OGH 6Ob48/75

OGH6Ob48/7517.4.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Sperl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Samsegger, Dr. Resch und Dr. Griehsler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Franz Hohensinn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Z*, vertreten durch Dr. Hans Frieders und Dr. Haimo Puschner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 318.618,26 DM samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Jänner 1975, GZ. 1 R 126/74‑44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 16. Mai 1974, GZ. 18 Cg 138/73‑31, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0060OB00048.75.0417.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 17.771,76 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.049,76 S Umsatzsteuer und 3.600 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit der vorliegenden Rechtssache bereits in seinem Beschluß vom 14. Juni 1973, 6 Ob 265/72, zu befassen, so daß an die dort gegebene Darstellung der Sach- und Rechtslage angeknüpft werden kann.

Im zweiten Rechtsgang brachte die Klägerin zu dem den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Anspruch auf 318.618,26 DM samt 6 % Zinsen seit 29. August 1966 ergänzend vor, seitens der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin sei von der Beklagten eine ausdrückliche und über eine Wechselbürgschaft hinausgehende Garantie dafür verlangt worden, daß die streitgegenständlichen Wechsel eingelöst würden. Diesem Begehren sei anläßlich „der bereits zitierten Besprechung im Hotel * in *“ entsprochen worden. Dort sei es zufolge Abgabe und Annahme der Garantieerklärung zur Garantievereinbarung zwischen den Streitteilen gekommen. Da die Wechsel von der Klägerin bzw. deren Rechtsnachfolgerin hätten angekauft und damit aus dem Verkehr gezogen werden sollen, sei auf Bedenken dritter Personen gegen die Bonität der Erstunterschrift kein Bedacht zu nehmen.

Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren zur Gänze ab. Es verwies „hinsichtlich des Tatbestandes und des Vorbringens beider Streitteile“ auf sein Urteil vom 26. Juni 1972, ONr. 13, und die Entscheidungen des Berufungsgerichtes vom 19. Oktober 1972, ONr. 18, sowie des Obersten Gerichtshofes vom 14. Juni 1973, ONr. 21. Es führte aus, hinsichtlich des auf das Wechselgeschäft gestützten Anspruches von 318.618,26 DM bedürfe es nach den Entscheidungen des Berufungsgerichtes und des Obersten Gerichtshofes keiner Ergänzung des Verfahrens.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin, soweit sich diese gegen die Abweisung des Begehrens auf Bezahlung von 318.618,26 DM samt 6 % Zinsen seit 29. August 1966 richtete, nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil in diesem Umfang als Teilurteil. Im übrigen gab es der Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die Abweisung des Begehrens auf Bezahlung von 1,048.920 sfr. samt 5 % Zinsen seit 4. Juni 1966 sowie im Kostenausspruch auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Zur Forderung von 318.618,26 DM samt Anhang führte das Berufungsgericht aus, die Bindung des § 511 Abs. 1 ZPO trete grundsätzlich nur hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung ein und bestehe nur solange, als die dem Erstgericht und dem Rechtsmittelgericht vorgelegenen rechtserzeugenden Sachverhalte ident seien. Sie sei ausschließlich prozeßrechtlicher Art. Anders als die materielle Rechtskraftwirkung äußere die Bindung des § 499 Abs. 2 ZPO auf die Parteien keine Präklusionswirkung. Das neue Vorbringen der Parteien müsse sich aber im Rahmen des § 496 Abs. 2 ZPO bewegen. Nach § 496 ZPO habe sich das Verfahren vor dem Prozeßgericht im Falle einer Aufhebung nach § 496 Abs. 1 Z. 1 ZPO auf die unerledigt gebliebenen Ansprüche und Anträge, im Falle der Z. 2 auf die durch den Mangel betroffenen Teile des erstgerichtlichen Verfahrens und Urteiles zu beschränken. Die vom Mangel überhaupt nicht betroffenen Teile blieben unberührt und dürften auch nicht mehr neuerlich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden. Die Neudurchführung (der Verhandlung) erstrecke sich auf diejenigen Verfahrensteile, welche im konkreten Fall unmittelbar oder mittelbar durch den Mangel berührt wurden und deren Erneuerung oder Ergänzung sich notwendig aus der Behebung des Mangels ergebe. Im Zweifelsfall stelle der Aufhebungsbeschluß die Abgrenzungsgrundlage dar. Was in ihm als abschließend erledigt oder als zutreffend entschieden und unumstößlich erklärt worden sei, könne keinesfalls mehr Gegenstand des erneuerten Verfahrens sein. Seien ursprünglich zwei gesonderte Forderungen in einer Klage geltend gemacht worden und hebe ein Gericht höherer Instanz das gesamte erstgerichtliche Urteil auf, bezeichne es aber die Rechtssache bezüglich einer Forderung als spruchreif, könne das Verfahren bezüglich dieser Forderung nicht mehr aufgerollt werden. Da der Oberste Gerichtshof in seinem den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes bestätigenden Beschluß das Verfahren „bezüglich der DM-Forderung“ als spruchreif bezeichnet habe, habe das Erstgericht auf das neue Vorbringen der Klägerin zu dieser Forderung nicht mehr eingehen dürfen und daher mit Recht das diesbezügliche Begehren abgewiesen.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Teilurteil aufzuheben und „die Rechtssache an die Unterinstanzen zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung zurückzuverweisen“.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens behauptet die Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe sich in unrichtiger Anwendung von Verfahrensgesetzen weder mit dem ursprünglichen noch mit dem ergänzenden Vorbringen hinsichtlich der Wechselgarantie und der deutschen Rechtslage hiezu auseinandergesetzt. Zur Erörterung dieses Fragenkomplexes hätte umsomehr Anlaß bestanden, als das Erstgericht weder im ersten noch im zweiten Rechtsgang materiell auf das Klagsvorbringen hinsichtlich der Garantie eingegangen sei und „es bei einer übrigens verfehlten Anwendung von Verjährungsbestimmungen“ habe bewenden lassen. Der Mangel an Verfahrensergebnissen sei offenkundig mit ein Grund gewesen, welcher den Obersten Gerichtshof seinerzeit bewogen habe, es bei einer Bestätigung des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes zu belassen. Bei seiner zu § 496 ZPO vertretenen, auf Fasching gestützten Ansicht habe das Berufungsgericht übersehen, daß es seinerzeit das Urteil des Erstgerichtes ausdrücklich gemäß § 496 Abs. 1 Z. 2 und 3 ZPO aufgehoben habe.

