OGH 7Ob53/76

OGH7Ob53/7613.1.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kuderna und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* S*, Pensionist, *, vertreten durch Dr. Kurt Schlosser, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Thaya, wider die beklagte Partei *, Versicherungs-Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Otto Hellwich, Rechtsanwalt in Wien, wegen 52.000,-- S samt Nebengebühren, infolge der Revisionen beider Parteien und des Rekurses der klagenden Partei gegen das Teilurteil bzw. den Aufhebungsbeschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Mai 1976, GZ 6 R 82/76‑25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 23. Dezember 1975, GZ 21 Cg 927/73‑20, teils abgeändert, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

 

1.) zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0070OB00053.76.0113.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird dem Endurteil vorbehalten.

 

2.) den

B e s c h 1 u ß

gefaßt :

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Rekurskosten sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war im September 1972 Eigentümer des bei der Beklagten kaskoversicherten PKWs Opel Commodore A, KZ. *. Am 22. 9. 1972 verschuldete der Sohn des Klägers, N* S*, einen Verkehrsunfall, bei dem an diesem Fahrzeug ein Totalschaden eintrat. Mit Schreiben vom 14. 6. 1973 lehnte die Beklagte die Gewährung des Versicherungsschutzes ab. Schon früher, nämlich am 18. 8. 1972, hatte ein anderer Sohn des Klägers, R* S*, mit dem PKW ebenfalls einen Verkehrsunfall.

Mit seiner beim Erstgericht am 12. 11. 1973 eingebrachten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Zahlung von 52.000,-- S samt Anhang. Der Zeitwert seines PKWs im Unfallszeitpunkte (22. 9. 1972) habe 56.000,-- S betragen, während dessen Wrackwert mit 4.000,-- S festgestellt worden sei. Der vom Kläger durch den Unfall erlittene Schaden sei zwischen den Streitteilen einvernehmlich festgestellt worden. Eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles könne dem Kläger nicht angelastet werden. Die Beklagte nehme daher zu Unrecht Leistungsfreiheit in Anspruch. In der Verhandlungstagsatzung am 5. 3. 1975 (ON 14) stützte der Kläger sein Klagebegehren auch auf das Schadensereignis vom 18. 8. 1972 (Verkehrsunfall). Die Beklagte erblickte darin eine Klagsänderung und sprach sich gegen deren Zulassung aus. Im übrigen beantragt die Beklagte Klagsabweisung und bestreitet die Fälligkeit des Klagsanspruches, weil das Schadensfeststellungsverfahren im Sinne des Art. 16 AKIB noch nicht durchgeführt worden sei. Der Unfall sei außerdem durch die bei dem Vorunfall vom 18. 8. 1972 am PKW aufgetretenen Schäden verursacht worden, deren Behebung der Kläger grob fahrlässig unterlassen habe. Der Kläger hätte auch den Wagen nicht unüberwacht seinem Sohn R* S* überlassen dürfen, der an diesem Fahrzeug bereits durch einen am 30. 3. 1972 verschuldeten Unfall Schaden verursacht habe. Der Schaden aus dem Vorunfall vom 18. 8. 1972 sei hingegen vom Kläger verspätet geltend gemacht worden. Dies stelle einen Verstoß gegen die ihn treffende Sorgfaltspflicht dar, der die Beklagte von ihrer Deckungspflicht befreie.

