European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00190.24B.0219.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahr 2006 eine fondsgebundene Lebensversicherung mit einer Anlage- und Prämienzahldauer von 25 Jahren ab. Die Veranlagung der Versicherungsprämien erfolgte in einem von der Beklagten verschiedenen Investmentfonds. Der Versicherungsantrag enthielt unter anderem eine Kapitalgarantie und hatte auszugsweise folgenden Inhalt:
„Die Kapitalgarantie besteht darin, dass zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer der aktuelle Fondswert, mindestens jedoch das investierte Kapital als Versicherungsleistung im Erlebensfall zur Auszahlung gelangt. Das investierte Kapital entspricht der eingezahlten Prämie abzüglich der während der Vertragslaufzeit anfallenden Abschluss- und Verwaltungskosten, Versicherungssteuer, Risikoprämie, Abschläge, sonstigen Kosten und Gebühren. [...]
Die Kapitalgarantie beinhaltet eine Höchststandsgarantie, welche aufgrund einer stichtagsbezogenen Bewertung der Garantiefondsanteile ermittelt wird. [...]
Wann entfällt die Kapitalgarantie?
Die Kapitalgarantie besteht nicht während der Vertragsdauer, im Ablebensfall, bei gänzlichem Rückkauf, teilweisem Rückkauf für den rückgekauften Teil, Vorauszahlung und Laufzeitverkürzung. Bestimmungsgemäß stellen die diesem Tarif zugrundeliegenden Garantiefonds den garantierten Wert der Anteile zum Ablaufzeitpunkt der Garantiefonds zur Verfügung. Verfügt ein Fonds zu diesem Zeitpunkt nicht über ausreichendes Vermögen, garantiert die S*, die Erfüllung der Leistungsverpflichtungen.
Die S* AG übernimmt weder die Garantie für den Wert oder die Verfügbarkeit der Garantiefondsanteile zu einem bestimmten Stichtag noch für die Solvenz der S*. Dieses Risiko trägt somit der Versicherungsnehmer. Die Kapitalgarantie entfällt außerdem, wenn die im Rahmen dieses Produkts vorgesehenen Garantiefonds – aus welchen Gründen auch immer – für die S* AG nicht mehr verfügbar sind,“ (= Klausel 1)
[2] Die gegenständliche Lebensversicherung diente der Klägerin als Tilgungsträger für einen Wohnungskredit. Sie erhielt das Produkt über einen selbständigen Versicherungsmakler vermittelt, der sie darüber umfangreich aufklärte, allerdings nicht über den möglichen gänzlichen Entfall der Kapitalgarantie.
[3] Für die Beklagte war nicht vorhersehbar, dass der ursprüngliche Garantiefonds einmal wegfällt. Es ging auch niemand davon aus, dass dieser Fonds aufgelöst wird. Es war zum damaligen Zeitpunkt nur ein komplett hypothetischer Fall.
[4] Im Jahr 2017 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass die Fondsgesellschaft den gegenständlichen Garantiefonds mit 17. 5. 2017 auflösen werde und kein Nachfolgefonds mit den gleichen Eigenschaften mehr aufgelegt werden könne. Gemäß den Versicherungsbedingungen entfalle ab diesem Zeitpunkt die Kapital- und Höchstbetragsgarantie zum Laufzeitende. Darüber hinaus informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass nun sie die Kapitalgarantie selbst in die Hand nehme und das Geld vorübergehend bis zur Umstellung auf das Investmentkonzept der Beklagten in einen anderen Fonds veranlagen werde. Die Klägerin erkundigte sich in der Folge bei einem anderen selbständigen Versicherungsmakler, der diese Vorgangsweise der Beklagten als rechtens bezeichnete und beließ es dabei. Im Jahr 2018 informierte die Beklagte die Klägerin, dass in Kürze eine Umstellung ihres Investments auf eine nun für die gesamte Vertragsdauer wirksame Investmentlösung erfolgen werde und damit nun 85 % des gesamten investierten Kapitals von der Beklagten garantiert werden. Nach dieser Information erkundigte sich die Klägerin nicht weiter und beließ es abermals dabei.
[5] Die Klägerin begehrt von der Beklagten – soweit im Revisionsverfahren relevant –aufgrund der von ihr im Versicherungsvertrag verwendeten gröblich benachteiligenden Klausel 1 die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des Versicherungsvertrags und fordert daher die bezahlten Prämien samt Zinsen zurück. Sie stützt sich eventualiter auf Schadenersatz gemäß § 870 ABGB und UWG wegen arglistiger Irreführung durch die Beklagte.
[6] Die Beklagtewendet – soweit im Revisionsverfahren relevant – ein, selbst wenn die Klausel als unwirksam angesehen werden sollte, führe dies nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags. Listige Irreführung liege nicht vor; im übrigen seien Schadenersatzansprüche jedenfalls verjährt.
