OGH 8Ob91/76

OGH8Ob91/7629.9.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Benisch, Dr. Thoma und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* D*, Geschäftsfrau, *, vertreten durch Dr. Werner Achtschin, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) J* S*, 2.) F* S*, 3.) Z*Gesellschaft, *, sämtliche vertreten durch Dr. Max Kornberger, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 9.905,— und S 4.952,50, infolge Revision der klagenden Partei und Revision bzw. Rekurs der beklagten Parteien gegen das Teil- und Zwischenurteil bzw. Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17. Februar 1976, GZ 1 R 8/76‑24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 18. Dezember 1975, GZ 10 Cg 190/75‑17 teils abgeändert teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0080OB00091.76.0929.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

I.) Zu Recht erkannt:

 

Der Revision der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teil- und Zwischenurteil wird dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung des nicht in Beschwerde gezogenen und des bestätigten Teiles zu lauten hat:

Der auf Ersatz der Wertminderung gerichtete Klagsanspruch besteht dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht und zur Hälfte nicht zu Recht.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 4.905,— binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von S 9.905,— samt 4 % Zinsen seit 15. März 1975 wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten sowie über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden in diesem Umfange der Endentscheidung vorbehalten.

 

II.) Den

 

B e s c h l u ß

 

gefaßt:

 

1.) Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich des Zinsenbegehrens aus einem weiteren Betrage von S 2.452,50 aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfange zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

2) Der Rekurs der beklagten Parteien gegen den Aufhebungsbeschluß hinsichtlich des Zinsenbegehrens aus S 2.452,50 wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

 

Am 14. November 1974 kam es in Weiz auf der Kreuzung der Kapruner Generator-Straße und der Siegfried Esterl-Gasse zu einem Zusammenstoß zwischen dem nach links einbiegenden, vom Zweitbeklagten gelenkten VW‑Kombi und dem ihn links überholenden, von J* D* gelenkten PKW der Klägerin. Der Erstbeklagte ist Halter und die Drittbeklagte Haftpflichtversicherer des vom Zweitbeklagten gelenkten PKWs.

Die Klägerin begehrt Ersatz eines Schadens von S 19.810,— und zwar eine Wertminderung von S 10.000,— und restliche Reparaturkosten von S 9.810,—, die sich aus den Reparaturkosten von S 46.421,— nach Abzug der Leistungen der Kaskoversicherung von S 36.611,— ergeben. Sie behauptet Alleinverschulden des Zweitbeklagten. Er habe weder das Linkseinbiegen durch Blinkzeichen angezeigt noch sich zur Fahrbahnmitte eingeordnet.

Die Beklagten stellten die Höhe des geltend gemachten Reparaturschadens außer Streit, bestritten die Höhe der Wertminderung und wendeten Alleinverschulden des Lenkers des Fahrzeuges der Klägerin ein. Dieser habe das Fahrzeug des Erstbeklagten auf einer ungeregelten Kreuzung links überholt, obwohl sich der Zweitbeklagte rechtzeitig zur Fahrbahnmitte eingeordnet und den linken Blinker betätigt habe.

Das Erstgericht ging vom Alleinverschulden des Lenkers des Fahrzeuges der Klägerin aus und wies die Klage ab.

Die Abweisung eines Teilbetrages von S 6.603,33 blieb unangefochten. Das Berufungsgericht, das eine Schadensteilung im Verhältnisse 1 : 3 zu Lasten der Klägerin vornahm, erkannte mit Zwischenurteil, daß der auf Wertminderung gerichtete Klagsanspruch dem Grunde nach zu einem Viertel zu Recht und zu drei Viertel nicht zu Recht besteht, sprach der Klägerin mit Teilurteil S 2.452,50, das ist ein Viertel des restlichen Reparaturschadens zu, bestätigte die Abweisung eines weiteren Teilbetrages von S 8.254,16 (insgesamt S 14.857,49) und hob unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich eines Teilbetrages von S 2.500,— sowie hinsichtlich des Zinsenbegehrens aus S 4.952,50 auf.

