European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00059.76.1202.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.208,— S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen 960,— S, Umsatzsteuer 388,— S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger besitzt seit 22. Dezember 1967 einen Gewerbeschein für das freie Gewerbe der Erdbewegungsarbeiten, Zur Polizzen‑Nummer * schloß er mit der Beklagten für die Dauer von 10 Jahren, beginnend ab 29. April 1971, eine Betriebshaftpflichtversicherung mit dem versicherten Risiko „Erdbewegungsunternehmung“ ab. Am 14. September 1971 verunglückte der beim Kläger als Aushilfsarbeiter beschäftigte I* R* bei der Innenreinigung eines 27.000 l fassenden Heizöltanks. Wegen dieses Unfalles wurde der Kläger mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28. Jänner 1972, GZ 14 E Vr 2668/71‑8 rechtskräftig des Vergehens nach dem § 335 StG verurteilt, weil er den Vorgenannten ohne Atemschutzgerät und ohne Anseilen den Heizöltank reinigen ließ. Am 11. Feber 1974 machte die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Salzburg, bei der der Verunglückte sozialversichert war, gegen den Kläger eine Regreßforderung nach § 334 ASVG in der Höhe von 179.680,16 S geltend und verwies darauf, daß sie noch weitere, erst fällig werdende Ansprüche zu erheben beabsichtige. Der Kläger wandte sich hierauf an die Beklagte, die jedoch mit Schreiben vom 19. Juni 1974, Beilage ./D, folgenden Inhaltes die Gewährung des Versicherungsschutzes ablehnte:
„In Beantwortung Ihres Schreibens vom 8. Mai 1974 teilen wir Ihnen höflich mit, daß die Fa. K* G* zum Unfallszeitpunkt bei unserer Anstalt für den Betrieb „Erdbewegungsunternehmen“ eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hatte. Wie wir dem uns nunmehr vorliegenden Gendarmerieprotokoll jedoch entnehmen können, wollte Herr G* den Tank, in dem R* I* verunglückte, privat und nicht im Rahmen seines Unternehmens verwenden. Wir sind der Ansicht, daß aus dem Risiko des Betriebes eines Erdbewegungsunternehmens für diesen Arbeitsunfall kein Versicherungsschutz besteht und haben wir uns daher mit den von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt gestellten Regreßforderungen nicht zu befassen.
Gemäß § 12 Versicherungsvertragsgesetz sind wir verpflichtet, ausdrücklich auf den Artikel 13 der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung hinzuweisen, wonach der behauptete Anspruch auf Versicherungsschutz erlischt, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten beim zuständigen Gericht geltend gemacht wird.
Die Frist beginnt mit dem Tage zu laufen, der der Zustellung dieses Schreibens folgt. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Klage nicht mehr möglich.
