläger im Juli 2023 für eine Laufzeit von 20 Jahren angebotene Fixzinssatz nur um 0,35 % höher gelegen als der marktübliche Fixzinssatz im September 2022. Zudem habe der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, weil er es verabsäumt habe, bereits im Herbst 2022 einen entsprechenden Kreditvertrag mit Fixverzinsung bei einem anderen Kreditinstitut abzuschließen.
[6] Das Erstgerichtwies die Klagebegehren ab. Dem Schadenersatzbegehren des Klägers fehle die materiellrechtliche Grundlage. Das Verlangen des Klägers zur unverzüglichen Unterbreitung eines „Umstiegsangebots“ zu einem Fixzinssatz von 2,3 % auf eine Laufzeit von 20 Jahren widerspreche der Privatautonomie. Die Schutzbestimmungen des HlKrG regelten den Umfang und Inhalt der für den Fall der Angebotsstellung zu erteilenden Informationen und sollten dem präsumtiven Kreditnehmer den Vergleich verschiedener Kreditangebote ermöglichen. Eine analoge Anwendung auf den vorliegenden Fall komme nicht in Betracht. Für eine Haftung aus culpa in contrahendo fehle es an einem durch die Beklagte geschaffenen Vertrauenstatbestand.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Bestimmungen des HIKrG – so die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts bei Behandlung der Mängelrüge – seien nur dann anzuwenden, wenn die Beklagte tatsächlich ein Angebot gelegt hätte. Eine Aufforderung ein Angebot zu stellen, führe bis zur Stellung eines solchen nicht zur Anwendung der Sorgfaltspflichten des § 8 HIKrG. Erst bei Angebotsstellung seien die Informationspflichten unverzüglich wahrzunehmen. Soweit sich der Kläger auf Rechtswirkungen aus dem Vertrauensverhältnis desbestehenden Kreditvertrags mit variabler Verzinsung stütze und der Ansicht sei, Vorteile im Zusammenhang mit der Vertragserfüllung der Hauptleistungspflicht dürften im nebenvertraglichen Bereich nicht geschmälert werden, sei ihm entgegenzuhalten, dass es hier nicht um eine Nebenpflichterfüllung im bestehenden Kreditvertrag gehe. Der Kläger strebe mit seiner Klage vielmehr einen weiteren Vertrag an, weil er die gültig und bindend vereinbarte Hauptleistungspflicht des bestehenden Vertrags nicht mehr erfüllen möchte. Die Leistung des Zinsentgelts im Darlehensvertrag sei eine Hauptleistungspflicht. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Hauptleistungspflicht zu ändern, bestehe aber wegen der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit nicht. Auch ein Fall eines Kontrahierungszwangs liege nicht vor. Der Kläger hätte jederzeit seinen Kreditsaldo bei einem anderen Kreditinstitut neu „eindecken“ können. Die Beklagte habe (ohne zeitliche Verpflichtung) letztlich dem Kläger auch ein Angebot erstellt.
[8] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
[9] In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionstrebtder Kläger die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Klagsstattgabe an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Die Beklagte beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestelltenRevisionsbeantwortung, die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die Revision des Klägers ist zulässig, weil die Beurteilung des Schadenersatzanspruchs des Klägers im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 8 HIKrG einer Korrektur bedarf; sie ist aus diesem Grund auch teilweise im Sinne einer Aufhebung berechtigt.
[12] 1.1. Das Hypothekar‑ und Immobilienkreditgesetz (BGBl I 2015/135; HIKrG) bezieht sich auf alle hypothekarisch besicherten Kreditverträge und alle Kreditverträge, die dem Erwerb einer Liegenschaft dienen. § 2 Abs 1 HIKrG definiert den Kreditgeber als einen Unternehmer im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 KSchG, der einen Kredit gewährt oder zu gewähren verspricht oder eine sonstige Kreditierung einräumt. Kreditnehmer ist gemäß § 2 Abs 2 HIKrG ein Verbraucher im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 und Abs 3 KSchG, der einen Kredit oder eine sonstige Kreditierung in Anspruch nimmt. Gemäß § 31 Abs 2 HIKrG sind die Bestimmungen des HIKrG auf jene Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 20. 3. 2016 geschlossen bzw gewährt werden.