Das Erstgericht ließ die durch die Klagsausdehnung erfolgte Klagsänderung zu und entschied im Sinne des Klagebegehrens. Nach seinen Feststellungen diente der versicherte PKW als Firmenfahrzeug des Unternehmens des Klägers. Ungefähr ein Jahr vor dem Versicherungsfall (Unfall vom 22. 9. 1972) setzte der Kläger seinen Sohn R* in seinem Unternehmen als Betriebsleiter ein, der sich seither auch um den Wagenpark zu kümmern hatte. Bis zu einem am 10. 5. 1972 erlittenen Unfall führ der Kläger selbst mit dem vorgenannten PKW und kümmerte sich auch in eigener Person um das Fahrzeug. Im Hinblick auf einen bei dem Unfall am 10. 5. 1972 erlittenen Oberschenkelbruch ist der Kläger nicht mehr arbeitsfähig. Seither kümmert er sich daher nicht mehr um das versicherte Fahrzeug, für dessen Wartung nunmehr auch sein Sohn R* S* zu sorgen hat. An seinem Unternehmen nahm der Kläger noch insoweit Anteil, als er auf Ersuchen seiner Gattin und seines Sohnes R* Ratschläge erteilte. Der Verkehrsunfall vom 18. 8. 1972 wurde von R* S* verursacht. Die hierüber erstattete Schadensmeldung an die Beklagte vom 18. 8. 1972 (Beilage ./5) wurde sowohl vom Kläger als auch von seinem Sohn R* S* unterfertigt. Der Aufwand für die Schadensbehebung wird in der Schadensmeldung mit schätzungsweise 10.000,-- S bis 15.000,-- S angegeben. Einige Tage nach dem Unfall vom 18. 8. 1972 brachte R* S* das beschädigte Fahrzeug in die Reparaturwerkstätte E*. Er erteilte dort den Auftrag, vier mitgebrachte Reifen zu montieren, Lackschäden auszubessern und den Wagen nach weiteren Schäden zu untersuchen, weil er über einen Stein gefahren sein müsse. In der Werkstätte wurde der PKW auf der Hebebühne untersucht. Dabei wurde festgestellt, daß der Achskörper an der rechten Seite etwas eingedrückt war und auch der rechte Rahmenlängsträger Eindruckstellen aufwies. Eine optische Vermessung des Wagens wurde nicht vorgenommen. In der Annahme, daß die festgestellten Schäden die Fahrsicherheit des Fahrzeuges nicht beeinflussen würden, unternahm der Werkstätteninhaber zunächst nichts weiteres, vereinbarte aber mit R* S* bei Abholung des beschädigten Fahrzeuges, daß dieser es in der folgenden Woche zur Vornahme einer optischen Vermessung und zur Behebung der Karosserieschäden wieder in die Werkstätte bringen werde. R* S* erschien jedoch nicht mehr mit dem PKW in der Werkstätte. Er nahm auch an dem Fahrverhalten des Wagens nichts auffälliges wahr. Bis zum Unfall überzeugte er sich auch nicht vom Zustand der nach dem ersten Unfall (18. 8. 1972) montierten neuen Reifen. Bei einer Überprüfung wäre ihm der im Unfallszeitpunkt (22. 9. 1972) bestehende schadhafte Reifenzustand aufgefallen, weil die beiden Vorderreifen an der Innenseite übermäßig abgefahren waren, so daß sie überhaupt kein Profil mehr aufwiesen. Am 22. 9. 1972 fuhr R* S* mit dem sonst von seinem Bruder N* S* verwendeten Fahrzeug. Dieser lenkte daher am Unfallstag das eingangs erwähnte Fahrzeug. Um 19 Uhr trat er die Fahrt an, ohne sich vorher des einwandfreien Zustandes der Reifen vergewissert zu haben. Bei rascher Fahrt durch eine Linkskurve geriet er über das weiche rechte Straßenbankett und nach Gegensteuern über die linke Straßenböschung. Durch den schadhaften Reifenzustand wurde das Abtriften des PKWs in der Linkskurve (mit-)verursacht. Die nach dem Unfall vom 18. 8. 1972 nicht behobene Stauchung des Rahmenlängsträgers und die Achskörperdeformation führten zu Fehlern in der Seitenführung des PKWs. N* S* wurde wegen des Unfalles vom 22. 9. 1972 mit Urteil des Bezirksgerichtes Litschau vom 19. 4. 1973, GZ U 448/72‑5, wegen Vergehens (richtig wohl der Übertretung) nach § 335 StG verurteilt. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Höhe des Schadens des Klägers außer Streit stehe, weil die Beklagte auch im Beweissicherungsverfahren davon ausgegangen sei, daß der an dem vorgenannten PKW des Klägers entstandene Schaden 52.000,-- S betrage. Die Söhne des Klägers R* und N* S* hätten wohl den Schadensfall vom 22. 9. 1972 grob fahrlässig herbeigeführt. Der Kläger habe aber der Beklagten gegenüber das grob fahrlässige Verhalten seiner Söhne nicht zu verantworten. Diese habe daher dem Kläger in beiden Schadensfällen Versicherungsschutz zu gewähren. Auch das Leistungsbegehren sei berechtigt, weil der Schaden in der Höhe von 52.000,-- S außer Streit stehe.

