European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00001.76.0130.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, an Kosten des Revisionsverfahrens der beklagten Partei S 2.699,52 (darin Barauslagen S 600,--, Umsatzsteuer S 155,52) und den Nebenintervenienten S 3.329,40 (darin Barauslagen S 600,--, Umsatzsteuer S 202,20) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der am * 1974 verstorbene Ehegatte der Klägerin, J* B*, beantragte am 6. April 1973 bei der Beklagten den Abschluß einer Ab- und Erlebensversicherung mit einer Versicherungssumme von S 63.000,--. Dieser Antrag wurde von der Beklagten mit Versicherungsbeginn 1. August 1973 angenommen und die auf den Überbringer lautende Versicherungspolizze Nr. * ausgestellt. Dem Versicherungsvertrag wurden die allgemeinen Versicherungsbedingungen für Kapitalversicherungen (AVB) zugrundegelegt, deren § 8 folgendermaßen lautet:
„(1) Hat der Versicherungsnehmer oder der Versicherte bei Abschluß, Änderung oder Wiederherstellung der Versicherung einen ihm bekannten Umstand, der für die Übernahme der Gefahr erheblich ist, verschwiegen oder falsch angegeben, so ist der Versicherer berechtigt, innerhalb eines Monates, nachdem er von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt hat, von dem Vertrag zurückzutreten. Als erheblich gelten im Zweifel alle Umstände, nach denen der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat. Waren die Gefahrenumstände an der Hand schriftlicher, von dem Versicherer gestellter Fragen anzuzeigen, so kann der Versicherer wegen unterbliebener Anzeige eines Umstandes, nach welchem nicht gefragt worden ist, nur im Falle arglistiger Verschweigung zurücktreten.
(2) Rücktritt ist ausgeschlossen:
a) wenn der Versicherer den verschwiegenen Umstand kannte; Kenntnis eines Vermittlers der Versicherung steht der Kenntnis des Versicherers nicht gleich;
b) wenn weder den Versicherungsnehmer noch den Versicherten ein Verschulden trifft;
c) wenn der Versicherte gestorben ist und der verschwiegene oder falsch angegebene Umstand keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles gehabt hat;
d) wenn seit Abschluß, Änderung oder Wiederherstellung der Versicherung 3 Jahre verstrichen sind.
Daß einer dieser Umstände vorliegt, hat derjenige zu beweisen, der die Berechtigung des Rücktrittes bestreitet.
(3) Das Recht des Versicherers, die Versicherung wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt."
Mit Schreiben vom 23. April 1974 (Beilage 6) lehnte die Beklagte die Auszahlung der Versicherungssumme ab. Sie erklärte, vom Vertrage zurückzutreten, war jedoch bereit, den Rückkaufswert der Versicherungssumme mit S 2.772,-- gegen Unterfertigung der angeschlossenen Quittungsvorschreibung auszuzahlen und belehrte die Klägerin im Sinne des § 18 Abs 1 AVB. Die Nebenintervenienten sind die Erben des bereits verstorbenen Vertrauensarztes der Klägerin, Dr. A* K*, der J* B* vor Versicherungsabschluß untersuchte.
Mit ihrer beim Erstgericht am 18. Juni 1974 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Auszahlung der Versicherungssumme von S 63.000,-- samt Anhang. Die Beklagte beantragt Klagsabweisung. Sie bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin, weil die Polizze am 13. März 1974 nicht von ihr, sondern ihrem Sohn H* B* überreicht worden sei, der auch erklärt habe, vom Versicherten die Polizze noch vor dessen Tod ausgefolgt erhalten zu haben. J* B* habe außerdem vor Abschluß des Versicherungsvertrages für die Übernahme der Gefahr erhebliche Umstände verschwiegen. Die Klägerin habe trotz Kenntnis der Erkrankung ihres Gatten den Abschluß des Versicherungsvertrages zugelassen und bestehe, nunmehr in sittenwidriger Weise auf dessen Erfüllung.
Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens und legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:
Im Jahre 1966 wurde J* B* am Hals wegen eines Sarkoms (einer bösartigen Wucherung, die im allgemeinen rasch zum Tode führt) operiert und anschließend mit Röntgenstrahlen behandelt. Von den Ärzten wurde er wegen Selbstmordgefahr über die Schwere und Art seiner Erkrankung nicht informiert. Als Folge des Sarkoms stellte sich im Jahre 1969 bei J* B* eine Lähmung der Beine ein. Durch eine Entzündung der Rückenmarkshäute war J* B* Rückenmark schon so beeinträchtigt, daß er praktisch gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen war. Durch Rückenmarksoperationen sollte diesem Zustand abgeholfen werden, jedoch blieb trotzdem die Lähmung bestehen. Diese stellte die Klägerin ihrem Ehegatten als Folge eines Zusammenstoßes mit einem PKW dar. Im Frühjahr 1970 mußte an J* B* eine Dünndarmresektion vorgenommen werden, weil es infolge des Sarkoms zu einer Darmblutung gekommen war. Im Juni 1970 wurde an J* B* wegen mächtiger Halslymphome erfolgreich eine Strahlentherapie durchgeführt. Im Herbst 1970 kam es neuerlich zu einer schweren Darmblutung, die zu einer operativen Öffnung der Bauchhöhle führte, bei der jedoch (wegen des Vorhandenseins zahlreicher Tochtergeschwülste) nichts mehr weiter unternommen wurde. Auf eine bei ihm durchgeführte Endoxanbehandlung sprach J* B* sehr gut an. Die Kur mußte jeweils nach einer Dauer von vier bis sechs Wochen auf einen Monat unterbrochen werden, weil durch sie die weißen Blutkörperchen den (unteren) Grenzwert erreichten. Daneben erhielt J* B* schmerzstillende Medikamente. Die pillenförmigen Präparate wurden ihm jedoch mit dem Hinweis gegeben, es handle sich um Vitamintabletten. Auch Eisen- und Vitamintabletten nahm J* B* täglich ein. Seit 1971 waren im Kreuz Knochenmeta festzustellen. 1972 brach sich J* B* ein Bein (nicht durch das Sarkom bedingt). Ab diesem Zeitpunkt traten die Schmerzen in den Beinen stärker auf, weshalb operativ die Vorderseitenstrangbahn des Rückenmarkes durchschnitten wurde. Diese Operation hatte nur einen Teilerfolg, weil die Schmerzen nur im rechten Bein aufhörten. Seit der Querschnittlähmung hatte J* B* einen Dauerkatheder. Er war ziemlich beleibt und in den letzten Jahren seines Lebens auch aufgedunsen. Die Gewichtszunahme bestärkte ihn in der Annahme, daß er an keiner bösartigen Wucherung leide.
Er glaubte vielmehr, die Ursache seiner Krankheit seien entzündliche Veränderungen im Rückenmark, die durch medikamentöse Behandlung abklingen würden. Dr. D*, der J* B* seit 1971 behandelte, informierte die Klägerin über die Natur der Krankheit ihres Gatten und erweckte nie die Hoffnung, daß die Leiden zu beseitigen wären und keine Gefahr mehr bestünde. Dr. D* gewann jedoch den Eindruck, daß ihm die Familie J* B* nicht glaubte, insbesondere, wenn sich dessen Zustand besserte. Im Jahre 1971 stellte J* B* bei der W* den Antrag auf Abschluß einer Lebensversicherung, weshalb diese Anstalt bei Dr. D* rückfragte. Dieser beantwortete die Anfrage dahin, daß J* B* an einem Sarkom erkrankt sei. Er teilte weiters mit, daß Herde im Magen und Darmtrakt aufgetreten seien, weshalb man eine im August 1970 vorgenommene Operation als aussichtslos abgebrochen habe. Trotz dieser Auskunft schloß die W* einen Lebensversicherungsvertrag ab. Im Jahre 1973 wendete sich der Sachbearbeiter