[7] Die Vorinstanzenwiesen das Klagebegehren ab. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich nicht, dass die Beklagte arglistig unwahre Tatsachen behauptet oder eine Aufklärung unterlassen hätte, womit die Voraussetzungen für ein Schadenersatzbegehren nach § 874 ABGB nicht vorlägen. Ansonsten wären, da die Klägerin die relevanten Informationen 2017 und 2018 erhalten habe, die 2024 erhobenen Schadenersatzansprüche jedenfalls verjährt. Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung scheide aus: Selbst bei Annahme der Unwirksamkeit der Klausel könne der Lebensversicherungsvertrag auch ohne diese Klausel fortbestehen: Der Wegfall der Klausel führe nämlich letztlich dazu, dass die gewährte Kapitalgarantie bestehen bliebe.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Klägerin zeigtmitihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
[9] 1. Die fondsgebundene Lebensversicherung ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Leistung des Versicherers überwiegend nach der Entwicklung eines Investmentfonds oder eines aus Wertpapieren bestehenden Anlagestocks richtet. Der Versicherungsnehmer trägt das bei Wertpapieren immanente Risiko des Wertverlusts, hat aber auch die Chance auf eine positive Wertentwicklung des Anlagestocks. Er erhält damit grundsätzlich nicht (zumindest nicht überwiegend) eine der Höhe nach garantierte, sondern eine kurs‑ und kapitalmarktabhängige Leistung. Die Höhe wird durch den Wert der auf die Versicherung entfallenden Anteileinheiten des Anlagestocks zu einem in den Versicherungsbedingungen festgelegten Zeitpunkt errechnet (vgl 7 Ob 105/24b mwN).
[10] 2. Es ist daher dem hier von der Klägerin erworbenen Produkt immanent, dass die Entwicklung des Investments kursabhängig ist und mit der Chance auf eine positive Entwicklung immer auch ein Wertverlustrisiko einhergeht. Das Produkt bietet im hier vorliegenden Fall eine zusätzliche Leistung an, indem eine dritte Kapitalgesellschaft eine – grundsätzlich in einem solchen Produkt gar nicht vorgesehene (vgl 7 Ob 156/24b) – Garantie für den Erhalt des investierten Kapitals übernimmt. Die in Rede stehende Klausel regelt einen Wegfall der Garantie für den Fall, dass der zugrundeliegende Fonds aufgelöst wird.
[11] 3. Eine für missbräuchlich erklärte Vertragsklausel ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen, sodass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann und die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befunden hätte (vgl etwa 7 Ob 51/24m [Rz 23] mwN).
[12] 4. Die Klägerin geht in ihrer Revision selbst davon aus, dass auch der gedachte Wegfall der Klausel zur Konsequenz hat, dass die Kapitalgarantie bestehen bleibe (Seite 3 Mitte). Sie erblickt die Undurchführbarkeit des Versicherungsvertrags aber darin, dass nunmehr kein Garantiefonds mehr bestehe.
[13] Dem kann nicht gefolgt werden:
[14] Die inkriminierte Klausel regelt nur ein bestimmtes Szenario als Voraussetzung für einen Garantieentfall. Denkt man sich diese Klausel weg, entfällt lediglich der als Folge der Schließung des Fonds normierte Wegfall der Garantie, die Garantie bleibt diesfalls also in ihrer vereinbarten Form bestehen. Ohne die Klausel wird ansonsten nicht mehr oder weniger über allfällige Folgen des Wegfalls des Fonds ausgesagt als bei ihrem Bestehen. Somit ist durch den von der Klägerin angestrebten Klauselwegfall ihre Rechtsposition in Bezug auf den Garantiewegfall nicht verschlechtert. Sonstige Konsequenzen für das Vertragsverhältnis regelt die inkriminierte Klausel aber nicht. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass damit der Vertrag nicht undurchführbar wird, ist vor diesem Hintergrund nicht korrekturbedürftig.
[15] 5. Fragen zur allfälligen Möglichkeit der Füllung der durch eine unwirksame Klausel entstandenen Lücke stellen sich damit nicht.
[16] 6. Auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass Schadenersatzansprüche gemäß § 874 ABGB auf Basis der getroffenen Feststellungen bereits an der mangelnden Arglist der Beklagten scheitern müssen und im übrigen aufgrund der der Klägerin 2017 und 2018 vorliegenden Informationen bereits verjährt wären, ist nicht korrekturbedürftig. Welchen Einfluss ein „Sich-Berufen“ der Beklagten auf die als unzulässig angesehene Klausel in den Informationsschreiben aus 2017 und 2018 im Vergleich zu einem Hinweis darauf, dass sie die Klausel gar nicht verwenden dürfe, auf den Lauf der Verjährungsfrist für allfällige Schadenersatzansprüche nach den Grundsätzen von Treu und Glauben haben hätte können, vermag die Klägerin nicht dazulegen. Das ihrer Ansicht nach rechtmäßige Verhalten hätte die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen weniger naheliegend gemacht, als die tatsächlich erhaltenen Informationen.
[17] 7. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
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