European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00081.24F.0227.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Bestandrecht, Klauselentscheidungen, Konsumentenschutz und Produkthaftung
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:
„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 410,32 EUR samt 4 % Zinsen seit 05. 06. 2023 binnen 14 Tagen zu zahlen, wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 851,81 EUR (darin 141,17 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 952,39 EUR (darin 146,23 EUR USt und 75 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 602,54 EUR (darin 100,42 EUR USt und 228 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Verbraucherin M* B* und die Beklagte schlossen am 15. 2. 2021 einen unbefristeten Mietvertrag über die Wohnung * ab. Das dem Teilanwendungsbereich des MRG unterliegende Mietverhältnis begann (nach Fertigstellung der Wohnung) am 8. 11. 2021.
[2] Im Mietvertrag wurde in Punkt 3.1 unter der Überschrift „Monatliches Entgelt (Mietzins), Verrechnungsschlüssel“ ein „monatliches Entgelt (Mietzins)“ in Höhe von „derzeit“ 777,77 EUR vereinbart, wobei als eine der darin enthaltenen Komponenten (neben Betriebskosten, Verwaltungskosten und Umsatzsteuer) der „Mietzins“ mit 586,51 EUR ausgewiesen ist. Der diesbezügliche Unterpunkt (a) enthält folgende Wertsicherungsklausel:
„Der Mietzins wird am vom österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Index der Verbraucherpreise 1976 (Durchschnitt 1976 = 100) derart wertgesichert, daß er sich in gleichem Umfang senkt und erhöht, wie sich die Indexziffer im Vergleiche zu der für den Monat September 2021 verlautbarten verändert. Der ohne einen Schwellenwert jeweils auf Basis der Verlautbarung für den September eines jeden Jahres neu zu berechnende reine Mietzins ist ab Jänner des Folgejahres von dem Mieter zuzüglich der anderen Mietzinskomponenten zu begleichen. Wenn dieser Index oder ein an seine Stelle tretender nicht mehr verlautbart wird, gilt jener, der dem Index 1976 wirtschaftlich am nächsten kommt. Die Indexierung unterliegt jedoch jedenfalls einer jährlichen Steigungsrate um mindestens 2 %.“
[3] Am 25. 11. 2022 gab die Beklagte der Mieterin unter Berufung auf diese Wertsicherungsklausel eine Erhöhung des vereinbarten Mietzinses um 10,6 % mit 1. 1. 2023 bekannt. Die Mieterin leistete den erhöhten Mietzins im Zeitraum Jänner bis Juni 2023 unter Vorbehalt. Sie trat ihre Rückersatzansprüche der Klägerin, einem Verband iSd § 29 KSchG, zum Inkasso und zur Klagsführung ab.
[4] Die Klägerin begehrt 410,32 EUR. Die Klausel sei aufgrund der vor dem Mietbeginn liegenden Ausgangsbasis ungewöhnlich iSd § 864a und gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Sie verstoße wegen des unklaren Ersatzindex, wegen der Bezugnahme auf den VPI und wegen der Basisindexierung von 2 % gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, wobei Letztere auch gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 KSchG sei. Außerdem könne schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten, sodass die Klausel gemäß § 6 Abs 2 Z 4 KSchG unwirksam sei.
[5] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klausel sei zulässig.
[6] Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Ausgangsbasis September 2021 verstoße nicht gegen § 864a ABGB, und auch der VPI sei als Wertmesser geeignet. Der unklare Ersatzindex und die Basisindexierung von 2 % verstießen jedoch gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, Letztere auch gegen § 879 Abs 3 ABGB. Auf die weiteren geltend gemachten Rechtsgrundlagen sei nicht mehr einzugehen. Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion sei die Klausel zur Gänze nichtig, weshalb das Rückforderungsbegehren berechtigt sei.
[7] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es erachtete die Klausel für unteilbar und bejahte einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB. Durch die Begrenzung der Wertsicherungsklausel auf eine jährliche Mindestindexierung von 2 % fehle es am Erfordernis der Zweiseitigkeit als unverzichtbare Zulässigkeitsvoraussetzung für Preisänderungsklauseln. Außerdem sei der Ersatzindex nicht ausreichend determiniert. Auf die weiteren geltend gemachten Rechtsgrundlagen sei nicht mehr einzugehen.
[8] Die Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu, weil die Frage, ob eine Wertsicherungsvereinbarung zulässig sei, die zugunsten der Vermieterin eine Basisindexierung enthält, nur den Einzelfall betreffe und keine darüber hinaus bedeutsame Rechtsfrage vorliege.
