European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00183.24Y.1120.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Bezirksgericht für Handelssachen Wien am 27. September 2024 zu 22 C 278/20y (22 C 289/20z [richtig; 22 C 269/20z], 22 C 270/20x) gestellten und zu C‑751/24 des Europäischen Gerichtshofs behandelten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.
Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.
Begründung:
[1] Die Klägerin erwarb am 10. Mai 2012 privat einen Skoda Yeti allround TDI DSG mit der Motortype EA189, EU 5 zum Preis von 27.500 EUR.
[2] Die Klägerin begehrte die Zahlung von 16.525,66 EUR Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs. Hilfsweise begehrt sie die Zahlung von 8.250 EUR sA und die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden, welcher ihr aus dem Kauf des Fahrzeugs und dem darin verbauten Dieselmotor Typ EA189 zukünftig entstehen werde. Sie nehme die Beklagte nicht als Fahrzeugherstellerin in Anspruch, sondern als Herstellerin der Emissionssteuerung bzw der unzulässigen Abschalteinrichtungen. Die Beklagte sei „Inhaberin der Systemgenehmigung“ und daher Herstellerin im Sinn der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG . Ihre Inanspruchnahme sei daher wegen einer Schutzgesetzverletzung möglich. Eine Zurechnung der Schutzgesetzverletzung an die Beklagte als Motorenherstellerin und Konstrukteurin der Abschalteinrichtung sei auch deshalb vorzunehmen, weil die Fahrzeugherstellerin zu 100 % im Eigentum der Beklagten stehe. Im Übrigen stütze die Klägerin ihre Ansprüche auf § 874 ABGB, § 1295 iVm § 1323 ABGB, § 2 UWG, Garantie, listige Irreführung gemäß §§ 870 ff ABGB und Nichtigkeit gemäß § 879 ABGB „wegen bereits erloschener Betriebsgenehmigung“.
[3] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren.
[4] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 15.500 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und wies ein Mehrbegehren von 1.025,66 EUR sA ab. Eine Inanspruchnahme der Beklagten wegen einer Schutzgesetzverletzung sei möglich; diese sei Schutzgesetzadressatin.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision mit der Begründung zu, dass die Frage der deliktischen Haftung nach unionsrechtlicher Grundlage (Schutzgesetzverletzung durch die Motorherstellerin/Inhaberin der Systemgenehmigung), soweit überblickbar noch nicht entschieden worden sei.
[6] Mit ihrer Revisionstrebt die Beklagte eine Abänderung des Urteils des Berufungsgerichts dahin an, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[7] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Sie regt weiters die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über den vom Bezirksgericht für Handelssachen Wien gestellten Antrag auf Vorabentscheidung an.
[8] Im Verfahren 22 C 278/20y (22 C 289/20z [22 C 269/20z], 22 C 270/20x) hat das Bezirksgericht für Handelssachen Wien dem EuGH(C‑751/24 [Gebrüder Weiss]) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„Sind die Bestimmungen der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Abl L 263/1 vom 9. 10. 2007) iVm Art 5 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zur Reparatur und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (Abl L 171/1 vom 29. 6. 2007) im Lichte des Urteils vom 31. 3. 2023, Mercedes‑Benz Group (C‑100/21 , EU:C:2023:229) dahin auszulegen, dass sie die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dem Hersteller des in diesem Fahrzeug verbauten Motors schützen, wenn dieser Motor von seinem Hersteller mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinn von Art 5 Abs 2 der Verordnung Nr 715/2007 ausgestattet worden ist, jedoch der Hersteller des Fahrzeugs im Sinn von Art 3 Nr 27 der RL 2007/46 nicht der Hersteller des Motors, sondern eine zu 100 % im wirtschaftlichen Eigentum des Motorherstellers stehende Tochtergesellschaft ist?“
Rechtliche Beurteilung
[9] Auch im vorliegenden Fall sieht die Klägerin ihren Schaden im Erwerb eines Fahrzeugs, das mit einer von der – behauptetermaßen auch im 100%igen Eigentum der Fahrzeugherstellerin stehenden – beklagten Motorherstellerin erzeugten unzulässigen Abschalteinrichtung versehen worden sei.
[10] Die Beantwortung der im Verfahren 22 C 278/20y (22 C 269/20z, 22 C 270/20x) des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien herangetragenen Vorlagefrage ist auch im vorliegenden Fall für die Beurteilung des Eintritts eines Schadens der Klägerin relevant.
[11] Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen und diese auch für andere Fälle als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Aus prozessökonomischen Gründen ist das Verfahren daher zu unterbrechen (RS0110583).
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