European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00005.25Y.0319.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 751,92 EUR (darin 125,32 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Eltern der Klägerin waren ursprünglich je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ * (in der Folge Liegenschaft). Für das auf dieser Liegenschaft situierte Wohngebäude hatten sie bei der Beklagten eine Sachversicherung abgeschlossen.
[2] Am 24. Mai 2022 verstarb der Vater der Klägerin, worauf die Klägerin und ihre beiden Schwestern mit je 2/9 und deren Mutter mit 1/3 als gesetzliche Erben berufen wurden.
[3] Die Mutter der Klägerin übergab in der Folge mit Übergabsvertrag vom 16. September 2022 ihren Anteil an der Liegenschaft der Klägerin, die dadurch Hälfteeigentümerin wurde.
[4] Die Klägerin erwarb am 27. Juni 2023 in weiterer Folge von ihrer Mutter aufgrund eines „Erbschaftskaufs“ deren 1/3 Anteile an der Verlassenschaft nach ihrem Vater, sodass die Klägerin nunmehr zu 5/9 zur Erbin berufen war.
[5] Am 28. September 2023 schlossen die Miterbinnen im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung ein „Erbübereinkommen“, wonach die Klägerin die (restlichen) Liegenschaftsanteile – unter Bezahlung eines Betrags von je 40.000 EUR an die beiden Schwestern – zur Gänze in ihr Alleineigentum übernahm.
[6] Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts E* vom 9. Oktober 2023 wurde die Verlassenschaft zu 5/9 der Klägerin und zu je 2/9 ihren beiden Schwestern nach Maßgabe des geschlossenen „Erbübereinkommens“ eingeantwortet, wobei bestätigt wurde, dass aufgrund des Ergebnisses der Verlassenschaftsabhandlung die Grundbuchsordnung betreffend der Liegenschaft durch Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin herzustellen ist.
[7] Daraufhin kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Oktober 2023 an die Beklagte „aufgrund des erfolgten vollumfänglichen Eigentumserwerbs“ die oben angeführte Versicherung. Mit Schreiben vom 9. November 2023 wies die Beklagte diese Kündigung zurück und stellte der Klägerin in Fortsetzung des bisherigen Versicherungsvertrags eine neue Polizze aus.
[8] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das Versicherungsverhältnis mit der Beklagten ab 1. November 2023 nicht mehr aufrecht sei. Ihr stehe ab dem Zeitpunkt, ab dem sie mehr als 50 % des Eigentums an der Liegenschaft erworben habe, ein Kündigungsrecht nach § 70 Abs 2 VersVG zu, welches sie fristgerecht ausgeübt habe.
[9] Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Die Klägerin habe durch die mit der Mutter und den Miterbinnen abgeschlossenen Vereinbarungen im Wege der Universalsukzession Eigentum erworben. Der Umstand, dass die Klägerin dafür (teilweise) eine monetäre Leistung erbracht habe, vermöge daran nichts zu ändern. Sie habe daher kein Recht auf Kündigung nach § 70 Abs 2 VersVG.
[10] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Kündigungsrecht gemäß § 70 Abs 2 VersVG entstehe beim sukzessiven Erwerb der Miteigentumsanteile erst, wenn die durch Einzelrechtsnachfolge erworbenen Anteile an der Liegenschaft insgesamt mehr als 50 % betragen würden. Da die Klägerin lediglich 50 % der Anteile an der Liegenschaft im Weg der Einzelrechtsnachfolge und den Rest im Weg der Gesamtrechtsnachfolge erworben habe, stehe ihr kein Kündigungsrecht gemäß § 70 Abs 2 VersVG zu.
[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge und bestätigte das Ersturteil. Beim Erwerb des Hälfteanteilsim Weg der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge bestehe auch kein Kündigungsrecht des Erben in Analogie zu § 70 Abs 2 VersVG.
[12] Die ordentliche Revision ließ es zu, weil die Frage der Analogie in der Literatur strittig sei, und dazu keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliege.
[13] Die Klägerin beantragt in ihrer Revision, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[14] Die Beklagte beantragt in ihrerRevisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[15] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
[16] 1.1. Wird die versicherte Sache vom Versicherungsnehmer veräußert, so tritt gemäß § 69 Abs 1 VersVG an Stelle des Veräußerers der Erwerber in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein. Nach § 70 Abs 2 VersVG ist der Erwerber jedoch berechtigt, das Versicherungsverhältnis mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluss der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen.