Zur ungewöhnlichen Form der Entscheidung des Berufungsgerichtes durch Fassung eines Aufhebungsbeschlusses nach Fällung eines Zwischenurteiles hinsichtlich des als zu Recht bestehend erkannten Anspruches auf Ersatz der Wertminderung ist zu sagen, daß mit dem Zwischenurteil das abweisende Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Bejahung des Klagsanspruches dem Grunde nach zu einem Viertel abgeändert und damit die Berufung hinsichtlich dieses Teilanspruches erledigt wurde. Denn ein den Grund des Klagsanspruches ganz oder teilweise bejahendes Zwischenurteil (§ 393 Abs 1 ZPO) hat immer eine weitere Verhandlung über die Höhe des Anspruches zur Folge, sodaß es hiezu nicht einer beschlußmäßigen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Prozeßgericht erster Instanz bedarf und auch ein Rechtskraftvorbehalt nicht in Betracht kommt (2 Ob 16/68, 2 Ob 291/69, 3 Ob 49/72). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes hinsichtlich des Anspruches auf Ersatz des Wertminderungsschadens ist daher bloß als Zwischenurteil anzusehen, sodaß aus dem Aufhebungsbeschluß die Aufhebung „rücksichtlich eines Teilbetrages von S 2.500,— samt Zinsen daraus“ auszuscheiden ist.

Gegen das Teil- und Zwischenurteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrunde des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß ihr hinsichtlich der Reparaturkosten ein weiterer Betrag von S 2.452,50 (insgesamt S 4.905,—) zugesprochen werden und der auf Wertminderung gerichtete Anspruch dem Grunde nach zur Hälfte als zu Recht bestehend erkannt werde.

Gegen den stattgebenden Teil des Teil- und Zwischenurteiles richtet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Z 3 und 4 ZPO und gegen den Aufhebungsbeschluß hinsichtlich des Zinsenbegehrens aus S 2.452,50 – wie bereits oben dargelegt wurde, ist die Aufhebung hinsichtlich des Teilbetrages von S 2.500,— samt Zinsen daraus als vom Zwischenurteil erfaßt auszuscheiden –das zwar auch als Revision bezeichnete, aber als Rekurs zu behandelnde Rechtsmittel der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil und den Beschluß des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.

Die Klägerin stellt den Antrag, der Revision des Beklagten nicht Folge zu geben. Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet.

Die Untergerichte gingen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Kapruner Generator-Straße ist keine gekennzeichnete Vorrangstraße. Sie ist im Bereich der Unfallstelle einschließlich eines an den östlichen Fahrbahnrand angrenzenden, 0,5 m breiten gepflasterten „Banketts“ 7,3 m breit. Der Zweitbeklagte näherte sich mit dem 2,25 m breiten VW-Kombi der Kreuzung aus südlicher Richtung. Er hielt eine Geschwindigkeit von mindestens 30 km/h ein und betätigte rund 32 m vor der Kreuzung den linken Blinker, nachdem er in den Rückspiegel gesehen und den PKW der Klägerin nachkommen gesehen hatte. Dieser PKW, der eine Geschwindigkeit von mindestens 50 km/h hatte, war im Zeitpunkt der Betätigung des linken Blinkers am Fahrzeug des Erstbeklagten nur mehr 16 m hinter diesem. Dessen Lenker nahm die Blinkzeichen nicht war. Er überholte den mit etwa 30 km/h nach links einbiegenden VW-Kombi im Kreuzungsbereich und stieß dort mit der rechten vorderen Ecke des PKWs der Klägerin gegen die linke vordere Ecke des VW-Kombi, nachdem er noch etwas gebremst hatte. Der Zweitbeklagte blickte unmittelbar vor dem Einbiegen nicht mehr in den Rückspiegel. Vor dem Einbiegen hielt der Zweitbeklagte zur Fahrbahnmitte einen Abstand von 0,9 m ein.

Das Erstgericht lastete dem Lenker des PKWs der Klägerin an, er habe den VW-Kombi auf einer nicht geregelten Kreuzung links überholt und damit gegen die Bestimmungen des § 16 StVO verstoßen. Es verneinte aber ein Verschulden des Zweitbeklagten. Die Betätigung des linken Blinkers sei nicht verspätet erfolgt, weil das Überholen an dieser Stelle überhaupt verboten gewesen sei und der Lenker des PKWs der Klägerin sich der Kreuzung mit einer viel geringeren Geschwindigkeit hätte nähern müssen. Der Zweitbeklagte sei im Ortsgebiet auch nicht verpflichtet gewesen, unmittelbar vor dem Abbiegen nach links noch einmal im Rückspiegel den nachfolgenden Verkehr zu beobachten. Er habe zwar vor dem Einbiegen nach links zur Fahrbahnmitte einen Abstand von 0,9 m eingehalten und sich daher nicht ganz zur Fahrbahnmitte eingeordnet. Dies könne ihm aber nicht als Verschulden angerechnet werden, da der Lenker des PKWs der Klägerin nicht einmal dann, wenn der Zweitbeklagte extrem rechts gefahren wäre und den linken Blinker nicht betätigt hätte, an dieser Stelle hätte überholen dürfen.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß den Zweitbeklagten ein Verschulden treffe. Er habe bis zum Beginn des Einbiegemanövers zur Fahrbahnmitte einen Abstand von 0,9 m eingehalten und sei auf der 3,15 m breiten Fahrbahnhälfte (3,65 - 0,50 m „Bankett“) mit der rechten Fahrzeugseite am rechten Fahrbahnrand gefahren. Da er es unterlassen habe, sich zur Fahrbahnmitte einzuordnen und damit nicht ausreichend zu erkennen gegeben habe, ob und wann er nach links einbiegen werde, wäre er auch verpflichtet gewesen, vor dem Linkseinbiegen noch einmal in den Rückspiegel zu blicken. Das Mitverschulden des Lenkers des Fahrzeuges der Klägerin bestehe darin, daß er zufolge eines Aufmerksamkeitsfehlers die Blinkzeichen am Fahrzeug des Erstbeklagten übersehen und außerdem gegen die Bestimmung des § 16 Abs 2 lit b StVO (gemeint ist offenbar lit c) verstoßen habe. Die Abwägung des beiderseitigen Verschuldens rechtfertige eine Schadensaufteilung im Verhältnisse 1 : 3 zu Lasten der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