[9] Mit ihrer Revision strebt die Beklagte die Klagsabweisung an. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[10] Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die unter § 502 Abs 5 Z 3 ZPO fallende Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, weil der Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und die Frage der Teilbarkeit der Klausel einer Klarstellung bedarf. Sie ist auch berechtigt.
1. Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG:
[12] 1.1. Gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen nicht verbindlich, nach denen dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine Leistung ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zusteht, es sei denn, der Vertrag sieht bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen für eine Entgeltänderung auch eine Entgeltsenkung vor, die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände sind im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt und ihr Eintritt hängt nicht vom Willen des Unternehmers ab.
[13] 1.2. Nach ständiger Judikatur gilt diese Bestimmung auch für Dauerschuldverhältnisse. Sie dient dem Schutz des Verbrauchers vor überraschenden ebenso wie vor sachlich nicht gerechtfertigten Preiserhöhungen (10 Ob 125/05p; 10 Ob 23/24s; vgl auch RS0124336).
[14] 1.3. Dass sich Wertsicherungsklauseln in Wohnungsmietverträgen unternehmerischer Vermieter an den Erfordernissen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG messen zu lassen haben, entspricht mittlerweile gefestigter Judikatur (2 Ob 36/23t; 1 Ob 64/24d; 10 Ob 23/24s; 10 Ob 54/24z; siehe bereits 6 Ob 226/18f).
[15] 1.4.1. Diese Rechtsprechung ist in jüngster Zeit allerdings in der Lehre auf Kritik gestoßen. Primär bezogen auf § 6 Abs 2 Z 4 KSchG argumentiert Fidler (Inflationsbewältigung durch Vertragsrecht? Ein Beitrag zur Auslegung der § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, § 879 Abs 3 ABGB, wobl 2023, 399), Entgeltanpassungen anhand des VPI erhöhten das Entgelt nicht, sondern sollten das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis aufrechterhalten. Solche Entgeltanpassungen decke auch der Wortlaut von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht, dort sei bewusst von einem höheren Entgelt die Rede. Den Materialien zufolge seien Klauseln verpönt, die dem Unternehmer „entgegen dem Grundsatz 'pacta sunt servanda' einen nachträglichen einseitigen Eingriff in das ursprüngliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ermöglichten“. Eine „Erhöhung des Entgelts“ iSd § 6 Abs 2 Z 4 KSchG setze demnach voraus, dass der Unternehmer das Äquivalenzverhältnis zu seinen Gunsten verschiebe, was bei Wertsicherungsklauseln nicht der Fall sei. Vielmehr verringere sich ohne Indexanpassung effektiv das Entgelt des Verbrauchers, der Mietvertrag werde für ihn also nach Kaufkraft billiger. Dieses Ergebnis werde durch die Entscheidung des EuGH vom 26. 11. 2015, C‑326/14 , A1 Telekom Austria AG, gestützt.
[16] 1.4.2. Ausgehend von diesen Erwägungen zweifeln auch Riss (in Flume/Riss, Wertsicherungsabreden in Bestandverträgen [Studie im Auftrag des BMSGPK, online abrufbar unter https://www.sozialministerium.at ; abgefragt am 27. 2. 2025] Rz 166) und Rassi (Die Wertsicherung des Bestandzinses, Zak 2024/551, 304) die Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Wertsicherungsvereinbarungen an, wobei Letzterer dies auch auf § 6 Abs 1 Z 5 KSchG überträgt.
[17] 1.5.1. Fidler (aaO) stellt hingegen selbst an den Beginn seiner Überlegungen, dass die Rechtsordnung im Grundsatz von einem „geldschuldrechtlichen Nominalismus“ ausgeht (vgl Ertl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 985 ABGB Rz 14 ff). Von diesem ist auch § 6 Abs 1 Z 5 KSchG geprägt, sodass für die Anwendbarkeit der Bestimmung die Möglichkeit des Unternehmers ausreicht, für seine Leistung ein nominell höheres Entgelt zu verlangen als ursprünglich vereinbart. So wird bereits in den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 744 BlgNR 14. GP 23 f) ausgeführt, dass durch die Regelung eine unausgewogene „Änderung eines (zahlenmäßig) bestimmten Preises“ verhindert werden soll. Ausdrücklich wird weiters auf „Zeiten beschleunigter Preissteigerungen“ und damit auf die Inflation Bezug genommen. Schließlich wird darauf verwiesen, dass die Möglichkeit nachträglicher einseitiger Preiserhöhung den Wert von Preisvergleichen, die der Verbraucher unmittelbar vor Vertragsschließung vorgenommen hat, erheblich mindert.