Das Berufungsgericht stellte mit Teilurteil fest, daß die Beklagte im Rahmen des bestehenden Kaskoversicherungsvertrages dem Kläger aus dem Versicherungsfall vom 22. 9. 1972 bis zum Betrag von 52.000,-- S Versicherungsschutz zu gewähren habe, wobei dieser Betrag auch die Obergrenze für die Leistungen der Beklagten aus den beiden Versicherungsfällen vom 18. 8. und 22. 9. 1972 darstelle und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren, nämlich das Leistungsbegehren nach Zahlung von 52.000,-- S samt Anhang ab. Im Umfange der Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsfall vom 18. 8. 1972 hob das Berufungsgericht das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Es war entgegen der Meinung des Erstgerichtes der Auffassung, daß eine Außerstreitstellung der Höhe des Schadens des Klägers nicht erfolgt sei. Im übrigen wäre selbst eine Vereinbarung der Streitteile über die Schadenshöhe ohne Bedeutung, weil der Kläger seit der Klagsausdehnung (siehe ON 14) Ansprüche aus zwei verschiedenen Versicherungsfällen geltend mache, die selbständig zu beurteilen seien. Da bisher das Schadensfeststellungsverfahren nach Art. 16 AKIB noch nicht durchgeführt worden sei, sei der vom Kläger erhobene Leistungsanspruch nicht fällig. Im Hinblick auf die seitens der Beklagten erfolgte Ablehnung ihrer Deckungspflicht sei allerdings der Kläger berechtigt, ein Begehren nach Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten zu stellen, was gegenüber dem Leistungsbegehren ein Minus darstelle. Es könne daher dem Leistungsbegehren mangels seiner Fälligkeit in Form eines Feststellungsbegehrens stattgegeben werden, das allerdings betragsmäßig zu beschränken sei, weil eine bestimmte Geldsumme begehrt werde. Die Beurteilung der Deckungspflicht der Beklagten erfordere eine getrennte Betrachtung der beiden geltend gemachten Schadensfälle. Eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles vom 22. 9. 1972 könne dem Kläger schon deshalb nicht angelastet werden, weil er seit seinem am 10. 5. 1972 erlittenen Unfall die Betreuung des fraglichen Fahrzeuges dem zum Betriebsleiter seines Unternehmens bestellten Sohn R* S* überantwortet gehabt habe. Die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 61 VersVG setze aber eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer voraus. Hinreichende Tatsachen, aus welchen auf eine grob fahrlässige Fahrzeugüberlassung an R* S* geschlossen werden könnte, seien von der Beklagten nicht behauptet worden. Der bloße Umstand, daß R* S* im Jahre 1972 mit dem Fahrzeug zwei Unfälle erlitten habe, reiche hiefür nicht aus. Die Deckungspflicht der Beklagten für den Schadensfall vom 22. 9. 1972 sei daher zu bejahen. Ob die von der Beklagten in Anspruch genommene Leistungsfreiheit auch für den Schadensfall vom 18. 8. 1972 zu verneinen sei, könne hingegen noch nicht abschließend beurteilt werden, weil nicht feststehe, ob die Beklagte auch die Deckung der Schäden aus diesem Versicherungsfall in einer dem § 12 Abs. 3 VersVG entsprechenden Weise abgelehnt habe. In diesem Umfange erweise sich somit die Rechtssache als nicht spruchreif.