[13] 1.2. Die Beklagte hat die vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren behauptete Verbrauchereigenschaft nicht bestritten. Die unterbliebene Bestreitung durch die Beklagte war als Zugeständnis zu werten (vgl RS0039927). Der Anwendungsbereich des HIKrG und damit der 2. Abschnitt dieses Gesetzes (§§ 5 bis 25 HIKrG) auf die vorliegende Rechtsbeziehung zwischen den Parteien sind damit eröffnet.
[14] 2. Nach § 7 HIKrG haben Kreditgeber und gegebenenfalls gebundene Kreditvermittler jederzeit klare und verständliche allgemeine Informationen über Kreditverträge auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger oder in elektronischer Form bereitzustellen. Diese allgemeinen Informationen haben zumindest die in Z 1 bis 14 genannten Inhalte zu umfassen. § 7 HIKrG ergänzt § 6 HIKrG (Fleißner/Tamerl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 7 HIKrG Rz 3). Die Informationspflicht des § 7 HIKrG beruht auf Art 13 der Richtlinie 2014/17/EU des europäischen Parlaments und Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr 1093/2010 (idF: WIKrRL). Nach dem 39. Erwägungsgrund der WIKrRL sollen diese Informationen dem Verbraucher, dem aus der Werbung möglicherweise nur ein Kreditprodukt bekannt ist, eine umfassende Kenntnis der gesamten Palette angebotener Kreditprodukte verschaffen, damit er seine Entscheidung danach ausrichten kann. Die Informationspflicht des § 7 HIKrG richtet sich an potentielle Kreditnehmer und besteht dementsprechend schon vor der Aufnahme konkreter Vertragsverhandlungen (2 Ob 45/25v Rz 17 mwN).
[15] 3.1. Gemäß § 8 Abs 1 HIKrG hat der Kreditgeber dem Verbraucher auf ihn zugeschnittene Informationen zu erteilen, die der Verbraucher benötigt, um die auf dem Markt verfügbaren Kreditprodukte zu vergleichen, ihre jeweiligen Auswirkungen zu prüfen und eine fundierte Entscheidung über den Abschluss eines Kreditvertrags zu treffen. Diese Informationen sind auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger mittels des ESIS‑Merkblatts in Anhang II zu erteilen, und zwar 1. unverzüglich nachdem der Verbraucher die erforderlichen Angaben zu seinen Bedürfnissen, seiner finanziellen Situation und seinen Präferenzen gemäß § 9 Abs 2 gemacht hat, und 2. rechtzeitig, bevor der Verbraucher durch einen Kreditvertrag oder ein Angebot gebunden ist.
[16] 3.2. § 8 HIKrG setzt insbesondere Art 14 WIKrRL um. Art 14 WIKrRL legt „Vorvertragliche Informationen“ fest. § 8 Abs 1 und 2 HIKrG halten sich dabei eng an Art 14 Abs 1 und 2 WIKrRL. Übereinstimmend damit halten die Erwägungsgründe der WIKrRL fest, dass Verbraucher rechtzeitig vor Abschluss des Kreditvertrags weitere individuell zugeschnittene Informationen erhalten sollen, damit sie die Merkmale von Kreditprodukten vergleichen und abwägen können (ErwGr 40). Der Verbraucher sollte das ESIS‑Merkblatt mit den einschlägigen Informationen unverzüglich erhalten, nachdem er die erforderlichen Angaben zu seinen Bedürfnissen, seiner finanziellen Situation und seinen Präferenzen gemacht hat, und rechtzeitig, bevor er durch einen Kreditvertrag oder ein Angebot gebunden ist, damit er die Merkmale von Kreditprodukten vergleichen und abwägen sowie erforderlichenfalls den Rat Dritter einholen kann (ErwGr 44).
[17] 3.3. „Unverzüglich“ bedeutet in diesem Zusammenhang ohne schuldhaftes Verzögern, also so früh wie möglich. Die Pflicht zur Informationserteilung nach § 8 HIKrG ist nicht an einen späteren Vertragsabschluss gekoppelt, sondern besteht unabhängig von einem solchen und zwar sobald der Verbraucher dem Kreditgeber gegenüber Angaben zu seinen Bedürfnissen, seiner finanziellen Situation und seinen Präferenzen gemäß § 9 Abs 2 HIKrG macht (Fleißner/Tamerl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 8 HIKrG Rz 19).