[18] 1.5.2. Ausgehend davon erfordert es der Zweck der Bestimmung, auch Wertsicherungsvereinbarungen anhand von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG zu überprüfen. Seit mit der KSchG‑Novelle 1997 (BGBl I 1997/6) das Kriterium der sachlichen Rechtfertigung in die Bestimmung eingefügt wurde, umfasst diese Prüfung auch die Frage, ob die Vereinbarung ihrem Ziel, das ursprüngliche Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung aufrecht zu erhalten, gerecht wird oder nicht (vgl Leitner, Wirksamkeit von Indexklauseln in Mietverträgen, wobl 2023, 422). Dadurch soll insbesondere verhindert werden, dass eine Vereinbarung dem Unternehmer – zu Lasten des Verbrauchers – über die Valorisierung der Leistungen hinausgehende „Zufallsgewinne“ ermöglicht (1 Ob 64/24d; 10 Ob 23/24s). Der Zweck von Wertsicherungsvereinbarungen, das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis aufrecht zu erhalten, schließt sie daher nicht aus dem Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG aus, sondern bildet erst bei der Anwendung der Bestimmung einen wesentlichen Prüfungsmaßstab.
[19] 1.5.3. Die von Fidler und Rassi genannte Entscheidung des EuGH (26. 11. 2015, C‑326/14 , A1 Telekom Austria AG) steht diesem Ergebnis nicht entgegen, weil dort zu entscheiden war, ob es sich bei einer Valorisierung trotz des Umstands, dass diese in einer bereits ursprünglich vereinbarten Wertsicherungsklausel vorgesehen war, um eine – zur außerordentlichen Kündigung berechtigende – Vertragsänderung im Sinne der RL 2002/22 (UniversaldienstRL) handelt. Lediglich eine solche Vertragsänderung wurde vom EuGH verneint. Der Entscheidung ist aber auch eindeutig zu entnehmen, dass eine aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung erfolgte nominelle Änderung des Tarifs als Entgeltänderung gewertet wurde (Rz 25).
[20] 1.5.4. Demnach ist an der Judikatur festzuhalten, wonach sich Wertsicherungsklauseln in Wohnungsmietverträgen unternehmerischer Vermieter an den Erfordernissen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG messen zu lassen haben.
2. Zum behaupteten Staffelmietzins:
[21] 2.1. Die Revision argumentiert, die Basisindexierung von 2 % sei als Staffelmietzins und damit als fixe Entgeltkomponente zu werten, die als Hauptleistungspflicht des Mieters weder der Kontrolle nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG noch jener nach § 879 Abs 3 ABGB unterliege.
[22] 2.2.1. Unter einem Staffelmietzins ist eine Vereinbarung verschieden hoher Hauptmietzinse für verschiedene Zeiträume zu verstehen (Stabentheiner in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 16a MRG Rz 8; RS0111097). Der Hauptmietzins wird bei der Vereinbarung eines unbedingten Staffelmietzinses bei Mietvertragsabschluss schon von Beginn an für unterschiedliche Perioden der Höhe nach bestimmt oder zumindest bestimmbar fix festgelegt; im Gegensatz dazu wird bei Vereinbarung eines bedingten Staffelmietzinses die Änderung des Hauptmietzinses an den Eintritt eines zukünftigen Ereignisses geknüpft (Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 §§ 1092–1094 Rz 55 f; Schinnagl in Illedits, Wohnrecht4 § 16a MRG Rz 1; Hausmann/Reithofer in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht4 § 16 MRG Rz 10; Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB5§ 1092 Rz 92; Fidler,Umsatzabhängiger Bestandzins: Preisschutz und Anpassungssymmetrie, wobl 2019, 248).
[23] 2.2.2. Riss (in Flume/Riss, Wertsicherungsabreden in Bestandverträgen [Studie im Auftrag des BMSGPK, online abrufbar unter https://www.sozialministerium.at ; abgefragt am 27. 2. 2025] Rz 16 ff) versteht offenbar auch eine Vereinbarung als Staffelmietzins, nach der der Mietzins periodisch um einen im Voraus festgelegten Betrag oder Prozentsatz ansteigt.
