OGH 7Ob25/25i

OGH7Ob25/25i25.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch RA Dr. Franz P. Oberlercher & RA Mag. Gustav H. Ortner RechtsanwaltsgesmbH in Spittal/Drau, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch Hundegger Engl Rechtsanwalt GmbH in Villach, wegen 1.059.405,87 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2024, GZ 2 R 156/24i‑40, mit dem das Teil‑ und Zwischenurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. Juli 2024, GZ 20 Cg 41/23s‑30, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00025.25I.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht ein Versicherungsvertrag „Kärntner Vollschutzprogramm Eigenheim“ für ein im Miteigentum der Klägerin stehendes Haus. Das Haus umfasst einen Keller, ein Erdgeschoss und ein erstes Stockwerk sowie einen Dachboden. Der im Jahr 2018 abgeschlossene Versicherungsvertrag beinhaltet eine Feuer-, Sturmschaden-, Leitungswasserschaden-, Haftpflicht- und Haushaltsversicherung.

[2] Im Rahmen der Leitungswasserschadenversicherung ist der Neubauwert (Wohnhaus mit Garage) mit der Höchstentschädigungssumme von 1.209.610 EUR versichert. Der Leitungswasserschadenversicherung liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Sachversicherung (ABS) Fassung 2017, die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Leitungswasserschadenversicherung (AWB) Fassung 2017 sowie die Besondere Bedingung zur Eigenheimversicherung (BBEH 2015) zugrunde.

[3] Im Rahmen der Haushaltsversicherung und der in diesem Zusammenhang versicherten Position „Gesamter Wohnungsinhalt zum Neuwert“ beträgt die Höchstentschädigungssumme 338.768 EUR. Für die Haushaltsversicherung gelten die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Sachversicherung (ABS) Fassung 2017, die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für Haushaltsversicherungen (ABH) Fassung 2015 und die Ergänzende Bedingung zur Haushaltsversicherung Exklusivschutz (EBHVE 2015).

[4] Zwischen 23. März 2021, 17:00 Uhr, und 28. März 2021, 9:30 Uhr, stahlen unbekannte Täter aus dem Einfamilienhaus der Klägerin diverse Wertgegenstände (Bargeld, Schmuck, Elektrogeräte) und verwüsteten die Innenräume, indem sie massive Wasserschäden anrichteten, Fensterscheiben, Gemälde, Fernsehschirme und Bilder zerkratzten, Wände mit einem Lackspray besprühten und Polstermöbel sowie Matratzen zerschnitten.

[5] Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Versicherungsleistung von 1.069.405,87 EUR sA. Sie schlüsselte diese Forderung auf in: Schäden bzw Wiederherstellungskosten des Wohnhauses in Höhe von 666.143,45 EUR, den Totalschaden am Wohnungsinhalt in Höhe von 372.645 EUR und diverse weitere Kosten, wie etwa Lagerkosten und Kosten der Trocknung, von denen sie eine Teilzahlung von 30.000 EUR abzog, weshalb sie dafür verbleibende 20.617,42 EUR begehrte. Sie erhob weiters ein Feststellungsbegehren, wonach die Beklagte ihr für künftige Wiederherstellungskosten des Wohnhauses aus dem Vorfall zwischen 23. März und 28. März 2021 hafte.

[6] Die eingetretenen Schäden seien sowohl durch die Haushaltsversicherung als auch durch die Leitungswasserschadenversicherung gedeckt.

[7] Die Beklagte wendet – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – Unschlüssigkeit ein, weil die einzelnen begehrten Leistungen nicht der jeweiligen Sachversicherung zugeordnet worden seien. In den hier relevanten Sparten der Bündelversicherung – Leitungswasser- und Haushaltsversicherung – seien unterschiedliche Gefahren versichert, es würden unterschiedliche Haftungshöchstgrenzen gelten und auch verschiedene Risikobegrenzungen relevant sein. In der Leitungswasserschadenversicherung seien etwa Schäden versichert, die durch die unmittelbare Einwirkung von austretendem Leitungswasser sofort eintreten und Langzeitschäden aus der Deckung ausgenommen. In der Haushaltsversicherung dagegen sei der Wohnungsinhalt und nicht die Bausubstanz versichert und wiederum bestimmte Glasschäden ausgeschlossen. Die von der Klägerin vorgenommene Totalschadenabrechnung des Hauses, die nicht nach den Sparten differenziere, stelle kein schlüssiges Klagebegehren dar.