1) Zum Rekurs der Beklagten:

Der Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß hinsichtlich des Zinsenbegehrens aus S 2.452,50 ist aus folgenden Erwägungen unzulässig.

Nach § 528 Abs 1 Z 5 ZPO sind Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über einen Beschwerdegegenstand, der oder dessen Wert S 2.000,— nicht übersteigt, unzulässig. Diese Vorschrift erstreckt sich auf alle Beschlüsse des Gerichtes zweiter Instanz, also nicht bloß auf jene des Rekursgerichtes, sondern auch auf die des Berufungsgerichtes, gleichgültig, ob sie die erstgerichtliche Entscheidung bestätigen, abändern oder aufheben. Daran kann auch die Aufnahme eines Rechtskraftvorbehaltes im Sinne des § 519 Z 3 ZPO nichts ändern (vgl. EvBl 1973/161; SZ 43/84; SZ 23/94; 8 Ob 120/73 und 8 Ob 151/75). Bei der Berechnung des Streitwertes nach § 528 Abs 1 Z 5 ZPO kommt es nur auf den Wert des Beschwerdegegenstandes im Rekurs bzw. Revisionsrekurs an (vgl. Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO Band I, Seite 667; JBl 1968, 263; 3 Ob 201/74 u.a.). Es gelten die Bestimmungen der §§ 54 ff JN. Nach § 54 Abs 2 JN bleiben Zinsen und sonstige Nebengebühren bei der Wertberechnung unberücksichtigt (vgl. Heller‑Berger‑Stix a.a.O.; RZ 1937, 405; EvBl 1955/207; ST 20/202). Im vorliegenden Fall hat der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes, gegen den sich – wie bereits oben dargelegt wurde – der Rekurs richtet, nur das Zinsenbegehren aus S 2.452,50 zum Gegenstande. Daraus folgt, daß der beigesetzte Rechtskraftvorbehalt unbeachtlich und der Rekurs unzulässig ist.

Der unzulässige Rekurs war daher zurückzuweisen.

2.) Zu den Revisionen:

Die Revision der Beklagten ist nicht gerechtfertigt, wohl aber die Revision der Klägerin.

Mit dem Revisionsgrunde der Aktenwidrigkeit bekämpfen die Beklagten die Feststellung, daß der Zweitbeklagte zur gedachten Fahrbahnmittellinie mit seiner linken Fahrzeugseite einen Abstand von 0,9 m eingehalten hat, und versuchen darzulegen, daß diese Feststellung unter Zugrundelegung der Angaben der beteiligten Lenker über den Unfallspunkt und die Straßenbreite mit der Aktenlage nicht in Einklang zu bringen sei.