[24] 2.2.3. Dieses Begriffsverständnis liegt auch der Revision zugrunde, wobei die Rechtsansicht, ein solcher „Staffelmietzins“ unterliege nicht der Prüfung nach § 6 Abs 1 Z 5 MRG, auf Lehrmeinungen von Prader und Fidler gestützt wird. Nach Prader (MRG6.13 § 16 Anm 2) fallen Staffelmietzinse allerdings nur unter der Voraussetzung nicht unter § 6 Abs 1 Z 5 MRG, dass die gestaffelten Mietzinse bereits im ursprünglichen Vertrag betraglich fixiert werden. Fidler (Umsatzabhängiger Bestandzins: Preisschutz und Anpassungssymmetrie, wobl 2019, 248) behandelt überhaupt den Fall der Kombination eines umsatzabhängigen Bestandzinses mit einem fixen Mindestentgelt. Die genannten Lehrmeinungen stützen die Argumentation der Revision daher nicht, weil die gegenständliche Klausel weder einen betraglich fixierten Staffelmietzins noch ein fixes Mindestentgelt neben einer Umsatzmiete vorsieht.
[25] 2.3. Bei der gegenständlichen Steigerungsrate von 2 % handelt es sich aufgrund der Formulierung, wonach „die Indexierung“ mindestens 2 % beträgt, aber auch der systematischen Stellung des letzten Satzes der Klausel um eine Begrenzung der Wertsicherungsvereinbarung nach unten. Eine individuell ausgehandelte Vereinbarung der Hauptleistung der Mieterin im Sinne eines gestaffelten Mietzinses oder einer „gemischten Entgeltklausel“ liegt damit gerade nicht vor: Vielmehr wurde der Mietzins mit 777,77 EUR und der Hauptmietzins mit monatlich 586,51 EUR festgelegt und damit die Hauptleistungspflicht der Mieterin definiert, ohne dass dabei auf eine Staffelung Bezug genommen würde. Dementsprechend kann dahingestellt bleiben, ob auch eine Klausel, die als Hauptleistung einen jährlich um 2 % steigenden Staffelmietzins normiert, dem Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG unterfallen würde.
[26] 2.4. Entgegen den Ausführungen in der Revision, wonach es sich um eine „gemischte Entgeltklausel“ handle, ist die Vertragsbestimmung nicht argumentativ in zwei „Entgeltkomponente“ (eine fixe im Sinne der Steigerung von 2 % und eine variable im Sinne der Wertsicherung nach dem VPI) aufzuspalten, weil Derartiges von den Vertragsparteien gerade nicht vereinbart wurde.
3. Zur Auslegung der Klausel und zu deren Teilbarkeit:
[27] 3.1. Den folgenden Ausführungen zur Auslegung der Wertsicherungsvereinbarung ist voranzustellen, dass im Individualverfahren der für Verbandsverfahren geltende Grundsatz der kundenfeindlichsten Interpretation nicht gilt (RS0016590 [T32]; siehe insb 4 Ob 4/23a; Vonkilch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 915 ABGB Rz 33; aA Leitner Keine geltungserhaltende Auslegung von AGB auch im Individualverfahren, ecolex 2015, 754; ders, Wirksamkeit von Indexklauseln in Mietverträgen, wobl 2023, 423). Dies steht im Einklang mit Art 5 KlauselRL, wonach mit Ausnahme von Verbandsverfahren bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel die für den Verbraucher günstigste Auslegung gilt.
[28] 3.2. Mit der Klausel wird eine Wertsicherung anhand des VPI 1976 vereinbart, die jährlich durch Vergleich der für September verlautbarten Indexziffer mit der Basis September 2021 zu erfolgen hat; die jeweils für die letzte Bemessung des Mietzinses herangezogene Indexziffer wird daher nicht als neue Basis definiert. Davon ausgehend ist der letzte Satz der Klausel dahin auszulegen, dass damit eine Untergrenze festgelegt werden soll, unter die der aufgrund der Wertsicherungsvereinbarung schwankende Mietzins nicht absinken kann. Demnach wäre aufgrund der Klausel zu prüfen, ob der wertgesicherte Mietzins zum jeweiligen Zeitpunkt über einer Steigerung des ursprünglich vereinbarten Mietzinses von jährlich 2 % liegt, ob also beispielsweise nach 5 Jahren die Indexveränderung gegenüber der Basis September 2021 10 % erreicht oder nicht.
[29] 3.3. Maßgeblich für die Qualifikation einer (Teil‑)Klausel als eigenständig im Sinn des § 6 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks; es können vielmehr auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz (4 Ob 235/22w Rz 40) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Es kommt darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187 [T1]; 8 Ob 108/21x Rz 20 und 4 Ob 207/22b Rz 20 je mit Hinweis auf Geroldinger, Klauselbegriff und „blue pencil test“ in der AGB-Rechtsprechung, ALJ 2/2015, 196 ff). Dabei kommt auch der sprachlichen (Un‑)Selbständigkeit ein gewisses Gewicht zu (RS0121187 [T11]).
