European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00049.25A.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und wen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet deshalb – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118125; RS0119414). Da das überwiegende Verschulden nach § 66 EheG dem Alleinverschulden gleichsteht, ist ein Ausspruch des überwiegenden Verschuldens nur gerechtfertigt, wenn das mindere Verschulden des einen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt (RS0057325 [T4]; RS0057821 [T5, T6, T7]). Der Ausspruch, dass die Schuld eines Gatten überwiegt, ist damit nur zulässig, wenn dessen Verschulden erheblich schwerer ist als das des anderen (RS0057057; RS0057251; RS0057858).
[2] 2. Bei der Beurteilung des überwiegenden Verschuldens sind alle Umstände zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen (RS0057303). Es kommt dabei nicht nur auf die Verwerflichkeit der einzelnen Ehewidrigkeiten an, sondern auch darauf, wieweit sie einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (RS0056597; RS0057223; RS0057241). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind auch verjährte und verziehene Eheverfehlungen in die Verschuldensabwägung einzubeziehen, wenn dies der Billigkeit entspricht (RS0043434 [T8]; RS0057247).
[3] 3. Im vorliegenden Fall waren das grundlose Verlassen des Klägers im Herbst 2020 und die Aufnahme einer sexuellen Beziehung zu einem anderen Mann, auch wenn die eheliche Lebensgemeinschaft danach wieder aufgenommen wurde, schon deshalb zu Lasten der Beklagten in die Verschuldensabwägung einzubeziehen, weil es sich um schwerwiegende Eheverfehlungen handelt, die zur Zerrüttung der Ehe beigetragen haben. Der in der Revision relevierten Frage, ob das Berufungsgericht berücksichtigen hätte müssen, dass die unwahren Behauptungen der Beklagten gegenüber dem Frauenhaus, die zu einem Polizeieinsatz in der Wohnung des Klägers führten, auf ihren psychisch labilen Zustand zurückzuführen waren, kommt daher für die Gewichtung des wechselseitigen Verschuldens – auch im Hinblick auf ihre grundlose Eifersucht, ihr aggressives Verhalten und ihre Beschimpfungen – keine entscheidungswesentliche Bedeutung mehr zu. Die Entscheidung des Berufungsgerichts auf das Vorliegen gleichteiligen Verschuldens ist daher nicht korrekturbedürftig.
[4] 4. Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
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