OGH 7Ob21/25a

OGH7Ob21/25a19.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Malesich, Dr. Weber, Mag. Fitz sowie Mag. Jelinek als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache des Bewohners C* B*, vertreten durch den Erwachsenenvertreter C* B*, und den Verein VertretungsNetz – Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung, 1050 Wien, Ziegelofengasse 33/1/3, (Bewohnervertreterin B* R*), dieser vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in Wien, Einrichtungsleiter Prim. Dr. V* W*, Prim. Dr. K* G*, DGKP T* N*, Msc, und J* W* als Mitglieder der kollegialen Führung, *, vertreten durch Dr. Anton Ehm und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen nachträglicher Überprüfung einer Freiheitsbeschränkung gemäß § 19a HeimAufG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vereins gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. November 2024, GZ 45 R 290/24s‑105, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00021.25A.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterbringungs- und Heimaufenthaltsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Patient erlitt am 6. Jänner 2020 einen schweren Verkehrsunfall. Dabei zog er sich unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit ausgeprägtem Hirnödem und diffusen Blutungen zu. Vor diesem Unfall bedurfte er keinerlei Pflege oder Betreuung im Alltag.

[2] Nachdem er zunächst im AKH und in der Folge in der Klinik Penzing behandelt wurde, kam der Patient am 12. Jänner 2021 in ein AUVA Rehabilitationszentrum. Durch die Behandlung in dieser Einrichtung sollte eine Rückbildung der Bewusstseinsstörung gefördert sowie der Pflege‑ und Betreuungsbedarf gesenkt werden. Der Aufenthalt diente daher der Verbesserung der Gesundheit des Patienten, allerdings war ex ante eine völlige Wiederherstellung (in dem Sinn, dass er wieder selbständig leben kann) mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu erreichen. Eine Verbesserung seines Gesundheitszustands und Verringerung des Pflegebedarfs durch die Behandlung war jedoch zumindest möglich. Durch die Behandlung konnten auch Muskelspannungen abgebaut und die Berührungstoleranz des Patienten erhöht werden. Als durch das Rehabilitationsprogramm keine Verbesserung mehr zu erwarten war, wurde der Patient am 9. März 2021 in ein Pflegeheim transferiert.

[3] Der Verein beantragt – soweit für das Revisionsrekursverfahren relevant – die Freiheit des Bewohners beschränkende Maßnahmen durch Verwendung von Seitenteilen am Bett sowie Verwendung eines Therapietisches am Rollstuhl im Zeitraum von 21. Jänner bis 9. März 2021 in einer Einrichtung im Sinn des § 2 Abs 1 HeimAufG gemäß § 19a HeimAufG nachträglich zu überprüfen.

[4] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das HeimAufG sei nicht anzuwenden, weil die Rehabilitation einen Teil der Krankenbehandlung des Patienten dargestellt habe und noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

[6] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vereins.

[7] 1.1. Das HeimAufG regelt die Voraussetzungen für die Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen, in Behindertenheimen und in anderen Einrichtungen, in denen wenigstens drei psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen ständig betreut oder gepflegt werden können. In Krankenanstalten – wie hier das Rehabilitationszentrum – ist dieses Bundesgesetz nur auf Personen anzuwenden, die dort wegen ihrer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung der ständigen Pflege und Betreuung bedürfen (7 Ob 6/17h). Der Geltungsbereich des HeimAufG wird somit in Krankenanstalten personenbezogen abgegrenzt (7 Ob 1/14v; 7 Ob 209/21t).

[8] 1.2. Die Anwendbarkeit des HeimAufG hängt nicht von einem Ortswechsel des Patienten ab. Ob die im Zuge einer Heilbehandlung angeordneten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in jenem Krankenhaus durchgeführt werden, das den Patienten als erstes aufgenommen hat, oder in einer Krankenanstalt, in die er im Zuge der Behandlung transferiert wurde, spielt für die Abgrenzung zwischen medizinischer Behandlung und ständigem Pflege‑ und Betreuungsbedarf im Sinn des § 2 Abs 1 HeimAufG keine Rolle (RS0121803 [T6] = 7 Ob 194/12y).

[9] 1.3. Wenn die medizinische Behandlung in einer Krankenanstalt noch nicht abgeschlossen und damit nicht klar ist, dass der Patient endgültig der dauernden Pflege und Betreuung bedürfen wird, so unterliegt er nicht dem HeimAufG, selbst wenn dieser Zustand mehrere Monate dauert (RS0121803 [T7] = 7 Ob 194/12y). Die Beurteilung der personenbezogenen Anwendbarkeit des HeimAufG erfordert daher konkrete Feststellungen zum Zustand des Patienten, insbesondere ob er „austherapiert“ ist, das heißt seinen Endzustand erreicht hat (7 Ob 6/17h).

[10] 2. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass das HeimAufG auf den Patienten nicht anwendbar sei, hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung, steht doch fest, dass das Ziel der Behandlung in der Rehabilitationseinrichtung die Förderung der Rückbildung der infolge des Unfalls erlittenen Bewusstseinsstörung sowie die Senkung des unfallbedingten Pflege‑ und Betreuungsbedarfs des Patienten war, dadurch eine geringfügige Besserung seines Gesundheitszustands bewirkt werden konnte und der Patient zu dem Zeitpunkt, zu dem durch das Rehabilitationsprogramm keine Verbesserung mehr zu erwarten war, in ein Pflegeheim transferiert wurde.

[11] Die Entscheidung 7 Ob 199/16i ist nicht einschlägig, weil dort bei der Aufnahme des Patienten schon ein rund 8 Jahre bestehender finaler Zustand einer geistigen Behinderung, die mit einer dauernden Pflege‑ und Betreuungsbedürftigkeit verbunden war, bestanden hat. Gleiches gilt für die Entscheidung 7 Ob 233/16i, weil dort der Patient schon vor der Aufnahme in die Krankenanstalt an einem fortgeschrittenen degenerativ‑demenziellen Prozess vom Typ des Morbus Alzheimer litt und ständiger Pflege und Betreuung bedurfte.

[12] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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