Der Kläger bekämpft das Teilurteil des Berufungsgerichtes im Umfange der Abweisung seines Leistungsbegehrens mit Revision aus dem Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO und beantragt, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes bekämpft hingegen der Kläger mit Rekurs und beantragt ebenfalls „die Wiederherstellung des Ersturteiles.“

Auch die Beklagte bekämpft das Teilurteil des Berufungsgerichtes in seinem Feststellungsausspruch mit Revision aus dem Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO und beantragt, es im bekämpften Umfang aufzuheben bzw. nur dessen abweisenden Ausspruch aufrecht zu erhalten. Im übrigen beantragt die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind nicht berechtigt.

A) Revision des Klägers:

Der Kläger führt die beiden von ihm in einem Schriftsatz erhobenen Rechtsmittel (Revision und Rekurs) nicht getrennt aus. Dies schadet jedoch nicht, weil sich aus seinen Rechtsmittelausführungen ergibt, daß er einerseits die vom Berufungsgericht verneinte Fälligkeit seines Leistungsanspruches bekämpft und andererseits die Rechtssache auch hinsichtlich des von ihm geltend gemachten Schadensfalles vom 18. 8. 1972 bereits für eine Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens für spruchreif erachtet (1 Ob 318/75, 7 Ob 544/76).

In seiner Rechtsrüge vertritt der Kläger die Ansicht, daß die Höhe des ihm durch die beiden Schadensereignisse erwachsenen Schadens außer Streit stehe. Die Beklagte habe nämlich im Beweissicherungsverfahren vor dem Bezirksgericht Horn (GZ 2 Nc 14/73) den Zeitwert seines PKWs mit 56.000,-- S und dessen Wrackwert mit 4.000,-- S beziffert. Diesen von der Beklagten selbst angegebenen Schadensbetrag habe er seiner Klage zugrundegelegt. Die Schadenshöhe sei daher nicht strittig gewesen, weshalb auch nicht der geringste Anlaß zur Durchführung eines Schadensfeststellungsverfahrens gemäß Art. 16 AKIB bestanden habe.

Den Ausführungen des Klägers kann nicht gefolgt werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, tritt die Fälligkeit des Leistungsanspruches aus der Kaskoversicherung erst dann ein, wenn die Schadenshöhe außer Streit steht oder das im § 16 AKIB vorgesehene Sachverständigenverfahren abgeschlossen bzw. endgültig gescheitert ist (SZ 38/138, 41/104, VersR 1970/94 uam). Eine als gerichtliches Geständnis zu betrachtende Außerstreitstellung setzt aber voraus, daß eine Partei Prozeßbehauptungen ihres Gegners als richtig zugesteht (Fasching III S. 245). Dies hat zur Folge, daß derartige zugestandene Tatsachen nicht mehr beweisbedürftig sind (SZ 43/90, JBl 1948/163). Die Beklage hat jedoch den Klagsanspruch ausdrücklich der Höhe nach bestritten (S. 10). Ihr im Beweissicherungsverfahren erstattetes Vorbringen zur Schadenshöhe des Klägers kann schon deshalb nicht als Außerstreitstellung betrachtet werden, weil es in einem anderen Verfahren erfolgte, für das außerdem die Schadenshöhe ohne Bedeutung war. Schließlich kann das gerichtliche Geständnis nach österreichischem Recht widerrufen werden. Dies kann auch dadurch erfolgen, daß die Partei Tatsachen vorbringt, die mit den zugestandenen Tatsachen in einem unlösbaren Widerspruch stehen (Fasching III S. 247, vgl auch JBl 1961/429). In dem vorerwähnten Vorbringen der Beklagten im Beweissicherungsverfahren, zu dem eine Stellungnahme des Klägers überhaupt nicht erfolgte, kann auch eine Vereinbarung der Streitteile über die Höhe des Klagsanspruches nicht erblickt werden. Mit Recht verneinte daher das Berufungsgericht die Fälligkeit des vom Kläger geltend gemachten Leistungsanspruches. Dem Kläger ist allerdings im Hinblick auf die von der Beklagten behauptete Leistungsfreiheit (hinsichtlich beider Schadensfälle) ein rechtliches Interesse an der Erhebung eines Feststellungsbegehrens zuzubilligen (Prölß-Martin VersVG20 S. 359 f, SZ 34/171, 41/104, JBl 1970/380 uam).

Der Revision des Klägers war somit nicht Folge zu geben.