Nur der Ordnung halber möchten wir höflich darauf hinweisen, daß Direktansprüche der Witwe und der Kinder nach § 333 ASVG ausgeschlossen sind. Die Regreßansprüche der Sozialversicherung jedoch sind nach § 334 ASVG vom Nachweis einer groben Fahrlässigkeit, die nach den Ergebnissen des Strafverfahrens wohl kaum vorliegen dürfte, abhängig.“
Mit seiner beim Erstgericht am 29. August 1974 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß ihm die Beklagte auf Grund des mit ihr abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages für alle Schäden aus dem vorgenannten Arbeitsunfall bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme deckungspflichtig sei. Der Öltank sei ein Betriebstank gewesen, der nicht nur den dem Erdbewegungsunternehmen gewidmeten Gebäuden für deren Beheizung, sondern auch zur Lagerung von 22.000 l Dieselöl in der betriebseigenen Tankstelle dienen sollte. Die Reinigung dieses Tanks sei daher unter das versicherte Risiko gefallen. Die Beklagte bestreitet das Klagsvorbringen, beantragt Klagsabweisung und behauptet, der Heizöltank sei für das Privathaus des Klägers bestimmt gewesen, bei dessen Errichtung der Verunglückte I* R* als Aushilfsarbeiter tätig gewesen sei. Der Unfall habe sich daher nicht im Betrieb des Klägers ereignet. Außerdem liege der Haftungsausschluß nach Art 5 III Abs 1 lit a der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963) vor. Schließlich sei der Anspruch auch verjährt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf noch folgende Feststellungen:
Am 31. März 1971 suchte der Kläger um die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Neubaues und eines Garagenbaues mit Wohnungen auf den Grundstücken Nr. */1 und */2 der KG * an. Nach der Baubeschneibung waren in dem zu errichtenden Haus folgende wesentliche Räume vorgesehen: Im Kellergeschoß ein Heizraum, ein Raum für den Öltank und zwei große Lagerräume; im Erdgeschoß ein Büro, ein Waschraum mit WC., ein Lagerraum, ein Aufenthaltsraum und zwei Abstellräume für diverse Fahrzeuge; im ersten Stock drei Wohnungen und vier Garconnieren. Für das in der Folge in geänderter Form errichtete Haus wurde bisher weder eine Bauplatzerklärung noch eine Baubewilligung erteilt. Die Bezirkshauptmannschaft * erteilte jedoch dem Kläger am 18. März 1971 die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung einer Garage mit einer Reparaturwerkstätte. Der Kläger hatte die Absicht, den vorgenannten Tank zur Lagerung von Heizöl für seinen Neubau zu verwenden und einzubauen. Er brachte daher den Tank zu seiner Baustelle und ließ ihn dort mit geöffneten Luken längere Zeit stehen. Am 14. September 1971 beauftragte er den erst seit dem Vortag bei ihm beschäftigen jugoslawischen Fremdarbeiter I* R*, den Öltank innen mit einer Spachtel von Ölrückständen zu reinigen. Der Kläger sah diese Arbeit nicht als gefährlich an und vermutete auch nicht, daß dabei etwas passieren könnte. I* R* wurde bei den Arbeiten weder durch Anlegen eines Sicherheitsseiles noch durch Überwachung seitens einer zweiten Person abgesichert. Durch das Einatmen von Kohlendioxyd und flüchtiger Kohlenwasserstoffe starb I* R* bei den Reinigungsarbeiten. Erst am nächsten Tag meldete ihn der Kläger bei der Gebietskrankenkasse als Dienstnehmer an. Obwohl der Kläger bisher weder um die Bewilligung zum Betrieb einer eigenen Dieseltreibstofftankstelle noch um eine Ölfeuerungsanlage angesucht hatte, wurde der Tank von ihm in das errichtete Haus eingebaut und steht seit Jänner 1975 als Heizöltank in Verwendung. Zur Lagerung von Dieseltreibstoffen ist der Tank nach seiner Bauart nicht geeignet. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß der Klagsanspruch wohl nicht verjährt sei, jedoch falle das Schadensereignis nicht unter das versicherte Risiko. Darüber hinaus liege auch der Haftungsausschluß nach Art 5 III 1 lit a AHVB vor, weil der Kläger grob fahrlässig Bestimmungen der Dienstnehmerschutzverordnung übertreten habe.
