OGH 8Ob135/24x

OGH8Ob135/24x14.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, *, vertreten durch Hon.‑Prof. Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde R*, vertreten durch Mag. Florian Mitterbacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 154.082,86 EUR sA, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 30. Juli 2024, GZ 4 R 87/24g‑88, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 12. März 2024, GZ 50 Cg 50/19d‑83, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00135.24X.0114.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.957,28 EUR (darin 492,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Senat klärte bereits mit der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung 8 Ob 103/20k (= ecolex 2021/641 [S. Ortner] = ZTR 2022, 47 [Saria]), dass der vorliegende gemischte (sogenannte Anlage‑Contracting‑) Vertrag auch in nicht zu vernachlässigendem Ausmaß Elemente eines Finanzierungsleasings und damit Kreditierungsfunktion und zudem erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat und daher nach § 104 K‑AGO der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurft hätte, sodass mangels einer solchen die Klägerin von der beklagten Gemeinde nicht Vertragserfüllung, sondern nur allenfalls – im zweiten Rechtsgang zu klären – Schadenersatz wegen culpa in contrahendo und bereicherungsrechtliche Rückabwicklung verlangen kann.

[2] Das Berufungsgericht kam im zweiten Rechtsgang zum Ergebnis, dass zwar nach Bereicherungsrecht der mit Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch zu Recht besteht, aber die Beklagte ihrerseits einen – compensando eingewendeten – Kondiktionsanspruch in zumindest selber Höhe hat, und wies folglich die Klage ab. Es ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung „zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines wegen Fehlens der aufsichtsbehördlichen Genehmigung unwirksamen, Elemente verschiedener Vertragstypen enthaltenden 'Contracting'Vertrags, der bereits in Vollzug gesetzt war und auf den beide Parteien wechselseitig langjährig Leistungen erbracht hatten“, vor.

Rechtliche Beurteilung

[3] Damit zeigt das Berufungsgericht aber keine erhebliche Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf. Für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung ist die Natur des Vertrags, den es rückabzuwickeln gilt, ohne Bedeutung, weil dieser unwirksam ist. Es kommt einzig auf die Leistungen an, die die Parteien einander erbrachten. Bei über Jahre gelebten, aber unwirksamen Anlage‑Contracting‑Verträgen mag aufgrund der zahlreichen Leistungen die Rückabwicklung komplex sein, sie hat jedoch nach den allgemeinen von der Rechtsprechung anerkannten bereicherungsrechtlichen (und verjährungsrechtlichen) Grundsätzen zu erfolgen. Das Berufungsgericht hat sich bei der Entscheidung des Falls an ebendiesen orientiert. Im Übrigen schließt die Kasuistik des Einzelfalls bereits in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (RS0042405 [T2]).

[4] Auch die von der Klägerin für die Zulässigkeit der Revision weiters ins Treffen geführten Fragen sind nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO:

[5] Dies gilt zunächst für jene, „inwieweit der jeweilige Zweck der aufsichtsbehördlichen Genehmigung das betroffene Rechtsgeschäft unwirksam machen kann und welche Leistungen in einem solchen Fall zulässigerweise zurückgefordert werden können“. Mangels aufsichtsbehördlicher Genehmigung ist der gesamte Contracting‑Vertrag unwirksam. Welche Leistungen zulässigerweise zurückgefordert werden können, kann nur im Einzelfall geklärt werden.

[6] Dass es, wie von der Revisionswerberin für die Zulässigkeit der Revision weiters ins Treffen geführt, zu den Grenzen des Rückforderungsanspruchs der Vertragsparteien keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gebe, ist nicht nachvollziehbar, weil ebendies Gegenstand des gesamten Bereicherungs‑ und Verjährungsrechts ist.

[7] Eine Scheinbegründung für die Zulässigkeit der Revision stellt auch dar, es sei zu klären, welche Voraussetzungen an das Vorbringen und die Schlüssigkeit von Gegenforderungen allgemein zu stellen sind. Nicht nur die Frage der Schlüssigkeit einer Klage, sondern auch die Frage der Schlüssigkeit einer Gegenforderung – somit ob sich diese aus dem von der beklagten Partei behaupteten Sachverhalt ergibt – kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden und begründet damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (idS 6 Ob 39/18f [Pkt 1 mwH]). Dass die prozessuale Aufrechnungseinrede die Geltendmachung einer aufrechenbaren, aber noch nicht aufgerechneten Gegenforderung, mit der erst im Urteil aufgerechnet werden soll, zum Gegenstand hat und von einer aufrechenbaren Gegenforderung nicht gesprochen werden kann, wenn diese nicht einmal ziffernmäßig angegeben wurde, ist entgegen der Ansicht der Revisionswerberin bereits höchstgerichtlich geklärt (RS0040779). Die Beklagte hat hiergegen auch nicht verstoßen.

[8] Die Zulässigkeit der Revision lässt sich ebensowenig damit begründen, dass die ständige Rechtsprechung, wonach wegen der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung die Kompensation selbst dann noch zulässig ist, wenn die Forderung des Aufrechnenden im Zeitpunkt seiner Aufrechnungserklärung bereits verjährt gewesen wäre (insb RS0034016 [T4]), von einem Teil der Literatur abgelehnt wird. In der Literatur an einer höchstgerichtlichen ständigen Rechtsprechung geäußerte Kritik stellt für sich keinen in § 502 Abs 1 ZPO genannten Grund für die Zulassung einer Revision dar. Wenn die Klägerin weiters damit argumentiert, es wäre die Wirkung von bereits wirksam ausgeübten Gestaltungsrechten auf die Rückabwicklung des vorliegenden Vertrags zu klären, übergeht sie, dass mangels wirksamen Vertrags hier Gestaltungsrechte nicht wirksam ausgeübt wurden. Dass ein Vertrag trotz seiner Unwirksamkeit Grundlage dafür biete, wirksam Gestaltungsrechte auszuüben, ist auch der von der Klägerin angeführten Literaturstelle nicht zu entnehmen.

[9] Die behauptete Abweichung des Berufungsgerichts von den erstgerichtlichen Feststellungen liegt nicht vor. Dass der Geschäftsführer der Klägerin „wusste […], dass unter Umständen eine aufsichtsbehördliche Genehmigung des Contracting‑Vertrags erforderlich ist“, hat bereits das Erstgericht festgestellt; die Hervorhebung dieser Konstatierung durch das Berufungsgericht im Rahmen von dessen Sachverhaltsdarstellung ändert daran nichts.

[10] Wenn die Klägerin letztlich mit einer angeblichen – tatsächlich im Übrigen aber gar nicht vorliegenden – Abweichung des Berufungsurteils von einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu argumentieren versucht, warum eine „Einwendung der Unwirksamkeit“ [scilicet: des Vertrags] scheitere, so ist sie darauf hinzuweisen, dass die Unwirksamkeit des Vertrags seit der Entscheidung des Senats im ersten Rechtsgang ein abschließend erledigter Streitpunkt ist.

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]).

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