der Beklagten, J* H*, wegen Abschlusses einer Lebensversicherung an die Klägerin, die ihn an ihren Gatten verwies. Bei den darauf stattgefundenen einleitenden Besprechungen erklärte J* B*, daß er deshalb einen Rollstuhl benützen müsse, weil er nach einem Unfall schlecht operiert worden sei. J* H* stellte jedoch in dieser Richtung keine weiteren Fragen, da von vornherein eine ärztliche Untersuchung vorgesehen war. Er veranlaßte diese durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. K*, mit dem er schon mehrmals zusammengearbeitet hatte. Dieser suchte J* B* am 23. Februar 1973 auf und füllte das ärztliche Berichtsformular (Beilage 3) aus. In diesem wurde hinsichtlich der Fragen nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden der Verdauungsorgane (Punkt 2 lit.c) und nach Geschwülsten (Punkt 2 lit. b) das Wort „nein“ eingetragen. Die Frage nach einer Erkrankung des Gehirnes oder des Rückenmarkes (Punkt 2 e) wurde mit „ja“ beantwortet und zur Frage hinsichtlich der Art der Erkrankung (Punkt 3) auf die Bandscheibenoperation 1969 und die „Schwäche im rechten Bein“ verwiesen. Auch die Fragen Punkt 4 lit. b (Nehmen Sie regelmäßig oder gewohnheitsmäßig Drogen oder Medikamente? Welche?) und Punkt 6 c (Sind Sie mit Röntgen-, Radium-, Isotopen- oder sonstigen Strahlen behandelt worden?) wurden mit nein beantwortet. Die Operationsnarbe des J* B* an der Bauchdecke reichte bis zur Magenhöhe und war auch dann zu sehen, wenn er eine Badehose trug. Der Untersuchung des J* B* durch Dr. K* wohnten neben der Pflegerin H* K* auch seine Tochter R* und sein späterer Schwiegersohn W* P* bei. J* B* erklärte Dr. K*, daß die Operationsnarbe von einer Darmblutung stamme. Dr. K* erwiderte jedoch, dies sei nicht wichtig, weil die Narbe schön verheilt sei. Bezüglich seiner Narbe im Genick sagte J* B*, der während der Untersuchung mit einer Badehose bekleidet war, daß wegen Beinschmerzen der Nerv durchtrennt worden sei. Zur Harnabnahme begab sich J* B* auf die Toilette, weshalb Dr. K* den Katheter nicht sehen konnte. Als behandelnder Arzt wurde Dr. D* genannt. Im Punkt 10) der Beilage ./3 (Welchen Arzt nehmen Sie gewöhnlich in Anspruch-Hausarzt?) setzte Dr. K* das Wort „keinen“ ein. Vor Unterfertigung der Beilage ./3 wurden die Fragen und Antworten dem J* B* nicht mehr vorgelesen. Dr. K* erklärte ihm, er brauche nur zu unterschreiben. Fragen nach einer Behandlung mit Röntgen- oder sonstigen Strahlen wurden von Dr. K* nicht vorgelesen. Diese Bestrahlungen waren J* B* gegenüber damit motiviert worden, daß sie dem Heilungsverlauf und der Verschönerung der Narben dienlich seien. Dr. K* stellte auch keine Fragen, welche Medikamente oder Vitamintabletten J* B* zu sich nehme. In der Bemerkungsspalte vermerkte Dr. K* abschließend „o.B.“ und teilte noch am gleichen Tag dem J* K* mit, daß J* B* „pumperlgesund“ und nur korpulent sei; sein Antrag könne ohne Bedenken angenommen werden. Mit 6. April 1973 wurde der Antrag auf Abschluß einer Lebensversicherung (Beilage ./8) mit einer Summe von S 63.000,-- unterschrieben und darin Dr. D* als Hausarzt genannt. Im Dezember 1973 erreichte die Krankheit J* B* das Endstadium. Es kam zu einer aufsteigenden Harnvergiftung, verbunden mit einem Versagen der Nieren. Dies konnte auch mit Antibiotika nicht mehr erfolgreich bekämpft werden. Daneben trat eine generalisierte Tumoraussaat auf. Am * 1974 starb J* B*.
