OGH 7Ob41/25t

OGH7Ob41/25t21.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Malesich, Dr. Weber, Mag. Fitz und Mag. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei C*, vertreten durch Neumayer & Walter Rechtsanwälte KG in Wien, wegen 25.506,29 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2024, GZ 4 R 70/24d‑44, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 19. Februar 2024, GZ 42 Cg 73/21g‑38, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00041.25T.0521.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Dieklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei deren jeweils mit 1.788,90 EUR (darin enthalten 298,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Zwischen den Parteien bestehen zwei Lebensversicherungsverträge für eine fondsgebundene Lebensversicherung.

[2] I. Zum Vertrag vom 1. 11. 2016 mit einer Prämiensumme von 104.596,80 EUR stellte die Klägerin ein Rückforderungsbegehren von 2.815,56 EUR.

[3] II. Im Vertrag vom 1. 3. 2012 ist eine Prämiensumme von 173.077,20 EUR (festgestellt laut Beilage ./A) – bezogen auf den Abschlusszeitpunkt – und eine monatliche Gesamtprämie von 500 EUR vereinbart. Die Prämie wurde am 1. 4. 2015 auf 1.000 EUR erhöht; 2017 und 2018 erfolgten Teilrückkäufe von insgesamt 30.000 EUR. Der Versicherungsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen; die geplante Veranlagungsdauer betrug 30 Jahre. Der Versicherungsantrag enthält auszugsweise das Folgende:

Die Er- und Ablebenswerte werden von einer Reihe von Faktoren beeinflusst, wie zum Beispiel von der Höhe der vereinbarten Todesfallleistung, dem Eintrittsalter, der Art und der Gewichtung der gewählten Veranlagungsstrategien, der Entwicklung der Kapitalmärkte, Zinssätze, Inflationsraten, Währungsparitäten und den Anlageentscheidungen des Fondsmanagements. Die tatsächlichen Leistungen im Er- und Ablebensfall werden sich in den dargestellten Werten unterscheiden.

Im Folgenden stellen wir ihnen gerne das Er- und Ablebenskapital zum jeweils angegebenen Zeitpunkt dar. Die Rückkaufswerte entsprechen den jeweiligen Werten im Erlebensfall. Die Höhe der investierten Prämien, kumuliert über die Versicherungsjahre, können sie der 0 % Performancespalte entnehmen.“

[…]

[4] In der folgenden Tabelle finden sich – soweit hier von Interesse – eine Zeile mit der Bezeichnung „Angenommene Performance in der fondsgebundenen Veranlagung“ und eine Zeile „Summe der Prämien (Kumulierte Jahresbruttoprämien)“. Anhand dieser Tabelle (Modellrechnung) zeigt sich, dass etwa bei einer Prämienzahlung von 30.000 EUR nach fünf Jahren und einer angenommenen Performance der fondsgebundenen Veranlagung von Null Prozent ein Erlebenswert von 15.664,81 EUR – das bedeutet knapp über 50 % der einbezahlten Bruttoprämien – ausgewiesen wird. Bei Ablauf der geplanten Veranlagungsdauer von 30 Jahren ergibt die Null-Performance – Rechnung 180.511,98 EUR gegenüber einer Jahresbruttoprämiensumme von 180.000 EUR:

[5] Weiter lautet der Versicherungsantrag:

„Rückkaufwertdarstellung:

Ein Rückkauf in den ersten Versicherungsjahren kann zu Verlusten führen. Aufgrund der anfallenden Abschlusskosten kann der Geldwert der Deckungsrückstellung in den ersten Jahren nach Versicherungsbeginn deutlich unter der Summe der einbezahlten Beiträge liegen. Eine Kündigung ihres Versicherungsvertrages in den ersten 10 Jahren ist daher in der Regel für Sie finanziell nachteilig.