B) Revision der Beklagten:

Die Beklagte ist zunächst der Ansicht, daß die Fällung des bekämpften Teilurteiles unzulässig gewesen sei. Es erledige nämlich nicht einen Teil des Rechtsstreites zur Gänze, sondern begrenze den festgestellten Deckungsanspruch des Klägers aus dem Schadensereignis vom 22. 9. 1972 mit 52.000,-- S auch für den Schadensfall vom 18. 8. 1972, obwohl derzeit noch ungewiß sei, ob die Beklagte für diesen überhaupt deckungspflichtig sei.

Mit ihren die Zulässigkeit der Fällung eines Teilurteiles verneinenden Ausführungen bekämpft die Revisionswerberin nicht die rechtliche Beurteilung, sondern rügt einen dem Berufungsgericht unterlaufenen Verfahrensverstoß. Ein derartiger Verstoß eines Gerichtes gegen die prozessualen Vorschriften über die Zulässigkeit eines Teilurteiles (§§ 391, 392/2 ZPO) kann im Gegensatz zur Ermessensentscheidung des Gerichtes über die Zweckmäßigkeit der Erlassung eines Teilurteiles von den Parteien bekämpft werden (Fasching III S. 570, SZ 42/162, RZ 1960/83, 5 Ob 139/73). Die Darlegungen der Beklagten sind daher als Mängelrüge zu betrachten.

Den Ausführungen der Beklagten ist insofern beizupflichten, als ein Teilurteil den Entscheidungsgegenstand des Rechtsstreites quantitativ teilt. Da es in diesem Bereich die Aufgaben eines Endurteiles erfüllt, darf es nur dann erlassen werden, wenn der betreffende Teil des Rechtsstreites bereits spruchreif ist. Dies ist aber hier der Fall, weil nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes die Deckungspflicht der Beklagten für das Schadensereignis vom 22. 9. 1972 bereits feststeht. Die betragliche Begrenzung der festgestellten Leistungspflicht der Beklagten war nur deshalb erforderlich, weil nach Ansicht des Berufungsgerichtes der vom Kläger erhobene Leistungsanspruch auch ein Begehren nach Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten bis zur Höhe des Klagsbetrages umfaßt. Das Berufungsgericht hätte daher ohne diese betragsmäßige Beschränkung mit seinem Feststellungserkenntnis gegen die Bestimmungen des § 405 ZPO verstoßen. Damit hat es aber keineswegs auch über die Deckungspflicht der Beklagten für das Schadensereignis vom 18. 8. 1972 abgesprochen, sondern nur dem festgestellten Leistungsanspruch des Klägers eine Höchstgrenze gesetzt. Dies war insofern berechtigt, als das Berufungsgericht auch die Möglichkeit ins Auge faßte, daß die Beklagte für das vorgenannte Schadensereignis keine Deckungspflicht treffen könnte. In diesem Falle käme aber der in Frage stehenden betragsmäßigen Beschränkung nur für den Anspruch des Klägers aus dem Schadensereignis vom 22. 9. 1972 Bedeutung zu.

Den Revisionsausführungen, daß der Kläger in der Verhandlungstagsatzung am 5. 3. 1975 (ON 14) ein Eventualbegehren gestellt habe, kann nicht gefolgt werden. Erklärte doch der Kläger ausdrücklich, daß der gegenständliche Schadensbetrag (gemeint Leistungsbegehren) auch auf den Schadensfall vom 18. 8. 1972 gestützt werde. Damit brachte aber der Kläger klar zum Ausdruck, daß er sein Leistungsbegehren aus beiden Schadensfällen ableite.

Auch mit ihren weiteren Ausführungen, das vom Berufungsgericht gefällte Teilurteil verstoße gegen die Bestimmungen des § 405 ZPO, weil der Kläger ein Leistungs-und kein Feststellungsbegehren erhoben habe, rügt die Beklagte ebenfalls einen dem Gericht zweiter Instanz angeblich unterlaufenen Verfahrensmangel. Auch ihre diesbezüglichen Revisionsausführungen stellen sich somit als Mängelrüge dar.