Auszugehen ist davon, daß bereits das Erstgericht ausführte, „es könne nicht gesagt werden, daß der Zweitbeklagte extrem rechts gefahren sei, bevor er abbog, da sich die linke Flanke seines VW-Pritschenwagens lediglich 0,9 m von der gedachten Mittellinie entfernt befand“ (AS 94). Hiebei handelte es sich um eine Tatsachenfeststellung, mag sie vom Erstgericht auch erst bei der Erörterung der Rechtsfrage getroffen worden sein. Das Berufungsgericht hat diese von der Berufung der Klägerin nicht bekämpfte Feststellung seiner Entscheidung zugrundegelegt. Nach ständiger Rechtsprechung ist zwar die in erster Instanz siegreiche Partei nicht genötigt, ihr ungünsige Feststellungen des Erstgerichtes in der Berufungsmitteilung oder in der Berufungsverhandlung zu rügen, sondern kann bei abweichender rechtlicher Beurteilung der Streitsache durch das Berufungsgericht die Bekämpfung derartiger Feststellungen im Revisionsverfahren nachholen (vgl. SZ 26/262; EvBl 1962/309; RZ 1966, 165; EvBl 1971/123; JBl 1972, 97 u.a.). Im vorliegenden Falle haben aber die Beklagten ausdrücklich in der Berufungsverhandlung erklärt, keine Feststellungen des Erstgerichtes zu bekämpfen (AS 123). Im Hinblick auf diese Erklärung der Beklagten kann es keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bilden, wenn das Berufungsgericht seiner Entscheidung Feststellungen zugrunde gelegt hat, die nach der ausdrücklichen Erklärung der Beklagten nicht gerügt wurde, sodaß den Beklagten das Recht genommen ist, die ihnen nunmehr ungünstig erscheinende Feststellung des Erstgerichtes noch im Revisionsverfahren zu bekämpfen.

Soweit die Beklagten in ihrer Rechtsrüge im Sinne ihrer Ausführungen zum Revisionsgrunde der Aktenwidrigkeit nicht von der Feststellung der Untergerichte ausgehen, daß der Zweitbeklagte mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug zur Fahrbahnmitte einen Abstand von 0,9 m eingehalten hat, führen sie die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus. Auch bei Vorhandensein nur eines Fahrstreifens in der betreffenden Fahrtrichtung hat derjenige, der nach links abzubiegen beabsichtigt, nach § 12 Abs 1 StVO möglichst nahe an die Fahrbahnmitte heranzufahren (vgl. ZVR 1968/5; ZVR 1969/284; ZVR 1974/106). Da der Zweitbeklagte nach den Feststellungen zur Fahrbahnmitte einen Abstand von fast einem Meter einhielt, hat er diesem Gebot nicht entsprochen. Denn er fuhr auf der 3,65 m breiten Fahrbahnhälfte – der 0,5 m breite gepflasterte östliche Teil der Straße ist kein Straßenbankett im Rechtssinne (§ 2 Abs 1 Z 6 StVO), weil dazu nur ein seitlicher, nicht befestigter Teil einer Straße, der zwischen der Fahrbahn und dem Straßenrand liegt, zählt, sondern bildet einen Teil der Fahrbahn – näher zum rechten Fahrbahnrand (50 cm) als zur Fahrbahnmitte. Eine nochmalige Beobachtung des nachfolgenden Verkehrs unmittelbar vor dem Abbiegen nach links ist in der Regel nur dann nicht erforderlich, wenn sich der Lenker neben der rechtzeitigen Anzeige der Linksabbiegeabsicht auch vorschriftsmäßig eingeordnet hat (vgl. ZVR 1974/179). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Zweitbeklagte durch Unterlassung der vorschriftsmäßigen Einordnung zur Fahrbahnmitte eine unklare Verkehrssituation für die nachfolgenden Verkehrsteilnehmer entstehen lassen, weil diese nicht ausreichend erkennen konnten, daß und wo er nach links einbiegen werde. Er wäre daher zu einem zweiten Rückblick unmittelbar vor dem Linkseinbiegen verpflichtet gewesen.

Daß den Lenker des Fahrzeuges der Klägerin mindestens ein gleichteiliges Mitverschulden trifft, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß diesem Lenker das überwiegende Verschulden treffe, beruht insbesondere auf der Erwägung, daß er gegen die Bestimmung des § 16 Abs 2 lit c StVO verstoßen habe. Diese Absicht ist schon deshalb nicht zu billigen, weil die Übertretung einer Schutznorm nur insoweit für den durch die Übertretung der Norm verursachten Schaden haftbar macht, als durch die Schutznorm gerade dieser Schaden verhindert werden soll. Nach ständiger Rechtsprechung dient die Vorschrift des § 16 Abs 2 lit c StVO jedenfalls nicht dem Schutz eines Verkehrsteilnehmers, der in dieselbe Richtung wie das überholende Fahrzeug fährt und plötzlich nach links einbiegt. So ist das Überholen nach der genannten Gesetzesstelle nicht verboten, wenn auf einer Vorrangstraße im Rechtssinne überholt wird (2 Ob 302/74; 8 Ob 282/75). Eine Begrenzung der Zurechnung der Schadensfolgen aus dem Normzweck ist auf die Schadenstragung wegen Mitverschuldens aber ebenso anzuwenden, wie auf die Schadenshaftung gegenüber Dritten (vgl. Bydlinski, Buchbesprechung JBl 1961, 566; Koziol, Haftpflichtrecht Band I, Seite 187). Hätte daher das vom Lenker des Fahrzeuges der Klägerin durch die Übertretung der genannten Norm an den Tag gelegte Verhalten mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges nicht zu seiner Schadenersatzpflicht gegenüber fremden Gütern geführt, kann ihm dieses Verhalten auch nicht als schadenverkürzendes Mitverschulden angerechnet werden. Es verbleibt daher als dem Lenker des Fahrzeuges der Klägerin anzulastendes Mitverschulden nur der Aufmerksamkeitsfehler, demzufolge er die Betätigung des Blinkers am vorausfahrenden Fahrzeug des Erstbeklagten übersehen hat. Wird diese Verschuldenskomponente dem Fehlverhalten des Zweitbeklagten gegenübergestellt, so kann von einem eindeutigen Überwiegen des Verschuldens des Lenkers des Fahrzeuges der Klägerin nicht die Rede sein. Die Beklagten können sich daher durch die von der Klägerin mit ihrer Revision angestrebte gleichteilige Schadensaufteilung nicht beschwert erachten.