[18] 4.1. Zutreffend ist, dass der Kreditgeber keinem Kontrahierungszwang unterliegt. Ein Kontrahierungszwang ist nach der Rechtsprechung dort anzunehmen, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität diesem die Möglichkeit der „Fremdbestimmung“ über andere gibt, also insbesondere bei Innehabung einer Monopolstellung (RS0016744; RS0016745 [T13]). Dies ist in der vorliegenden Konstellation aber nicht der Fall. Der Kläger hat auch gar nicht behauptet, dass er nicht auch mit einem anderen Kreditinstitut einen Kreditvertrag mit Fixzinssatz vereinbaren hätte können.
[19] 4.2. Richtig ist ebenfalls, dass § 8 HIKrG den Kreditgeber nicht verpflichtet, einem Verbraucher ein verbindliches Vertragsangebot zu unterbreiten.
[20] 5.1. Wenn die Beklagte – und ihr folgend das Berufungsgericht – aber die Rechtsauffassung vertreten, sie sei auch nicht verpflichtet, dem Kläger, ohne ihm auch ein Kreditangebot zu unterbreiten, Informationen im Sinne der §§ 7, 8 HIKrG zu erteilen, weil das HIKrG nicht auf Anfragen eines Kunden an das Kreditinstitut, bevor sie ihm ein konkretes Kreditangebot unterbreitet habe, anwendbar sei, lassen sie Wortlaut und Zweck des HIKrG außer Betracht. § 8 HIKrG verpflichtet den Kreditgeber, dem Verbraucher, nachdem dieser die erforderlichen Angaben im Sinne des § 9 Abs 2 HIKrG gemacht hat, unverzüglich konkret auf ihn zugeschnittene Informationen zu erteilen, die dieser benötigt, um die auf dem Markt verfügbaren Kreditprodukte zu vergleichen, ihre jeweiligen Auswirkungen zu prüfen, um erst dann eine fundierte Entscheidung über den Abschluss eines Kreditvertrags treffen zu können. § 8 Abs 1 HIKrG begründet damit einen eigenen Anspruch des Verbrauchers auf Erteilung vorvertraglicher Informationen, der nicht an einen Vertragsabschluss gekoppelt ist (vgl dazu auch die Erläuterungen zum Entwurf des deutschen Umsetzungsgesetzes BTDrucks 18/5922, 111 f). Auch die verpflichtende Verwendung des ESIS-Merkblatts (§ 8 Abs 2 HIKrG) soll in diesem Sinne sicherstellen, dass der Verbraucher die ESIS‑Merkblätter verschiedener Kreditgeber (bildlich gesprochen) einfach nebeneinanderlegen und so bestmöglich vergleichen kann (Fleißner/Tamerl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 8 HIKrG Rz 7 mwN).
[21] 5.2. Die in der Revisionsbeantwortung aufgeworfene Frage, ob die angesprochenen Informationspflichten des Kreditgebers auch bei einer bloßen Konditionenänderung (hier Wechsel vom variablen Zinssatz auf einen Fixzinssatz) bestehen, stellt sich im vorliegenden Fall schon nach dem wechselseitigen Vorbringen der Parteien nicht. Der Kläger behauptet, dass er gegebenenfalls seinen bei der Beklagten bestehenden Kreditvertrag mit variablem Zinssatz auf einen Kreditvertrag mit Fixverzinsung bei einem anderen Kreditinstitut umgeschuldet hätte. Auch die Beklagte vertritt den Standpunkt, der Kläger hätte den bestehenden Kreditvertrag kündigen bzw abdecken und einen entsprechenden Kredit mit der von ihm gewünschten Fixverzinsung bei einem anderen Kreditinstitut aufnehmen können.
[22] 5.3. Die Frage, ob der Kreditgeber, möchte er mit dem informationssuchenden Verbraucher keinesfalls einen Vertrag abschließen (und ihm daher auch kein Angebot unterbreiten), dennoch nach § 8 HIKrG zumindest verpflichtet ist, dem Kunden dies mitzuteilen, muss nicht beantwortet werden. Dieser Fall liegt hier nicht vor, hat doch die Beklagte dem Kläger im Juli 2023 ein entsprechendes „Finanzierungsangebot“ unterbreitet.