Ob das Berufungsgericht ohne ein vom Kläger gestelltes Eventualbegehren berechtigt war, auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Schadensfall vom 22. 9. 1972 zu erkennen, hängt davon ab, ob der Feststellungsanspruch gegenüber dem Leistungsbegehren ein Minus oder ein Aliud darstellt. Wie der Oberste Gerichtshof nach anfänglich uneinheitlicher Rechtsprechung in seiner grundlegenden Entscheidung SZ 46/81 in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre (Fasching III S. 650, Neumann 4 II S. 913, Holzhammer, Österr. Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren S. 158, Wolff Grundriß des österr. Zivilprozeßrechtes² S. 280, entgegengesetzt Pollak System des österr. Zivilprozeßrechtes² S. 401 und Petschek-Stagel Zivilprozeß S. 273) ausgesprochen hat, bedeutet das Feststellungsbegehren gegenüber dem Leistungsbegehren dann ein Minus, wenn es zeitlich und umfänglich vom gestellten Leistungsanspruch mitumfaßt ist. Der Oberste Gerichtshof hält an dieser Rechtsansicht fest, gegen deren Richtigkeit die Beklagte keine überzeugenden Argumente ins Treffen zu führen vermag. Die vom Berufungsgericht festgestellte Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger aus dem Schadensfall Versicherungsschutz zu gewähren, stellt daher gegenüber dem erhobenen Leistungsbegehren ein Minus dar. Allerdings war die vom Berufungsgericht festgestellte Leistungsverpflichtung der Beklagten der Höhe nach mit dem vom Kläger begehrten Geldbetrag zu begrenzen, weil sonst in der Tat das Feststellungserkenntnis nicht mehr vom Leistungsbegehren umfaßt wäre und in diesem Umfang ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 405 ZPO vorläge (Fasching III S. 650 f, vgl. auch JBl 1956/563, 1957/132, 1960/154). Stellt aber das Feststellungserkenntnis gegenüber dem Leistungsbegehren des Klägers ein Minus und kein Aliud dar, so war das Berufungsgericht auch berechtigt, ohne Antrag des Klägers über das in seinem Leistungsanspruch enthaltene Feststellungsbegehren zu erkennen (MietSlg 16.658, 2 Ob 241/67) und das darüber hinausgehende Leistungsbegehren abzuweisen.

Die Beklagte beharrt schließlich auf ihrem Standpunkt, sie sei deshalb leistungsfrei, weil der Kläger den Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Er habe nämlich seinem Sohn R* S* das gegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Tatsache überlassen, daß dieser mit dem PKW bereits zwei Unfälle verursacht habe. R* S* habe eine notwendige Reparatur des PKWs (nach dem Unfall vom 18. 8. 1972) unterlassen, weshalb das Fahrzeug im Unfallszeitpunkte (22. 9. 1972) nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei. Dies sei die Ursache für den vorgenannten Unfall gewesen.