[…]

Bei Er- und Ablebensversicherungen bzw. bei Pensionsversicherungen ergibt sich die Deckungsrückstellung aus der Summe der einbezahlten Prämien abzüglich der einmaligen Abschlusskosten und der Prämienanteile für Verwaltungskosten, Steuern und Übernahme des Ablebensrisikos zuzüglich der Verzinsung mit dem garantieren Rechnungszinssatz

[…]

Kosten der Hauptversicherung:

Bei den in den Tabellen angeführten Werten sind die Versicherungssteuer, die Abschluss- und Verwaltungskosten und die Risikokosten bereits abgezogen. Basis für die Berechnung der Kosten ist die Prämiensumme, wobei hier eine maximale Prämienzahlungsdauer von 35 Jahren zugrunde gelegt wird. Die Abschlusskosten werden nur in den ersten fünf Jahren, oder bei einer kürzeren Versicherungslaufzeit über diese vereinbarte Versicherungslaufzeit, verrechnet und betragen jeweils 1,38 % der Prämiensumme. Dieser Betrag wird jeweils von der Jahresprämie abgezogen bzw. nach Ablauf der Prämienzahlungsdauer vom Geldwert der Deckungsrückstellung entnommen. Die Verwaltungskosten pro Jahr setzen sich zusammen aus einem Betrag von maximal 0,25 % der Prämiensumme und den Stückkosten. Die Stückkosten betragen maximal EUR 1,5 pro Monat.

[…]

 

[6] Die Klägerin hat bis zur Prämienfreistellung im Jahr 2018 Prämien von insgesamt 59.553,60 EUR einbezahlt. Im Zusammenhang mit ihrer Prämienfreistellung hat sie am 11. 9. 2018 von der Beklagten eine Gesamtkostenaufstellung für den damaligen Zeitpunkt erhalten, die auszugsweise den Inhalt hat:

Aufgrund der diversen Änderungen in ihren Verträgen, senden wir Ihnen anbei die Aufstellungen der Gesamtkosten seit Vertragsbeginn bis 31. 08. 2018:

Bruttoeinzahlung EUR 59.553,60

Versicherungssteuer EUR 2.290,51

Abschluss und Verwaltungskosten EUR 22.690,73

= Sparprämien EUR 34.572,36

 

DieKlägerinbegehrt insgesamt die Rückzahlung der Abschluss- und Verwaltungskosten in Höhe von 25.506,29 EUR sA – 22.690,73 EUR betreffend den Vertrag vom 1. 3. 2012 – weil die Bestimmungen zu den Abschluss- und Verwaltungskosten im Versicherungsvertrag intransparent und gröblich benachteiligend seien.

[7] Das Erstgericht gab der Klage statt. Aus den Tabellen selbst seien keine Abschluss- und Verwaltungskosten ersichtlich. Die unter Kosten der Hauptversicherung angesprochenen 1,38 % der Prämiensumme für die Abschlusskosten ließen in der dortigen Formulierung nicht deutlich erkennen, dass die Abschlusskosten vom Versicherungsnehmer pro Jahr zu leisten seien. Tatsächlich würden die Abschlusskosten, die in den ersten fünf Jahren offensichtlich in Abzug gebracht würden, 6,9 % (5 Mal 1,38 %) der Prämiensumme betragen.

[8] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in eine Klagsabweisung ab. Es habe eine Null-Performance‑Modellrechnung vorgelegen, auf die bei der Bestimmung zu den Kosten der Hauptversicherung hingewiesen und erläutert werde, dass die Abschluss- und Verwaltungskosten bei den in der Tabelle angeführten Werten bereits abgezogen worden wären. Mittels einfacher Subtraktion (eingezahlte Prämie minus veranlagter Prämie) lasse sich anhand der Tabelle auch die Gesamtkostenbelastung ermitteln. Die prozentuelle Höhe und die Bezugsgröße für die Abschlusskosten werde überdies gesondert angeführt. Es gebe auch einen deutlichen Hinweis auf die wirtschaftlichen Nachteile einer vorzeitigen Kündigung, dies unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Abschlusskosten. Da sich aus der Tabelle überdies ergebe, dass die Kostenbelastung mit zunehmender Vertragsdauer sinke, seien die Regelungen auch nicht gröblich benachteiligend.