[23] 6.1. Vergleichbar mit § 8 HIKrG regelt § 6 Abs 1 VKrG „Vorvertragliche Informationspflichten“. Die letztgenannte Regelung hält sogar ausdrücklich fest, dass der Verbraucher die Informationen erhalten soll, um verschiedene „Angebote“ vergleichen zu können. Nach Dehn (Die neue Verbraucherkredit-Richtlinie: Geltungsbereich – Umsetzungsoptionen – Sanktionen, ÖBA 2009, 185 [194]) verlange der Schutzzweck des Art 5 der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG (umgesetzt in § 6 VKrG), dass Kreditinstitute bei jeder Nachfrage eines möglichen Kunden das Formular „Anhang II“ ausfüllen müssen, ihm gegenüber also zur Angabe der vorvertraglichen Informationen verpflichtet sind. Aus Art 5 RL 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge gehe nämlich ein sehr weites Verständnis eines vorvertraglichen Stadiums und der Zweck hervor, dass der Verbraucher eine Orientierung über die Angebote bekommen soll.
[24] 6.2. Dass der Kläger die Beklagte um „Angebote“ und nicht um „Informationen“ ersucht hat, ändert an der gesetzlichen Verpflichtung der Beklagten nach § 8 HIKrG nichts. Da der Beklagten aufgrund des Ersuchens des Klägers um „Erstellung von Angeboten für einen Wechsel zu einer Fixverzinsung“ seines Kredits klar sein musste, dass der Kläger dazu auf ihn zugeschnittene Informationen benötigte, um entscheiden zu können, ob er einen entsprechenden Kreditvertrag mit einer Fixverzinsung – etwa im Rahmen einer Umschuldung – abschließen solle, hätte die Beklagte jedenfalls unverzüglich ihrer Informationspflicht nach § 8 HIKrG – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs 2 Z 1 iVm § 9 Abs 2 HIKrG (siehe dazu Pkt 7.) – gegenüber dem Kläger nachkommen müssen. Der Begriff „rechtzeitig“ in § 8 Abs 1 HIKrG umschreibt lediglich den spätestmöglichen Zeitpunkt der Informationserteilung in Bezug auf einen späteren Vertragsabschluss (Fleißner/Tamerl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 8 HIKrG Rz 20), entbindet die Beklagte aber nicht von ihrer Pflicht zur unverzüglichen Information.
[25] 7. Zutreffend verweist die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung aber darauf, dass bislang nicht festgestellt wurde, ob der Kläger überhaupt die erforderlichen Angaben zu seinen Bedürfnissen, seiner finanziellen Situation und seinen Präferenzen gemäß § 9 Abs 2 HIKrG gemacht hat, die die Beklagte in die Lage versetzen konnten, die Kreditwürdigkeit des Klägers zu prüfen und ihrer vorvertraglichen Informationspflicht nach § 8 HIKrG nachzukommen. Sie bezieht sich zwar auf das E‑Mail des Klägers vom 10. 11. 2022 (Blg ./E), in dem der Kläger „wie besprochen“ die Jahreslohnzettel 2019, 2020 und 2021 sowie die Bezugsnachweise der letzten drei Monate vorgelegt hat, meint aber, dass damit nicht alle von § 8 Abs 2 Z 1 iVm § 9 Abs 2 HIKrG geforderten Angaben gemacht wurden. Diese Umstände werden daher im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern und entsprechende Feststellungen zu treffen sein. Erst dann kann die Rechtsfrage beantwortet werden, ob die Beklagte zur (unverzüglichen) Information nach § 8 Abs 2 Z 1 HIKrG verpflichtet war.
[26] 8. Kommt das Erstgericht im zweiten Rechtsgang zum Ergebnis, dass die Beklagte ihre vorvertragliche Informationsverpflichtung nach § 8 Abs 1 und 2 HIKrG schuldhaft verletzt hat, weil sie dem Kläger nicht unverzüglich, nachdem dieser die erforderlichen Angaben gemäß § 8 Abs 2 Z 1 iVm § 9 Abs 2 HIKrG gemacht hat, (vollständig) die auf ihn zugeschnittenen Informationen für den Abschluss eines Kreditvertrags mit Fixverzinsung erteilt hat, ist zu prüfen, ob sich daran die vom Kläger mit seinen Begehren geltend gemachten Rechtsfolgen knüpfen:
[27] 9.1. Der europäische Gesetzgeber überließ es den Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu erlassen (Art 38 Abs 1 WIKrRL). Der österreichische Gesetzgeber entschied sich für einen kombinierten Ansatz und sieht zum einen Verwaltungsstrafen konkret vor (§ 30 Z 3 HIKrG) und lässt zum anderen zivilrechtliche Sanktionen offen (Fleißner/Tamerl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 8 HIKrG Rz 48). Als zivilrechtliche Folgen kommen im Wesentlichen schadenersatzrechtliche (culpa in contrahendo) und irrtumsrechtliche Folgen in Betracht (4 Ob 91/23w Rz 14 mit Bezugnahme auf Fleißner/Tamerl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 8 HIKrG Rz 48 ff).