1.2. Die Bestimmungen der §§ 69, 70 VersVG räumen sowohl dem Erwerber als auch dem Versicherer ein Kündigungsrecht ein, weil dem Versicherer der ihm aufgezwungene Versicherungsnehmer bedenklich erscheinen kann, während der Erwerber der versicherten Sache einen anderen Versicherer vorziehen will oder möglicherweise keinen Versicherungsschutz mehr wünscht (RS0080653). Die wesentliche Grundlage für das dem Erwerber (und dem Versicherer) eingeräumte Kündigungsrecht liegt in der Sanierung der ursprünglichen Einschränkung der Willensfreiheit (7 Ob 297/99y).
[17] 1.3. Unter Veräußerung der versicherten Sache im Sinn des § 69 VersVG ist jede Eigentumsübertragung durch rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge zu verstehen (RS0080616; vgl RS0114787). Auch eine Schenkung ist als Veräußerung im Sinne des § 69 VersVG anzusehen (RS0018882 = 7 Ob 76/74 VersR 1975, 747). Der Erwerb im Weg der Gesamtrechtsnachfolge fällt hingegen nicht unter § 69 VersVG, weil dieser dadurch gekennzeichnet ist, dass der „Erwerber“ von Gesetzes wegen in Pausch und Bogen in sämtliche Rechtsverhältnisse des Rechtsvorgängers unverändert eintritt (vgl RS0114787; Palten in Fenyves/Perner/Riedler [Jänner 2021] § 69 VersVG Rz 17; Kath/Kronsteiner/Kunisch/Reisinger/Wieser, Praxishandbuch VersVG I Rz 1801; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG32 § 95 VVG Rn 10; Langheid in Langheid/Rixecker, VVG7 § 95 VVG Rn 13). Mit dem Erwerb von mehr als 50 % der Anteile im Weg der Einzelrechtsnachfolge an der Liegenschaft wird auch die Legitimation zur Eigentümerwechselkündigung erworben, gleich ob dieser Mehrheitsanteilserwerb auf einmal oder in mehreren Vorgängen erfolgt (RS0113297; Palten in Fenyves/Perner/Riedler [Jänner 2021] § 70 VersVG Rz 46).
[18] 2.1. Im vorliegenden Fall erwarb die Klägerin zunächst mit Übergabsvertrag vom 16. September 2022 den Hälfteanteil ihrer Mutter an der Liegenschaft. Dabei handelt es sich unstrittig um eine Veräußerung der versicherten Sache im Sinn des § 69 VersVG. Das Kündigungsrecht nach § 70 Abs 2 VersVG setzt jedoch nach der dargestellten Rechtsprechungden Erwerb von mehr als 50 % der Anteile an einer Liegenschaft voraus. Dieser Erwerbsvorgang allein kann daher kein Kündigungsrecht der Klägerin gemäß § 70 Abs 2 VersVG begründen, was von ihr auch nicht bestritten wird.
[19] 2.2.1. Den anderen Hälfteanteil der Liegenschaft erwarb die Klägerin im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach ihrem Vater als Folge des „Erbschaftskaufs“ vom 27. Juni 2023 mit ihrer Mutter und des „Erbübereinkommens“ vom 28. September 2023 mit ihren Schwestern.
[20] 2.2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird der Erbschaftskäufer Gesamtrechtsnachfolger des Erben und tritt an dessen Stelle in das Verlassenschaftsverfahren ein. Er gibt die Erbantrittserklärung ab. An ihn erfolgt die Einantwortung (RS0025410 [T2]; 2 Ob 47/24m). Dies gilt auch für die Erbschaftsschenkung, die im Gesetz zwar nicht ausdrücklich geregelt ist, auf die aber die Vorschriften über den Erbschaftskauf anzuwenden sind (RS0025410 [T3]; 2 Ob 102/15m). Es kann daher hier dahingestellt bleiben, ob der als „Erbschaftskauf“ bezeichnete Erwerbsvorgang rechtlich als Erbschaftskauf oder als Erbschaftsschenkung zu qualifizieren ist. Er bewirkt jedenfalls eine Gesamtrechtsnachfolge.
[21] 2.2.3. Bei der als „Erbübereinkommen“ zwischen der Klägerin und ihren Schwestern bezeichneten Vereinbarung handelt es sich unstrittig um ein Erbteilungsübereinkommen nach § 181 AußStrG, haben doch die Miterbinnen vor der Einantwortung eine Vereinbarung über die Erbteilung beim Gerichtskommissär zu Protokoll gegeben. Wenngleich es sich bei dem vor der Einantwortung geschlossene Erbteilungsübereinkommen um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handelt (vgl 1 Ob 623/93), ändert dies nichts daran, dass die Erben im Weg der Gesamtrechtsnachfolge erben (RS0008347 [insb T6]; RS0124538 [T2]; Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 181 AußStrG Rz 5). Eine vor der Einantwortung vorgenommene Erbteilung bewirkt, dass die Erben mit der Einantwortung Alleinerben der ihnen aufgrund des Erbteilungsübereinkommens zugewiesenen Sachen werden (RS0008347 [T2]; Verweijen in Schneider/Verweijen, AußStrG § 181 Rz 1).