Der Revision der Beklagten mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Der Revision der Klägerin war eher Folge zu geben und das Zwischenurteil des Berufungsgerichtes entsprechend einer gleichteiligen Schadensaufteilung abzuändern.

Was die Abänderung des Teilurteiles hinsichtlich des Reparaturschadens anlangt, war bei der Errechnung des Schadens unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote darauf Bedacht zu nehmen, daß es sich bei dem auf die Schadensquote anzurechnenden Vorteil um Leistungen der Kaskoversicherung der Klägerin handelt. Dies wurde vom Berufungsgericht nicht beachtet. Was die Anrechnung der Leistungen, die die Klägerin von ihrer Kaskoversicherung erhalten hat, anlangt, ist in Bezug auf die Anwendung der Bestimmungen des § 67 Abs 1 VersVG nach nunmehr herrschender Lehre (Prölss-Martin, 20. Auflage, Seite 379, Anm 4 B; Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, Seite 287) und Rechtsprechung (VersR 1969, 385; VersR 1963, 75; VersR 1959, 986; BGH 13.3.54, BGHZ 13,28; BGH 30.9.57, BGHZ 25,340, 8 Ob 243/75) von der sogenannten Differenztheorie (= Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers) auszugehen. Ersetzt der Versicherer dem Versicherungsnehmer nur einen Teil des Schadens (z. B. bei Selbstbehalt der Kaskoversicherung), so bleibt der Versicherungsnehmer Gläubiger des Schadenersatzanspruches in der Höhe des Unterschiedes zwischen seinem Schaden und der erhaltenen Versicherungsleistung. Er hat in Ansehung seines noch ungedeckten Restschadens den Vorrang vor dem Versicherer. Die Differenztheorie wird gegen den Versicherungsnehmer durch den Grundsatz „Kongruenz geht vor Differenz“ eingeschränkt. Im vorliegenden Falle hat die Klägerin für den Reparaturschaden von S 46.421,— vom Kaskoversicherer eine Leistung von S 36.611,— erhalten, sodaß der noch ungedeckte Restschaden S 9.810,— beträgt. Da der um die Mitverschuldensquote (1/2) gekürzte Fahrzeugschaden (S 46.421,—) eine Ersatzforderung von S 23.210,50 ergibt und der ungedeckte Restschaden von S 9.810,— darin seine kongruente Deckung findet, blieb die Klägerin hinsichtlich dieses Restschadens Gläubigerin der Ersatzforderung. Da sie aber im Revisionsverfahren die Teilabweisung von S 4.905,— unangefochten läßt und nur den Zuspruch eines weiteren Betrages von S 2.452,50, somit insgesamt von S 4.905,— begehrt, kann ihr insgesamt nur dieser Betrag zugesprochen werden. Es war daher der Revision der Klägerin hinsichtlich der Anfechtung des Teilurteiles vollinhaltlich durch Zuspruch eines weiteren Betrages von S 2.452,50 (insgesamt S 4.905,–) stattzugeben. Hinsichtlich der Zinsen aus diesem Betrage war jedoch das angefochtene Urteil aufzuheben, da es – wie das Berufungsgericht bereits hinsichtlich des von ihm zugesprochenen Teilbetrages von S 2.452,50 richtig dargelegt hat – an Feststellungen über den Zeitpunkt der Fälligkeit mangelt.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten und die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 393 Abs 4 und 52 Abs 2 ZPO.

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