[28] 9.2. Der Kläger kann daher grundsätzlich einen durch das allfällige pflichtwidrige Fehlverhalten der Beklagten eingetretenen Schaden, der ihm durch die nicht unverzügliche Informationserteilung der Beklagten nach § 8 HIKrG entstanden ist, gegen diese geltend machen. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist der für einen (allfälligen) Schadenersatzanspruch des Klägers erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben. Das Wesen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs liegt darin, dass aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens nur für jene verursachten Schäden zu haften ist, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern sollte (RS0022933). Wie bereits oben dargelegt, liegt der Schutzzweck des § 8 Abs 1 HIKrG darin, dass der Verbraucher eine Orientierung über die Details der verschiedenen am Markt erhältlichen Kreditprodukte bekommen soll.
[29] 9.3. Der Kausalitätsprüfung kommt im Falle einer auf § 8 Abs 1 HIKrG gestützten Informationspflichtverletzung besondere Bedeutung zu. Danach ist zu fragen, wie der Verbraucher ohne das schadenzufügende Ereignis, wie er also bei unverzüglicher Information gestanden wäre. So kann eine unterlassene, unvollständige oder falsche Aufklärung dem Kreditnehmer die Vergleichsmöglichkeit zu Produkten anderer Kreditgeber entziehen oder erschweren, sodass er zB einen teuren Kredit aufnimmt, den er sonst auch zu günstigeren Konditionen erhalten hätte, weil er mangels Information anderer Kreditinstitute die Marktlage nicht einschätzen konnte, sonst aber mit der Kreditaufnahme noch zugewartet hätte, bis auch seine Bank einen Zinssatz senkt (Dehn, Die neue Verbraucherkredit-Richtlinie: Geltungsbereich – Umsetzungsoptionen – Sanktionen, ÖBA 2009, 185 [194]).
[30] 9.4. Diesen Kausalitätsanforderungen entspricht das bisher vom Kläger erstattete Vorbringen zum erlittenen Schaden nicht. Das Erstgericht wird daher im ergänzend durchzuführenden Verfahren mit dem Kläger unter besonderer Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 8 Abs 1 HIKrG, der – wie bereits dargestellt – darin liegt, dass der Verbraucher eine Orientierung über die Details der verschiedenen am Markt erhältlichen Kreditprodukte bekommen soll, auch die Kausalität einer (allfälligen) Informationspflichtverletzung der Beklagten nach § 8 HIKrG für den von ihm behaupteten Schaden zu erörtern und entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Insbesondere wird mit dem Kläger auch zu erörtern sein, weshalb es ihm aufgrund der (allenfalls) nicht unverzüglichen Informationserteilung durch die Beklagte nicht möglich war, Vergleiche mit den vorvertraglichen Informationen anderer Kreditinstitute anzustellen bzw er davon Abstand nahm, einen entsprechenden Kredit mit einer Fixverzinsung bei einem anderen Kreditinstitut abzuschließen.
[31] 10. Da für die Beurteilung des geltend gemachten Leistungsanspruchs ausreichende Feststellungen fehlen, ist dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Damit muss auf die Rüge sekundärer Verfahrensmängel in der Revision nicht weiter eingegangen werden.
[32] 11. Das Begehren des Klägers auf Vertragsanpassung war jedoch (mit Teilurteil) abzuweisen, weil die Beklagte, wie oben (Pkt 4.) dargelegt, im Rahmen der Privatautonomie nicht zur Abgabe eines Vertragsangebots verpflichtet ist und auch keinem Kontrahierungszwang unterliegt. Sie kann daher gerichtlich nicht verpflichtet werden, einen vom Kläger gewünschten Kreditvertrag abzuschließen.
[33] Der Revision des Klägers war daher teilweise Folge zu geben.
[34] Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Teilurteils auf § 52 Abs 4 ZPO und hinsichtlich des Aufhebungsbeschlusses auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.
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