European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00025.25X.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Insolvenzrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO iVm § 252 IO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Hebt – wie hier – das Rekursgericht den den Insolvenzantrag abweisenden erstgerichtlichen Beschluss mit dem Auftrag an das Erstgericht, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, auf, so ist dies ein sogenannter unechter Aufhebungsbeschluss, der als solcher nicht der Vorschrift des § 527 Abs 2 ZPO, sondern jener des § 528 ZPO (iVm § 252 IO) unterliegt (8 Ob 82/19w [Pkt 1] mwH). Seine Anfechtbarkeit setzt damit das Vorliegen einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO voraus.
[2] Hat – wie hier – das Rekursgericht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO verneint und deshalb nach § 500 Abs 2 Z 3 (iVm § 526 Abs 3) ZPO die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses ausgesprochen, so sind im außerordentlichen Revisionsrekurs gemäß § 506 Abs 1 Z 5 (iVm § 528 Abs 3 Satz 2) ZPO gesondert die Gründe anzugeben, warum, entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, nach § 528 Abs 1 ZPO die Revision für zulässig erachtet wird („Zulassungsbeschwerde“). Bei der Prüfung der Frage, ob der außerordentliche Revisionsrekurs einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, hat sich der Oberste Gerichtshof auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde angeführt wurden; andere mögliche Rechtsfehler sind, selbst wenn diesen erhebliche Bedeutung zukommen könnte, nicht zu untersuchen (RS0043644 [T3 und T4]).
[3] In der Zulassungsbeschwerde des Antragstellers wird keine Rechtsfrage von der in § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 252 IO) geforderten Qualität aufgezeigt:
[4] Gemäß § 70 Abs 1 IO ist auf Antrag eines Gläubigers das Insolvenzverfahren unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung oder Forderung aus einer Eigenkapital ersetzenden Leistung hat und, dass der Schuldner – der Antragsgegner – zahlungsunfähig ist. Der Schuldner hat die Möglichkeit, durch geeignete Gegenbescheinigungen, die stichhaltige Zweifel an den Insolvenzvoraussetzungen erwecken, die Insolvenzeröffnung abzuwenden (RS0064986 [T7]; eingehend 8 Ob 129/24i [Rz 14 ff]; vgl auch RS0120938: Bescheinigung des Vorliegens der Zahlungsfähigkeit [iSv Gegenbescheinigung der Zahlungsunfähigkeit zu verstehen]).
[5] Zur Bescheinigung bzw Gegenbescheinigung können sich die Parteien gemäß § 274 Abs 1 Satz 1 ZPO (iVm § 252 IO) aller Beweismittel mit Ausnahme der eidlichen Vernehmung der Parteien bedienen. Die Beweisaufnahme muss nur parat iSd § 274 Abs 1 Satz 2 ZPO sein.
[6] Die Frage, ob die Bescheinigung der behaupteten Tatsachen gelungen ist oder nicht, stellt – auch im Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 70 IO (8 Ob 128/18h [Pkt 1.3.]) – das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung dar (RS0040286) und ist daher vom Obersten Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, grundsätzlich nicht überprüfbar (RS0005412 [T2]).
[7] Wenn der Antragsgegner in seiner Zulassungsbeschwerde hier eine höchstgerichtliche Rechtsprechung iSd § 528 Abs 1 ZPO dazu vermisst, welche Anforderungen ein von einem qualifizierten Dritten wie einem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater erstellter Tilgungsplan erfüllen muss, damit dieser seine Zahlungsfähigkeit bescheinigt, so läuft dies auf eine Beweis- bzw Bescheinigungsregel hinaus, die aber mit dem – auch im Bescheinigungsverfahren anwendbaren (6 Ob 506/88 = RS0005293; RS0040297; Spitzer in Spitzer/Wilfinger, Beweisrecht [2020] § 274 ZPO Rz 3) – Grundsatz der freien Beweiswürdigung unvereinbar wäre (vgl Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 [2019] § 272 Rz 1).
[8] Gleiches gilt für die von ihm weiters vermisste höchstgerichtliche Rechtsprechung zu „Anforderungen an Patronatserklärungen im Rahmen des § 70 IO“. Sowohl ob der von ihm vorgelegte, von einem Steuerberater und Universitätsprofessor erstellte „Finanz- und Tilgungsplan“ als auch ob die von ihm weiters vorgelegte, von einem Dritten für ihn abgegebene „Patronatserklärung“ die Zahlungsunfähigkeit gegenbescheinigten, ist eine nur den Tatsacheninstanzen zukommende und folglich vom Obersten Gerichtshof grundsätzlich nicht überprüfbare Frage des Gelingens oder Misslingens der Bescheinigung der Zahlungsunfähigkeit nach § 274 ZPO iVm § 70 IO.
[9] Dass das Rekursgericht entgegen dem für ein Bescheinigungsverfahren herabgesetzten Beweismaß vom Regelbeweismaß der hohen Wahrscheinlichkeit ausging, trifft entgegen der Zulassungsbeschwerde ebenso wenig zu.
[10] Mangels Relevierung einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)