Das Erstgericht bejahte die Aktivlegitimation der Klägerin und war der Ansicht, daß die Beklagte bei der ihr zumutbaren Prüfung der von J* B* in den Fragebogen Beilage ./3 gemachten Angaben hätte erkennen können, daß dieser nicht von einem praktischen Arzt behandelt werde. Dieser Umstand hätte sie bei der Prüfung ihres Risikos zu entsprechenden Nachforschungen veranlassen müssen. Die Fehldiagnose des Vertrauensarztes der Beklagten könne nicht der Klägerin angelastet werden, die sich darauf habe verlassen dürfen, daß die Beklagte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ihr Risiko einschätzen und demgemäß handeln werde. In der Geltendmachung des Anspruches durch die Klägerin könne ein sittenwidriger Rechtsmißbrauch nicht erblickt werden.
Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten und der Nebenintervenienten das Klagebegehren ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, war jedoch der Auffassung, J* B* hätte sich bei Unterfertigung des Antragsformulars Beilage 3 überzeugen müssen, daß dieses richtig ausgefüllt worden sei. Es könne ihm bei unwahren Angaben nicht zugute gehalten werden, daß der untersuchende Arzt die Unwahrheit hätte feststellen müssen. Da J* B* regelmäßig Medikamente eingenommen und sich bereits einer Strahlentherapie unterzogen habe, hätte ihm bei genauem Durchlesen der Beilage./3 auffallen müssen, daß die Fragen Punkt 4 lit. b) und 6 lit. c) unrichtig beantwortet seien. Wenn er trotzdem das Formular Beilage ./3 unterfertigt habe, ohne auf die Unrichtigkeit dieser Antworten hinzuweisen, sei ihm dies als Verschulden anzulasten. Der Umstand, daß Dr. K* die unrichtige Beantwortung dieser Fragen hätte erkennen können, sei hingegen unbeachtlich. Da sämtliche Umstände nach denen vom Versicherer gefragt werde, als erheblich zu betrachten seien, erweise sich der Vertragsrücktritt der Beklagten als berechtigt.
Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO und beantragt, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Beklagten und die Nebenintervenienten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, welches ein Verschulden des J* B* an der unrichtigen Beantwortung der in dem kleinen ärztlichen Bericht (Beilage ./3) gestellten Fragen darin erblickte, daß er das ihm vorgelegte bereits ausgefüllte Formular ohne vorherige Überprüfung unterfertigt habe. J* B* sei gegenüber der Klägerin als Privatmann aufgetreten, weshalb auf ihn die nach dem Handelsrecht für einen Kaufmann entwickelten Grundsätze über die unbesehene Unterfertigung einer Urkunde nicht angewendet werden könnten. Darüber hinaus habe der Vertrauensarzt der Klägerin, Dr. K*, durch seine Äußerung, J* B* brauche nur noch zu unterschreiben, diesen geradezu vorsätzlich an einer Überprüfung der darin enthaltenen Angaben gehindert. Für dieses Verhalten ihres Vertrauensarztes hafte aber die Klägerin. J* B* könne somit ein Verschulden an der unrichtigen Beantwortung der in Beilage ./3 gestellten Fragen nicht angelastet werden.
Den Ausführungen der Revisionswerberin kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Ob nämlich das von den Untergerichten festgestellte Verhalten des Dr. K* die teilweise unrichtige Beantwortung der in Beilage. /3 gestellten Fragen durch J* B* entschuldigt, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, wurden doch von letzterem nicht nur in dem kleinen ärztlichen Bericht; (Beilage ./3), sondern auch in dem Antrag auf Abschluß einer Lebensversicherung (Beilage ./8), dessen Echtheit von der Revisionswerberin anerkannt wurde (S. 64), Fragen beantwortet. Die dort gestellten Fragen C 1 (Sind Sie bereits lebensversichert? Bei welcher Gesellschaft? Versicherungssumme? Polizzennummer?) und C 2 (Wurde der Abschluß einer Versicherung auf ihr Leben von einer anderen Anstalt abgelehnt, zurückgestellt, oder nur zu erschwerenden Bedingungen für annehmbar befunden?) beantwortete J* B* mit „nein“. Dies war aber falsch, weil im Zeitpunkte der Antragstellung bereits bei der W* eine Lebensversicherung bestand, die diese in Kenntnis der Krebserkrankung des J* B* abgeschlossen hatte.