Das Berufungsgericht entschied über Berufung des Klägers im Sinne des Klagebegehrens und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes l.000,— S übersteigt. Es war der Ansicht, der tödlich verunglückte I* R* habe im Unternehmen des Klägers eine Betriebstätigkeit ausgeübt. Mit dem Heizöltank, dessen Reinigung I* R* besorgt habe, sollten nämlich nicht nur die Wohnung des Klägers, sondern auch die im gleichen Hause gelegenen Betriebsräumlichkeiten seines Unternehmens beheizt werden. Der Verunglückte habe daher eine den Betriebsinteressen des Unternehmens des Klägers dienende Tätigkeit verrichtet. Die gegen den Kläger aus dem vorgenannten Arbeitsunfall erhobenen Regreßansprüche seien danach dem versicherten Risiko zuzuordnen. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf den Haftungsausschluß nach Art 5 III Z 1 lit a AHVB, der ein bewußtes Inkaufnehmen des Schadenseintrittes (dolus eventualis) voraussetze. Eine vorsätzliche Handlungsweise scheide aber schon deshalb aus, weil der Kläger nicht damit gerechnet habe, daß beim Reinigen des Öltankes irgendetwas passieren könnte. Ein bewußtes Zuwiderhandeln des Klägers gegen gesetzliche oder behördliche Vorschriften (Art 2 II Abs 4 AHVB bzw. Punkt 3 Abs 5 EHVB) habe hingegen die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Ob dieser Haftungsausschlußgrund vorliege, brauche daher nicht untersucht zu werden. Das Klagebegehren erweise sich somit als berechtigt.
Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO und beantragt sinngemäß die Wiederherstellung des Ersturteiles oder, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Als aktenwidrig rügt die Revisionswerberin die Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß sie ein bewußtes Zuwiderhandeln des Klägers gegen gesetzliche oder behördliche Vorschriften im Verfahren erster Instanz nicht behauptet habe. In der Verhandlungstagsatzung am 21. Oktober 1975 (ON 21) habe sie nämlich vorgebracht, daß der Neubau des Klägers bisher weder baubehördlich noch gewerbebehördlich genehmigt worden sei und der Öltank den Bestimmungen der Ö-Norm nicht entspreche. Damit habe sie aber ein bewußtes Zuwiderhandeln des Klägers gegen Bau-und Gewerbevorschriften bzw. die Ö-Normen behauptet.
Die Revisionswerberin läßt jedoch völlig außer Acht, daß ihr Vorbringen nur eine Erwiderung auf die Behauptung des Klägers darstellte, der Einbau des Heizkessels in seinen Neubau sei bereits im Unfallszeitpunkt geplant gewesen. Dieses Vorbringen diente daher nur zur Untermauerung des Prozeßstandpunktes der Revisionswerberin, daß das Schadensereignis nicht unter das versicherte Risiko falle und der Einbau des Öltankes in den Neubau vom Kläger gar nicht beabsichtigt gewesen sei, dem hiefür auch eine baubehördliche Bewilligung nicht erteilt worden wäre. Ein Prozeßvorbringen, wonach der Kläger das Schadensereignis durch bewußtes Zuwiderhandeln gegen gesetzliche oder behördliche Vorschriften herbeigeführt hätte (wie dies Art 2 II Abs 4 AHVB bzw. Punkt 3 Abs 5 EHVB voraussetzt), wurde hingegen von der Revisionswerberin im Verfahren erster Instanz nicht erstattet. Mit Recht hob daher das Berufungsgericht hervor, daß das nunmehrige Vorbringen der Revisionswerberin eine unzulässige Neuerung darstelle. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt somit nicht vor.
Damit erweist sich aber auch die von der Revisionswerberin erhobene Mängelrüge als nicht berechtigt, weil für das Berufungsgericht keine Veranlassung bestand, einen gar nicht geltend gemachten Haftungsausschließungsgrund zu erörtern.
In ihrer Rechtsrüge beharrt die Revisionswerberin auf ihrem bereits vor dem Erstgericht vertretenen Standpunkt, daß das Schadensereignis nicht unter das versicherte Risiko falle, weil die von I* R* ausgeübte Tätigkeit in keinem Zusammenhang mit dem Erdbewegungsunternehmen des Klägers gestanden sei.