Auch diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Vorauszuschicken ist, daß die Beklagte die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 61 VersVG nur hinsichtlich des Schadensereignisses vom 22. 9. 1972 eingewendet hat. Ob R* S* tatsächlich hinsichtlich des vorgenannten Schadensfalles grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat, kann dahingestellt bleiben. Versicherungsnehmer im Unfallszeitpunkte war nämlich der Kläger, der seinen Sohn R* S* zum Betriebsleiter seines Unternehmens bestellt hatte. R* S* war daher nach dem vom Kläger am 10. 5. 1972 erlittenen Unfall auch mit der Wartung des Unfallsfahrzeuges betraut. Die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles durch einen Beauftragten des Versicherungsnehmers hat aber die Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers nur dann zur Folge, wenn die Haftung für Dritte in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen wurde (SZ 26/20, VersR 1961/960 mit Anm. von Wahle, 1965/148, ZVR 1964/42). Derartiges wurde aber von der Beklagten nicht behauptet. Die in Deutschland entwickelte Repräsentantentheorie wurde von der österreichischen Rechtsprechung ausdrücklich abgelehnt (VersR 1961, 1100, 1965, 148, 1969, 1032). Die Beklagte könnte daher Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG nur dann in Anspruch nehmen, wenn der Kläger selbst den Versicherungsfall vom 22. 9. 1972 grob fahrlässig herbeigeführt haben sollte. Eine solche grobe Fahrlässigkeit kann aber in der Betrauung des zum Betriebsleiter seines Unternehmens bestellten Sohnes R* S* mit der Pflege und Wartung des gegenständlichen Fahrzeuges nicht erblickt werden. Wenn auch R* S* mit dem Fahrzeug bereits zwei Unfälle hatte, brauchte der Kläger noch nicht anzunehmen, daß er sich auch um die notwendige Instandsetzung des Fahrzeuges nach dem Vorunfall vom 18. 8. 1972 nicht kümmern werde. Grobe Fahrlässigkeit setzt aber eine solche Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt voraus, die sich aus der Menge der auch für den Sorgfältigsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als auffallende Sorglosigkeit hervorhebt (SZ 25/32, VersR 1968 S. 612, 1970, 71 uam). Derartiges kann aber dem Kläger selbst nach dem Vorbringen der Beklagten nicht angelastet werden. Daß der Kläger selbst Kenntnis von den Vorschäden des Unfallsfahrzeuges gehabt hätte, wurde nicht behauptet. Auch die Inbetriebnahme des versicherten Fahrzeuges mit abgefahrenen Reifen durch N* S* kann dem Kläger im Hinblick auf die vorangehenden Ausführungen nicht angelastet werden. Ob die Beklagte hinsichtlich der von ihr an den Kläger zu erbringenden Leistungen nach § 67 Abs. 1 VersVG bei dessen Söhnen Rückgriff nehmen kann, ist hingegen für die Frage, ob der Kläger den Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, ohne Bedeutung. Ein Regreßverbot der Beklagten im Sinne des § 67 Abs. 2 VersVG hätte außerdem zur Voraussetzung, daß die beiden Söhne im Unfallszeitpunkt mit dem Kläger in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben.

Auch der Revision der Beklagten war somit nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 52 Abs. 2, 393 Abs. 4 ZPO.

C) Rekurs des Klägers:

Mit Recht erachtet hingegen der Kläger die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung für entbehrlich. Ihre Deckungspflicht für den Unfall vom 18. 8. 1972 bestreitet die Beklagte mit der Begründung, der Kläger habe den Schaden erst am 5. 3. 1975 geltend gemacht und damit gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen. Diese Behauptung der Beklagten ist schon durch die vom Kläger erstattete im Akt als Beilage ./5 befindliche Schadensmeldung, datiert mit 18. 8. 1972, widerlegt, in der ein ihm schätzungsweise entstandener Schaden in der Höhe von 10.000,-- bis 15.000,-- S geltend gemacht wird. Die von der Beklagten nunmehr behauptete Obliegenheitsverletzung des Klägers nach Art. 6 Abs. 2 Z. 1 lit. a AKIB. (schriftliche Anzeige des Versicherungsfalles längstens innerhalb einer Woche) liegt somit nicht vor. Die Versäumung einer dem Kläger nach § 12 Abs. 3 VersVG für die Geltendmachung seines Versicherungsanspruches gesetzten Klagsfrist wurde von der Beklagten nicht behauptet. Damit erübrigt sich aber auch die vom Berufungsgericht für erforderlich erachtete Verfahrensergänzung darüber, ob die Beklagte aus dem Schadensfall vom 18. 8. 1972 im Sinne der vorgenannten Gesetzesstelle endgültig leistungsfrei geworden sei. Auch die allfällige Verjährung des Versicherungsanspruches des Klägers hinsichtlich dieses Schadensfalles hätte von der Beklagten eingewendet werden müssen.

Die Rechtssache ist somit auch hinsichtlich des Schadensfalles vom 18. 8. 1972 bereits spruchreif. Allerdings kann der Kläger im Hinblick auf die vorangehenden Darlegungen auch nur die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten für diesen Schadensfall begehren.

Der Beschluß des Berufungsgerichtes war daher aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung hinsichtlich der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsfall vom 18. 8. 1972 aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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