European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00035.25T.0328.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die in Deutschland ansässige Beklagte beauftragte die in Österreich ansässige Klägerin – beide Parteien sind Unternehmer – mit der Lieferung und Errichtung von Windwänden für eine Schirmbar. In der Auftragsbestätigung der Klägerin befand sich auf jeder der fünf Seiten in der kleingedruckten Fußzeile (Fußnote, Brieffuß) inmitten verschiedener Angaben zur Beklagten wie Firma, Adresse, Telefon‑, Umsatzsteueridentifikations‑ und Firmenbuchnummer, Bankverbindung und Webseite auch der Vermerk „Gerichtsstand: Handelsgericht Salzburg“. Die letzte Seite endete im oberen Drittel; hier unterschrieben beide Parteien firmenmäßig. Zudem wurde seitens der Beklagten jede Seite leicht unterhalb der Mitte rechts mit einer Paraphe versehen.
[2] Die Beklagte wandte gegen die auf Zahlung restlichen Entgelts gerichtete, am Landesgericht Salzburg erhobene Klage mangelnde internationale Zuständigkeit ein; gemäß Art 7 EuGVVO 2012 sei aufgrund des vereinbarten Erfüllungsorts ausschließlich das sachlich in Betracht kommende Gericht in Hamburg international zuständig.
[3] Die Vorinstanzen wiesen über diese Einrede die Klage zurück; die Worte „Gerichtsstand: Handelsgericht Salzburg“ in der Fußzeile seien für eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 25 EuGVVO nicht hinreichend.
[4] Die Klägerin zeigt in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine Rechtsfrage von der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.
Rechtliche Beurteilung
[5] Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Art 25 EuGVVO 2012 bzw dessen Vorgängerbestimmungen (Art 17 EuGVÜ und Art 23 EuGVVO) liegt keine Gerichtsstandsvereinbarung vor, wenn sich die Wortfolge „Gerichtsstand: Gericht X.“ nicht im Vertragstext selbst, sondern versteckt, beispielsweise in der kleingedruckten Fußzeile unterhalb des Endes des Vertragstextes befindet (10 Ob 9/11p mwN; RS0115079). Grund hierfür ist der Zweck des Schriftformerfordernisses nach (nunmehr) Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO 2012, den unbemerkten Eingang von Gerichtsstandsklauseln in den Vertrag zu verhindern und im Interesse der Rechtssicherheit die andere Partei vor überraschenden Gerichtsständen zu schützen. In allen Konstellationen muss gewährleistet sein, dass die andere Partei einer Klausel, die von den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften abweicht, tatsächlich zugestimmt hat (vgl 2 Ob 280/05y; RS0113570; RS0114604 [T5, T10]).
[6] Diese Judikatur wurde vom Schrifttum ohne Beanstandung rezipiert (Brenn, Europäischer Zivilprozess [2005] Rz 54; Tiefenthaler/Czernich in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands‑ und Vollstreckungsrecht4 [2015] Art 25 Rz 74; Garber in Czernich/Geimer, Streitbeilegungsklauseln im internationalen Vertragsrecht [2017] 220 [Rz 52]; Simotta in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 V/1 [2022] Art 25 EuGVVO 2012 Rz 127 und 144; Thole in Stein/Jonas‑Kommentar zur Zivilprozessordnung23 XII [2022] Art 25 Rz 64; Wittwer in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts2 [2023] Rz 3.687).
[7] Ausnahmsweise wurde eine Gerichtsstandsvereinbarung in der Fußzeile in einer Konstellation als hinreichend qualifiziert, in der eine mehrjährige Geschäftsbeziehung vorlag und bei vorangegangenen Vertragsabschlüssen mehrfach die Unterfertigung direkt unter dem Hinweis auf den Gerichtsstand in der Fußzeile erfolgt war (2 Ob 280/05y). Ebenso erachtete der Oberste Gerichtshof es als vertretbar (Zurückweisung eines außerordentlichen Revisionsrekurses), eine zwar in einer Fußnote der Auftragsbestätigung enthaltene, aber in deren obersten Zeile stehende, nicht zwischen anderen Informationen über das Unternehmen der Klägerin versteckte und auch nicht wesentlich kleiner geschriebene Gerichtsstandsangabe als wirksam zu werten, wobei die andere Partei zudem in unmittelbarer Nähe unterschrieben hatte (10 Ob 9/11p).
[8] Es ist im vorliegenden Fall, in dem keine ständige Geschäftsbeziehung vorliegt, der Gerichtsstand sich inmitten kleingedruckter gewöhnlicher Angaben zur Klägerin im Brieffuß befindet und die Unterschrift auf der letzten Seite und die Paraphen auf den übrigen Seiten der Auftragsbestätigung nicht in der Nähe des Brieffußes erfolgten, nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen keinen Ausnahmefall annahmen und folglich eine Gerichtsstandsvereinbarung verneinten.
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