Auch diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Sinn und Zweck einer Betriebshaftpflichtversicherung ist es, alle Haftpflichtgefahren, die dem Versicherten oder mitversicherten Betriebsangehörigen aus dem betreffenden Betrieb erwachsen können, unter Versicherungsschutz zu stellen. Das Betriebshaftpflichtrisiko ist daher nicht nur auf typische Betriebsgefahren beschränkt, sondern umfaßt im Hinblick auf die Vielfalt der mit einem Betrieb verbundenen Haftpflichtgefahren alle Tätigkeiten, die mit diesem Betrieb in einem inneren ursächlichen Zusammenhang stehen (Bruck-Möller-Johannsen, Komm. zum Versicherungsvertragsgesetz8 IV S 350, VersR 1961/121 und 399). Demnach fallen unter das Haftpflichtrisiko eines Erdbewegungsunternehmens, wie das Berufungsgericht richtig hervorhebt, alle den Betriebsinteressen dienenden Tätigkeiten der Versicherten oder der mitversicherten Arbeiter. Nach den Feststellungen der Unterinstanzen beabsichtigte der Kläger, den von ihm erworbenen Öltank zur Lagerung von Heizöl für seinen Neubau zu verwenden und einzubauen. In dem Neubau befinden sich aber nicht nur die Wohnung des Klägers, sondern auch die Büroräumlichkeiten seines Erdbewegungsunternehmens. Der Heizöltank sollte daher auch zur Beheizung der Betriebsräumlichkeiten des klägerischen Unternehmens verwendet werden. Wenn der Kläger daher dem bei ihm beschäftigten I* R* den Auftrag zur Reinigung des Öltankes erteilte, stand dessen Tätigkeit in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit dem Erdbewegungsunternehmen des Klägers. Richtig ist allerdings, daß die von I* R* entfaltete Tätigkeit teilweise auch privaten Interessen des Klägers (Beheizung seiner Privatwohnung) diente. Dies ist aber mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Vereinbarung für den Versicherungsschutz der Betriebshaftpflichtversicherung ohne Bedeutung, wenn – so wie hier – eine einheitliche (untrennbare) Tätigkeit sowohl betrieblichen wie auch privaten Interessen des Versicherten dient. Nur wenn zwei verschiedene, jedoch zusammenhängende Tätigkeiten vorliegen sollten, von denen die eine versichert, die andere aber nicht versichert ist, wäre allenfalls darauf abzustellen, ob eine der Tätigkeiten von so untergeordneter Bedeutung ist, daß sie gegenüber der anderen zurücktreten muß (Bruck-Möller-Johannsen IV S. 346). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Reinigung des Öltankes unter das versicherte Risiko der Betriebshaftpflichtversicherung des Klägers falle, ist somit frei von Rechtsirrtum.
Ob der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, kann dahingestellt bleiben, weil die Bestimmung des § 61 VersVG, wie das Berufungsgericht richtig hervorhebt, im Bereich der Haftpflichtversicherung nicht anwendbar ist. Der Haftpflichtversicherer ist daher nur dann leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Schadensfall vorsätzlich herbeiführte (§ 152 VersVG). Eine vorsätzliche Handlungsweise scheidet aber nun schon deshalb aus, weil der Kläger nach den Feststellungen der Unterinstanzen die dem I* R* aufgetragene Arbeit als nicht gefährlich betrachtete und daher auch nicht glaubte, daß dabei etwas passieren könnte (S. 58 und 151). Auch der von der Revisionswerberin in Anspruch genommene Haftungsausschluß nach Art 5 III Z 1 lit a AHVB kann nur vorsätzlich verwirklicht werden (VersR 1976/54). Der Haftungsausschluß nach Punkt 3 Abs 5, der auf Erdbewegungsunternehmen (Baggereien) anzuwendenden EHVB wurde hingegen von der Revisionswerberin im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht. Die Ausführungen der Revisionswerberin zu diesem Haftungsausschluß stellen daher eine unzulässige Neuerung dar, die im Revisionsverfahren keine Beachtung mehr finden kann (§ 504 Abs 3 ZPO).
Der Revision der Beklagten war somit nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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