Rechtliche Beurteilung

[9] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision – nachträglich – zum Versicherungsvertrag vom 1. 3. 2012 zu, weil anhand der im Zulassungsantrag zitierten Entscheidung zu 7 Ob 69/23g eine grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts nicht auszuschließen sei. Hinsichtlich des Versicherungsvertrags mit Versicherungsbeginn 1. 11. 2016 betreffend ein Klagebegehren von 2.815,56 EUR wies es den Zulassungsantrag – rechtskräftig – zurück, weil die Ansprüche nicht zusammenzurechnen seien.

[10] I. Die Revision betreffend ein Klagebegehren von 2.815,56 EUR ist jedenfalls unzulässig.

[11] II. Da die Klägerin im Übrigen in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[12] 1. Der Oberste Gerichtshof hat sich in mehreren Verbandsverfahren zu fondsgebundenen Lebensversicherungen mit der Transparenz von Kostenklauseln befasst. Diese Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen:

[13] 1.1. Die für die klassische Lebensversicherung entwickelten Grundsätze zur Transparenz einer „Rückkaufswertklausel“ gelten auch für die fondsgebundene Lebensversicherung. Demnach ist eine Klausel intransparent, wenn dem Versicherungsnehmer nicht klar wird, in welchem Ausmaß ihn Abschlusskosten bei vorzeitiger Vertragskündigung belasten. Dass die Höhe der Rückkaufswerte in der fondsgebundenen Lebensversicherung maßgeblich von der „Fondsperformance“ abhängt und daher nur prognostizierbar, nicht aber exakt vorhersehbar ist, entbindet den Versicherer nicht der Verpflichtung, die den Versicherungsnehmer treffende Gesamtkostenbelastung offen zu legen. Für den Versicherungsnehmer ist es bei der Auswahl der Lebensversicherung nicht von entscheidender Bedeutung, wie sich der von ihm für die Versicherung zu entrichtende „Preis“ im Einzelnen zusammensetzt, also wie der Versicherer intern kalkuliert, das heißt, was auf Abschluss-, Verwaltungs- und sonstige Kosten, auf die Deckung des versicherten Risikos des Ablebens und den Unternehmergewinn entfällt. Der Versicherungsnehmer muss aber – anhand standardisierter Tabellen („Modellrechnungen“ mit „Null-Performance“) – nachvollziehen können, welcher Teil der Prämie „veranlagt“ wird, also was dem Deckungsstock zum Ankauf von Wertpapieren zufließt. Stellt doch die Verpflichtung, mit (einem Teil der) von den Versicherungsnehmern entrichteten Versicherungsprämien Wertpapiere anzukaufen und den entsprechenden Teil der Prämie in Fondsanteile umzurechnen, die Hauptleistungsverpflichtung des Versicherers dar. Wird dem einzelnen Versicherungsnehmer nicht klargelegt, welcher Teil der Prämie veranlagt wird und wie sich der Rückkaufswert gestaltet, behält sich der Versicherer ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vor. Demnach ist die Gesamtkostenbelastung für den Versicherungsnehmer transparent darzustellen. Selbst wenn die Gesamtkostenbelastung im Hinblick auf die Unsicherheit der Fondsperformance nicht von vornherein in absoluten Zahlen festgesetzt und bekannt gegeben werden könnte, ist der Versicherer im Sinne des Transparenzgebots des § 6 Abs 3 KSchG verpflichtet, sie oder vice versa den Sparanteil (die Rückkaufswerte) in Tabellenform als Prozentsatz der jeweiligen Höhe des Deckungskapitals festzulegen und mit dem Versicherungsnehmer zu vereinbaren (vgl 7 Ob 233/06z; 7 Ob 23/07v; 7 Ob 4/07z je mwN).