Der Oberste Gerichtshof ist in seiner den im ersten Rechtsgang gefällten Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes bestätigenden Entscheidung der Ansicht der zweiten Instanz, das Verfahren sei auch hinsichtlich des auf das Wechselgeschäft gestützten Anspruches ergänzungsbedürftig, entgegengetreten und er hat ausführlich dargelegt, daß die Ansprüche aus diesem Geschäft verjährt sind und wegen des durch Verjährung eingetretenen Verlustes aus diesem Geschäft auch keine Schadenersatzansprüche abgeleitet werden könnten.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß diese vom Obersten Gerichtshof ausgesprochene Rechtsansicht für das weitere Verfahren gemäß § 511 Abs. 1 ZPO bindend war. Hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß es zufolge dieser Rechtsansicht hinsichtlich der aus dem Wechselgeschäft abgeleiteten Ansprüche keiner Verfahrensergänzung mehr bedarf, konnte die Klägerin dazu kein ergänzendes Vorbringen mehr erstatten. Das Wechselgeschäft war somit nicht mehr Gegenstand des auf Grund des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzenden Verfahrens (vgl. dazu die in der SZ Band 38 unter Nr. 96 veröffentlichte Entscheidung, in welcher dies hinsichtlich der in einem Aufhebungsbeschluß abschließend beurteilten Frage der Verjährung ausgesprochen wurde; ferner EvBl 1959, S. 132, Nr. 76; Fasching, Komm. z. d.ZPG, IV, S. 213). Von einer unrichtigen Anwendung von Verfahrensgesetzen wegen Nichtbeachtung eines weiteren zum Wechselgeschäft erstatteten Vorbringens der Klägerin durch das Berufungsgericht kann daher keine Rede sein.

Ein weiterer Verfahrensmangel soll darin liegen, daß das Berufungsgericht die in der Berufung der Klägerin zu den aus dem Wechselgeschäft abgeleiteten Ansprüchen angeführte deutsche Rechtsprechung nicht beachtet und die Frage des Inhaltes des anzuwendenden deutschen Rechtes nicht geprüft habe. Die Revisionswerberin führt dazu aus, die materiell‑rechtliche Bindung an die Bestimmungen des anzuwendenden deutschen Rechtes habe Vorrang vor prozeßrechtlichen Erwägungen.

Auch damit unternimmt die Klägerin nur den untauglichen Versuch, der Bindungswirkung der vom Obersten Gerichtshof in seinem Beschluß vom 14. Juni 1973, 6 Ob 265/72, ausgesprochenen Rechtsansicht zu entgehen. Diese Bindungswirkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, daß nach Fällung jener Entscheidung Tatsachen behauptet werden, aus denen sich ergeben soll, auf den Fall wäre deutsches Recht anzuwenden gewesen.

Soweit die Revisionswerberin in ihrer Rechtsrüge sich abermals mit der Bindungswirkung befaßt, ist sie darauf zu verweisen, daß diese Frage in den Verfahrensgesetzen geregelt ist (§ 511 Abs. 1 ZPO). Zu ihr wurde bereits bei Erledigung der Mängelrüge Stellung genommen.

Das übrige Vorbringen in der Rechtsrüge muß aber schon deshalb unbeachtet bleiben, weil auch der Oberste Gerichtshof an seine in der im ersten Rechtsgang ergangenen bereits mehrfach zitierten Entscheidung ausgesprochene Rechtsansicht gebunden ist (SZ 24/139, SZ 27/22 u.v.a.), zumal in der Zwischenzeit über die in Betracht kommenden Rechtsfragen eine Entscheidung eines verstärkten Senates (§ 8 OGHG) nicht ergangen ist (Fasching a.a.O., S. 227 ff; JB1 1972, S. 327 u.a., zuletzt 6 Ob 74/73).

Von dieser Rechtsansicht ausgehend, wurde das Klagebegehren hinsichtlich des aus dem Wechselgeschäft abgeleiteten Anspruches mit Recht abgewiesen.

Die Revision mußte daher erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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