[22] 2.2.4. Zusammengefasst handelt es sich bei den als „Erbschaftskauf“ und „Erbübereinkommen“ bezeichneten Erwerbsvorgängen der Klägerin um Akte der Gesamtrechtsnachfolge, die ausgehend vom Wortlaut des § 70 Abs 2 VersVG ein Kündigungsrecht nicht begründen können.
[23] 3. Es stellt sich daher die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage, ob einem Erben ein Kündigungsrecht in Analogie zu § 70 Abs 2 VersVG zusteht.
[24] 3.1. In der Entscheidung 1 Ob 42/35 (SZ 17/31) sprach der Oberste Gerichtshof zu §§ 65, 68 VersVG in der damals geltenden Fassung, die ein ähnliches Kündigungsrecht des Erwerbers wie heute § 70 Abs 2 VersVG enthielt, aus, dass derjenige, der die Hälfte einer gegen Brandschaden versicherten Liegenschaft durch Rechtsgeschäft unter Lebenden, die andere Hälfte aber durch Erbfolge erworben hat, den Versicherungsvertrag nicht aufkündigen kann (RS0080745). In der Entscheidung 1 Ob 990/31 (SZ 13/230) sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass dieses Kündigungsrecht auch bei einem Erbschaftskauf keine Anwendung finde.
[25] § 68 VersVG in der damals geltenden Fassung sah allerdings eine Bestimmung vor, nach der durch den Übergang versicherter Sachen im Erbweg das Versicherungsverhältnis nicht berührt wird. Dies wurde damit begründet, dass die Änderung des subjektiven Risikos beim Erben von geringer Bedeutung sei, sodass am allgemeinen bürgerlichen Recht festgehalten worden sei (Ehrenzweig, Das Gesetz v. 23. Dezember 1917, RGBl Nr 501, über den Versicherungsvertrag samt den Durchführungsverordnungen [1918] 97). Eine solche Bestimmung findet sich im VersVG in der geltenden Fassung nicht mehr, sodass die zitierte Rechtsprechung nicht einschlägig ist.
[26] 3.2. In der österreichischen Lehre wird die hier strittige Rechtsfrage unterschiedlich gelöst. Nach herrschender Ansicht scheidet ein Kündigungsrecht des Erben analog zu § 70 Abs 2 VersVG aus (Schauer, Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus Anlaß einer Verschmelzung, VR 1993, 210 [213 f]; derselbe, VersVG3 309 f; Palten in Fenyves/Perner/Riedler [Jänner 2021] § 69 VersVG Rz 18; Kralik, ÖJZ 1983, 474 [475]; vgl auch Ehrenzweig, Deutsches [österreichisches] Versicherungsvertragsrecht [1952] 229; aM Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis. Zur Auflösbarkeit von Dauerschuldverhältnissen anläßlich des Todes einer Vertragspartei [1982], 333 ff; Fenyves, Der Einfluß des Todes auf das Versicherungsverhältnis, FS Wilburg 43 [66, 82 ff]).
[27] Zur vergleichbaren deutschen Rechtslage wird gelehrt, dass bei Gesamtrechtsnachfolge eine Analogie zu § 95 Abs 1 VVG ausscheidet (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG32 § 95 VVG Rn 10; Heyers/Schäfers in Looschelders/Pohlmann, VVG4 § 95 Rn 6; Reusch in MüKomm VVG3 § 95 VVG Rn 227 [zur Verschmelzung]; zweifelnd Halbach in Rüffer/Halbach/Schimikowsk, VersVG4 § 95 Rn 8).
[28] 3.3. Nach Ansicht des Fachsenats ist bei Gesamtrechtsnachfolge eine Analogie zu § 70 Abs 2 VersVG aus folgenden Erwägungen zu verneinen:
[29] 3.3.1. Ein Analogieschluss setzt eine „planwidrige Unvollständigkeit“ des Gesetzes, das heißt eine nicht gewollte Lücke, voraus (RS0098756). Eine solche ist dann gegeben, wenn die Regelung eines Sachbereichs keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müsste (vgl RS0008866 [T1]), oder wenn Wertungen und Zweck der konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (vgl RS0008866 [T10]). Wurde vom Gesetzgeber hingegen für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet, so fehlt es an einer Gesetzeslücke und daher auch an der Möglichkeit ergänzender Rechtsfindung (RS0008866 [T8]).