[30] 3.4. Nach Ansicht des Senats ist in der Untergrenze ein materiell eigenständiger Regelungsbereich zu erkennen. Die im letzten Satz der Bestimmung enthaltene Mindeststeigerung von 2 % jährlich bezogen auf den Ausgangszeitpunkt September 2021 kann sowohl inhaltlich als auch sprachlich gesondert von der Vereinbarung der Wertsicherung anhand des VPI 1976 laut den ersten beiden Sätzen der Klausel wahrgenommen werden. Gleiches gilt für die im dritten Satz getroffene Vereinbarung über den Ersatzindex, die ebenfalls eine inhaltlich eigenständige Regelung enthält. Sollte der Entscheidung 2 Ob 36/23t (in der eine Klausel aus Wertsicherungsvereinbarung anhand des VPI 1976 und Regelung über den Ersatzindex einheitlich behandelt wurde, ohne auf die Frage der Teilbarkeit einzugehen) insofern Abweichendes zu entnehmen sein (dies ist aus der genannten Entscheidung, einer Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage, nicht eindeutig zu erkennen), ist dieser nicht zu folgen.
4. Prüfung der maßgeblichen Klausel:
[31] 4.1. Ausgehend von der Teilbarkeit der Klausel ist für den gegenständlichen Rechtsstreit lediglich die in den ersten beiden Sätzen des Vertragspunkts enthaltene Vereinbarung der Wertsicherung anhand des VPI 1976 relevant. Die Untergrenze von 2 % wurde bei der fraglichen Mietzinsanhebung nämlich ebenso wenig angewendet wie die Bestimmung über den Ersatzindex.
[32] 4.2. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Entscheidung 2 Ob 36/23t für den gegenständlichen Fall als nicht einschlägig.
[33] 4.3. Dass eine Wertsicherung anhand des Verbraucherpreisindex dem Sachlichkeitsgebot des § 879 Abs 3 ABGB und des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG genügt, entspricht mittlerweile gefestigter höchstgerichtlicher Judikatur (10 Ob 23/24s Rz 19 mwN; 10 Ob 54/24z). Dagegen führt die Klägerin auch keine neuen Argumente ins Treffen.
[34] 4.4. Demnach bleibt zu prüfen, ob die Wertsicherungsklausel gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG (zur Prüfung einer mietvertraglichen Wertsicherungsklausel anhand dieser Bestimmung vgl 2 Ob 36/23t Rz 10, 8 Ob 37/23h Rz 14 und 8 Ob 6/24a Rz 6 ff; zu der an dieser Rechtsprechung geübten Kritik Rassi,Die Wertsicherung des Bestandzinses, Zak 2024/551 mwN zum Meinungsstand) verstößt. Dies ist nicht der Fall, weil nach der getroffenen Vereinbarung eine Wertanpassung erstmals mit Jänner 2022 und damit mehr als zehn Monate nach Vertragsabschluss erfolgen konnte. Dies schließt bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG eine Verletzung der genannten Bestimmung aus. Auf den Beginn des Mietverhältnisses kann es auch nach dem Sinn der Norm nicht ankommen, weil durch diese der Unternehmer lediglich gehalten werden soll, bereits zu Vertragsabschluss absehbare Veränderungen in den nächsten beiden Monaten entweder in die Hauptleistung des Vertrags einzupreisen (und damit einen Preisvergleich zu ermöglichen) oder aber die Möglichkeit einer Anpassung im Einzelnen auszuhandeln (vgl ErläutRV 744 BlgNR 14. GP 26).
[35] 4.5. Damit kann auch keine Rede davon sein, dass die Klausel aufgrund der vor dem Mietbeginn liegenden Ausgangsbasis ungewöhnlich iSd § 864a oder gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB wäre. Vielmehr erweist sich die Regelung, die im Ergebnis Veränderungen des VPI 1976 zwischen dem Vertragsabschluss im Februar 2021 und der Ausgangsbasis September 2021 als irrelevant statuiert, im Vergleich zu einer üblichen, den Vertragsabschluss als Ausgangsbasis wählenden Wertsicherungsvereinbarung als für die Verbraucherin günstiger.
5. Ergebnis:
[36] Im Ergebnis ist die in den ersten beiden Sätzen der Bestimmung enthaltene, für das vorliegende Klagebegehren einzig relevante Vereinbarung der Wertsicherung nach dem VPI 1976 nicht zu beanstanden. Die Erhöhung des Mietzinses durch die Beklagte erfolgte daher zu Recht. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind im Sinne der Abweisung des Rückforderungsbegehrens der Klägerin abzuändern.
[37] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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