[14] 1.2. Das Berufungsgericht hat die Darstellung der prozentuellen Höhe der Abschluss- und Verwaltungskosten und der Bezugsgrößen Prämiensumme und prognostizierte Prämienzahlungsdauer (35 Jahre) sowie die Tabelle mit einer Null‑Performancespalte, aus der die Höhe der investierten Prämien in den jeweiligen Versicherungsjahren zu entnehmen ist, in Zusammenschau mit dem Hinweis, dass aufgrund der anfallenden Abschlusskosten der Geldwert der Deckungsrückstellung in den ersten Jahren nach Versicherungsbeginn deutlich unter der Summe der eingezahlten Beträge liegen kann, als den Anforderungen des Transparenzgebots entsprechend angesehen. Das ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung nicht korrekturbedürftig. Auch die Platzierung der Kostenklausel und der Modellrechnung an unterschiedlichen Stellen schadet hier schon deshalb nicht, weil die Kostenklausel ausdrücklich auf die – im selben Dokument enthaltene – Modellrechnung verweist.

[15] 1.3. Eine Auslegung im kundenfeindlichsten Sinn ist im – hier vorliegenden – Individualverfahren nicht vorzunehmen (RS0016590 [T32]).

[16] 1.4. Das Berufungsgericht hat die Vereinbarungen rund um die Höhe der Abschluss- und Verwaltungskosten aufgrund der deutlichen Hinweise im Versicherungsantrag, wonach gerade aufgrund der Abschlusskosten der Geldwert der Deckungsrückstellung in den ersten Jahren nach Versicherungsbeginn deutlich unter der Summe der einbezahlten Beiträge liegen kann und eine Kündigung des Versicherungsvertrags in den ersten zehn Jahren daher in der Regel für die Klägerin finanziell nachteilig ist, als nicht gröblich benachteiligend erachtet. Dabei hat es auch berücksichtigt, dass die Kostenbelastung – dieser Belehrung im Antrag entsprechend – mit zunehmender Vertragsdauer deutlich sinkt. Dagegen bringt die Klägerin in ihrer Revision keine stichhaltigen Argumente. Ihr Ansatz ist, diese gröbliche Benachteiligung – ohne den Vertrag tatsächlich rückkaufen zu wollen – aus der für sie ungünstigen Momentaufnahme aus dem Jahr 2018 – sechs Jahre nach Versicherungsbeginn – abzuleiten. Dabei übersieht sie, dass diese Situation lediglich eine Folge dessen ist, dass ihr Vertrag sich zu dem Zeitpunkt in der für sie finanziell ungünstigen Phase befunden hat, worauf sie bei Abschluss des Vertrags deutlich hingewiesen wurde. Die Rechtsansicht des Bezirksgerichts, dass der Klägerin als Versicherungsnehmerin im vorliegenden Fall– unabhängig davon, ob der Klägerin als Versicherungsnehmerin eine exakte Berechnung ihres Rückkaufswerts möglich gewesen wäre – insgesamt ausreichende Informationen zum Rückkaufswert ihres Versicherungsprodukts bereitgestellt worden seien, ist damit insgesamt vertretbar.

[17] 1.5. Auch aus der Entscheidung 7 Ob 69/23g, die einen hier nicht gegenständlichen Stornoabzug und die darauf anzuwendende Bestimmung des § 176 Abs 4 VersVG zum Gegenstand hatte, ist für die Klägerin nichts zu gewinnen. § 176 Abs 5 VersVG regelt die Berechnung des Rückkaufswerts innerhalb der ersten fünf Versicherungsjahre und ist damit hier nicht einschlägig.

[18] 2. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[19] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte und der Nebenintervenient haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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