[30] 3.3.2. Richtig ist, dass sowohl der Vertragsübergang nach § 69 VersVG als auch das Kündigungsrecht gemäß § 70 Abs 2 VersVG dem Schutz des Erwerbers dienen. Dieser soll einerseits bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der versicherten Sache in den Genuss des vom Veräußerer vereinbarten Versicherungsschutzes kommen, er soll aber andererseits die Möglichkeit haben, den Versicherungsschutz zu beenden, wenn er ihn nicht wünscht.
[31] Die Interessenlage beim Erwerb durch erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolger ist hingegen mit jener bei der Einzelrechtsnachfolge nicht vergleichbar. Der Einzelrechtsnachfolger erwirbt regelmäßig nur jene Sache(n), auf deren Erwerb der Parteiwille gerichtet war. Darauf bezogene Vertragsverhältnisse, die zwischen dem Veräußerer und einer dritten Person bestehen, gehen hingegen nicht ohne Weiteres auf den Erwerber über; vielmehr bedarf dies der Zustimmung des Dritten (vgl Dehn in U. Torggler, UGB³ § 38 Rz 2; W. Brugger in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 38 Rz 1; Neumayr in KBB7 §§ 1405, 1406 ABGB Rz 5; Haglmüller in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1406 ABGB Rz 27). Wenn der Gesetzgeber davon für Versicherungsverträge im Interesse des Erwerbers eine Ausnahme macht und bei Veräußerung der versicherten Sache zu seinem Schutz einen Vertragsübergang angeordnet, so ist es konsequent, wenn er ihm auch die Möglichkeit einräumt, diesen Schutz zu beenden. Bei der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge tritt der Erbe hingegen ex lege in sämtliche vererblichen Rechtspositionen des Erblassers ein. Anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 69 VersVG ist der Übergang des Versicherungsvertrags im Erbweg keine Maßnahme, die dem Schutz des Erben dient und aus diesem Grund zu seiner Disposition gestellt werden könnte, sondern eine Rechtsfolge des sich uno actu vollziehenden Nachfolgens in sämtliche vererblichen Rechte und Pflichten des Erblassers (Schauer, VR 1993, 210 [214]).
[32] Eine analoge Anwendung scheitert somit daran, dass die in den §§ 69, 70 Abs 2 VersVG enthaltene Interessenbewertung auf die Situation bei der Einzelrechtsnachfolge zugeschnitten ist, während bei der Gesamtrechtsnachfolge eine andere Interessenlage besteht (Schauer, VersVG3 309). Der Grund für die Ablehnung des Analogieschlusses liegt im Wesen der erbrechtlichen Universalsukzession. Jeder muss damit rechnen, im Erbweg unfreiwillig einen neuen Vertragspartner zu erhalten. Das ist zwingender Ausfluss der Erbfolge. Damit ist auch nicht einsichtig, warum gerade derjenige, der im Erbweg Eigentümer einer versicherten Sache wird, durch das Kündigungsrecht analog zu § 70 Abs 2 VersVG privilegiert werden sollte (Palten in Fenyves/Perner/Riedler [Jänner 2021] § 69 VersVG Rz 18).
[33] Entgegen Fenyves (Erbenhaftung 335) kann man eben nicht die zwingende Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge, dass der Erbe Dauerschuldverhältnisse fortsetzt, gleichzeitig als Umstand ansehen, der ein rechtserhebliches Auflösungsinteresse begründet (zutreffend Kralik, ÖJZ 1983, 474 [475]). Im Übrigen gesteht Fenyves selbst zu, dass der Unterschied in der rechtstechnischen Konstruktion des Eintritts prima vista gegen eine Analogie spricht: Der Erwerber soll nämlich nicht durch eine zu seinem Schutz gedachte Maßnahme (§ 69 VersVG) in das Zwangskorsett eines ungewollten Vertrags gedrängt werden, weshalb § 70 VersVG ihm ein Kündigungsrecht einräume. Demgegenüber trete der Erbe in den Versicherungsvertrag ein, weil er, wolle er Erbe sein, in die Rechtsstellung des Erblassers kraft der Universalsukzession eintreten müsse, ohne dass dieser Eintritt primär zu seinem Schutz gedacht sein müsse (Fenyves, Erbenhaftung 333).
[34] 3.3.3. Zusammengefasst sprechen daher die besseren Argumente dafür, ein Kündigungsrecht des Erben analog zu § 70 Abs 2 VersVG zu verneinen, weil die Wertungen und der Zweck der §§ 69, 70 VersVG nicht die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt (hier: Erwerb der versicherten Sache im Weg der Gesamtrechtsnachfolge) übersehen, sondern diesen vielmehr bewusst nicht geregelt.
[35] 4. Die Revision ist somit nicht berechtigt.
[36] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
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