[8] Das Erstgericht erkannte mit Teil‑ und Zwischenurteil das Leistungsbegehren im Ausmaß von  338.768 EUR sA als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Das Leistungsmehrbegehren von 720.637,87 EUR sA wies es ab. Die Entscheidung über das Feststellungsbegehren behielt es der Endentscheidung vor. Da Wasser aus einem in den ersten Stock verlegten Gartenschlauch grundsätzlich in der geplanten Weise an den konstruktionsbedingt dafür vorgesehenen Stellen ausgetreten sei, greife die Leitungswasserversicherung nicht, die lediglich Schutz gegen einen nicht bestimmungsgemäßen und unbeabsichtigten Wasseraustritt biete. Es liege aber ein Einbruchsdiebstahl im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen vor.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Der Berufung der Beklagten gab es Folge, änderte die Entscheidung des Erstgerichts teilweise ab und wies das Leistungsbegehren damit zur Gänze ab. Hinsichtlich der Leitungswasserversicherung teilte es die Ansicht des Erstgerichts. Der Eintritt des Versicherungsfalls des Einbruchsdiebstahls sei durch ein Fenster in Kippstellung erleichtert worden, weshalb der Klägerin eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung zur Last falle.

[10] Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

[11] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung in eine Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12] Die Beklagte beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

[14] 1. Ein Zwischenurteil ist ein Feststellungsurteil über den Anspruchsgrund und darf nur erlassen werden, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen bejaht werden können (RS0102003 [T12]). Zum Grund des Anspruchs gehören alle rechtserzeugenden Tatsachen, aus denen der Anspruch abgeleitet wird und alle Einwendungen, die seinen Bestand berühren (RS0122728). Das Zwischenurteil beantwortet die Frage, ob ein Anspruch besteht, abschließend. Insbesondere betrifft auch die Frage der Schlüssigkeit des Klagevorbringens den Grund des Anspruchs. Auch dieser Einwand kann daher im fortgesetzten Verfahren über die Höhe des bereits durch Zwischenurteil dem Grunde nach bejahten Anspruchs nicht mehr mit Erfolg erhoben werden (RS0040736 [T4]). Es ist daher vorab der Unschlüssigkeitseinwand der Beklagten zu behandeln.

[15] 1.1. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell‑rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen-behauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Es widerspricht zwar nicht den Vorschriften der Prozessordnung, nebeneinander zwei Klagegründe geltend zu machen, die einander ausschließen, während jeder aber den gestellten Urteilsantrag rechtfertigt (RS0038130). In so einem Fall können unterschiedliche (auch einander widersprechende) rechtserzeugende Tatsachen geltend gemacht werden, die jede für sich dem einheitlichen Urteilsbegehren zum Erfolg verhelfen sollen. Eine solche Vorgehensweise entspricht einer zulässigen kumulierten Klagenhäufung (vgl etwa 1 Ob 165/22d Rz 9 mwN).

[16] 1.2. Demgegenüber muss im Fall unterschiedlicher Ansprüche, die einem unterschiedlichen rechtlichen Schicksal unterworfen sein können, klargestellt werden, welcher Teil eines Gesamtbegehrens welchen Anspruch umfassen soll.  Werden nämlich aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt mehrere Ansprüche abgeleitet und in einer Klage geltend gemacht, dann muss in einem solchen Fall der objektiven Klagehäufung jeder Anspruch zumindest in der Begründung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen. Es geht in so einem Fall nicht an, die Aufteilung auf die einzelnen Rechtsverhältnisse dem Gericht zu überlassen. Nur wenn eine solche Aufgliederung erfolgt, kann in einem Folgeprozess die der Zulässigkeit einer weiteren Sachentscheidung allenfalls entgegenstehende materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung beurteilt werden (vgl RS0031014 [T15, T24, T25, T29, T35]). Die Klägerin hat die von ihr begehrte Leistung der Beklagten aus dem Schadensfall weder einzeln aufgeschlüsselt noch einer der beiden – ihrem eigenen Vorbringen nach – in Frage kommenden Sachversicherungen zugeordnet, deren Höchsthaftungssummen und Deckungsvoraussetzungen unterschiedlich sind.

[17] 1.3. Es bedarf keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen – insbesondere in Richtung einer Unschlüssigkeit – erhoben hat (RS0037300 [T41]; RS0120056 [T4]). Da die Beklagte auf die Unschlüssigkeit in erster Instanz mehrfach hingewiesen hat, ohne, dass die Klägerin dies zum Anlass für eine Aufschlüsselung genommen hätte, ist das Klagebegehren ohne gegen das – auch für den Obersten Gerichtshof geltende (RS0037300 [T9]) – Verbot einer Überraschungsentscheidung zu verstoßen, wegen Unschlüssigkeit abzuweisen.

[18] 2. Der Revision war damit im Ergebnis keine Folge zu geben.

[19] 3. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 3 ZPO.

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