J* B* wußte allerdings nichts von seiner Erkrankung, Jedoch war ihm bekannt, daß bereits eine Lebensversicherung bestand.
An die vom Versicherten (Antragsteller) bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht (§ 16 VersVG, § 8 AVB) anzuwendende Sorgfalt sind grundsätzlich ganz erhebliche Anforderungen zu stellen (Bruck-Möller, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz8 I S. 328, Prölß-Martin VersVG20 S. 163). Zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag ist der Versicherer freilich nur dann berechtigt, wenn dem Versicherten an der unrichtigen Beantwortung der ihm gestellten Fragen ein Verschulden trifft. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Anzeigepflichtige wohl entschuldigt, wenn er unklar gestellte Fragen falsch verstanden und daher unrichtig oder unvollständig beantwortet hat (Prölß-Martin S. 163). Werden jedoch vom Versicherten klar gestellte Fragen unrichtig beantwortet, so ist er in der Regel hiefür auch dann verantwortlich, wenn bei der Ausfüllung des ihm vorgelegten Formulars ein Agent des Versicherers mitgewirkt hat; dies besonders dann, wenn es sich bei den anzuzeigenden Tatsachen um solche handelt, über die der Versicherte nur aus eigenem Wissen (Individualtatsachen) Auskunft erteilen kann. Bei der Beantwortung derartiger, Individualtatsachen betreffender Fragen ist es daher dem Versicherten bereits als Verschulden anzulasten, wenn er das vom Versicherungsagenten unrichtig oder unvollständig ausgefüllte Formular unterfertigt, ohne es vorher auf seine Richtigkeit überprüft zu haben (Bruck-Möller I S. 331, Prölß-Martin 20 S. 163 f., RG 39/177, 46/184, 66/275).
J* B* hat in dem von ihm unterfertigten Antragsformular, Beilage ./8, die bereits erwähnte Frage C 1 unrichtig beantwortet. Selbst wenn dieses Formular, wie die Revisionswerberin behauptet, vom Versicherungsvertreter J* H* unrichtig ausgefüllt worden sein sollte, hätte dies J* B*, wenn er vor seiner Unterfertigung eine Überprüfung im Sinne der vorangehenden Ausführungen vorgenommen hätte, auffallen müssen. Wenn daher J* B* das Formular ohne eine solche Überprüfung unterfertigte, so gereicht ihm dies zum Verschulden. Die Voraussetzungen für den von der Beklagten erklärten Vertragsrücktritt liegen somit vor. Hiezu ist noch festzuhalten, daß eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers einen erheblichen Umstand betroffen haben muß (§ 16 Abs 2 VersVG). Umstände, nach denen der Versicherer ausdrücklich oder schriftlich gefragt hat, gelten aber im Zweifel als erheblich (§ 16 Abs 1 VersVG). Daß auch die richtige Beantwortung der vorgenannten Frage durch J* B* nicht geeignet gewesen wäre, den Entschluß der Beklagten zum Vertragsabschluß in irgendeiner Weise zu beeinflussen, hat die hiefür beweispflichtige Revisionswerberin nicht einmal behauptet (Bruck-Möller S 323).
Ein Ausschluß des Rücktrittsrechts der Beklagten nach §§ 16 Abs 3 VersVG, 8 Abs 2 lit a AVB ist schon deshalb zu verneinen, weil der nicht angezeigte Umstand (Versicherungsanstalt, Polizzennummer der noch bestehenden Lebensversicherung) eine Individualtatsache betraf, über die J* B* nur aus eigenem Wissen Auskunft zu erteilen in der Lage war und die daher der Beklagten nicht bekannt sein konnte. Eine allfällige Kenntnis des Vermittlers der Versicherung steht hingegen der Kenntnis des Versicherers nicht gleich (§ 8 Abs 2 lit a AVB).
Ein Eingehen auf die von der Beklagten gleichfalls erhobene Einrede der Arglist und der Sittenwidrigkeit erübrigt sich. Ebenso braucht die Frage der Aktivlegitimation der Revisionswerberin nicht mehr näher untersucht zu werden.
Der Revision der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)