European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00017.25F.0604.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts in seinem Punkt 1. wiederhergestellt und dessen Punkt 2. ersatzlos aufgehoben wird.
Die Kostenentscheidung wird dem Rekursgericht aufgetragen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrt von drei Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Beklagte Schadenersatz aufgrund einer im Zuge von Bauarbeiten am 19. 7. 2021 herbeigeführten Beschädigung einer Abwasserleitung. Die Zweitbeklagte soll die Erstbeklagte und diese ihrerseits die Drittbeklagte mit der Durchführung der die Beschädigung verursacht habenden Tiefbauarbeiten beauftragt haben.
[2] Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ist die Frage der Berichtigung der Parteibezeichnung infolge von Umgründungsvorgängen innerhalb einer Unternehmensgruppe. Dieser Unternehmensgruppe gehören (nur) die Erst‑ und die Zweitbeklagte an, nicht aber die Drittbeklagte. Die Drittbeklagte (die in dem im ersten Rechtsgang ergangenen Beschluss zu 6 Ob 108/24m aufgrund der [damaligen] Einbeziehung einer weiteren Gesellschaft aus der Unternehmensgruppe „zwischenzeitig“ als Viertbeklagte bezeichnet worden war) ist am Zwischenverfahren nicht beteiligt.
[3] Innerhalb der Unternehmensgruppe war es zu einer Abspaltung des Teilbetriebs („Bau“) von der Erstbeklagten auf jene nicht mehr beteiligte und zur Unternehmensgruppe gehörende weitere Gesellschaft und danach aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom 13. 3. 2023 zu einer Verschmelzung der Erstbeklagten als übertragende Gesellschaft auf die Zweitbeklagte als übernehmende Gesellschaft gekommen. Die Erstbeklagte war im Firmenbuch bereits vor Einbringung der Klage am 27. 6. 2023 gelöscht worden.
[4] Vorerst wendeten die (von derselben Rechtsanwalts‑GmbH vertretenen) Erst‑ und Zweitbeklagte in der Klagebeantwortung allein die bereits erfolgte Löschung der Erstbeklagten ein und beantragten die Zurückweisung der Klage gegen die Erstbeklagte.
[5] Die Klägerin berief sich daraufhin auf die ihr vor Klagseinbringung nicht bekannt gewesene, mittels Verschmelzungsvertrag vom 13. 3. 2023 erfolgte Verschmelzung der Erstbeklagten auf die Zweitbeklagte und beantragte wegen der dadurch eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge die Berichtigung der Parteibezeichnung der Erstbeklagten auf den Firmenwortlaut der Zweitbeklagten.
[6] Erst‑ und Zweitbeklagte stellten sich der Berichtigung entgegen. Der Klägerin schwebe offenbar eine Art „Verschmelzung“ zweier getrennter Klagen vor, was aber nicht zulässig sei. Die Klage sei gegen zwei Rechtssubjekte erhoben worden.
[7] Die Klägerin erwiderte, es sei in den außergerichtlichen Gesprächen die Verschmelzung nicht releviert worden. Bei Verschmelzung – auch vor Klage – sei die Berichtigung der Parteienbezeichnung jederzeit zulässig. Mit einer solchen Berichtigung komme es nur zur Korrektur der irrtümlichen Doppelbezeichnung ein‑ und desselben Rechtssubjekts. Wenn es nach der Judikatur sogar zulässig sei, eine Rechtsperson, die zumindest ihrer Bezeichnung nach bisher nicht Partei des Verfahrens gewesen sei, durch Richtigstellung in ein laufendes Verfahren einzubeziehen, müsse dies umso mehr gelten, wenn „beide der verschmolzenen Kapitalgesellschaften von Anfang an in das Verfahren miteinbezogen bzw gemeinsam geklagt“ worden seien. Dass nur dieses eine Rechtssubjekt, nämlich der (nunmehrige) Träger der Rechte und Pflichten der erst‑ und der zweitbeklagten Partei, geklagt werden solle, liege auf der Hand.
[8] In der Verhandlung am 24. 10. 2023 brachten die Erst‑ und die Zweitbeklagte vor, es habe keine Obliegenheit bestanden, „die Abspaltung bzw Verschmelzung gemäß den Verträgen vom 13. 3. 2023 der klagenden Partei oder dem Klagsvertreter anzuzeigen“. Aufgrund „der vom Klagsvertreter mit Mail vom 27. 6. 2023 bereits als Tatsache mitgeteilten Klagseinbringung [habe] keine Möglichkeit [bestanden], dem Klagsvertreter die Abspaltung bzw Verschmelzung“ mitzuteilen. Ein Vorbringen dahin, dass der Teilbetrieb „Bau“ vor der Verschmelzung auf eine andere Gesellschaft abgespalten worden wäre, sei nicht erstattet worden.
[9] Das Erstgericht berichtigte die Parteibezeichnung der Erstbeklagten antragsgemäß auf den Firmenwortlaut der Zweitbeklagten (Pkt 1.), erklärte das gegen die Erstbeklagte geführte Verfahren mit Ausnahme des Zwischenstreits über die Berichtigung der Parteibezeichnung für nichtig (Pkt 2.) und sprach aus, es würden als beklagte Parteien ab Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses nur mehr die Zweitbeklagte und die (nicht zur Unternehmensgruppe gehörige) Drittbeklagte geführt. Aus der Klageerzählung habe sich eindeutig ergeben, welche juristische Person unter Angabe der Firmenbuchnummer Beklagte sein solle. Eine Berichtigung sei auch bei der Verschmelzung zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung zulässig, und zwar selbst dann, wenn die Verschmelzung vor Klagserhebung eingetreten sei. Da die Erstbeklagte nie als Prozesspartei zu behandeln gewesen wäre, seien die ihr gegenüber vorgenommenen Prozesshandlungen nichtig.
[10] Dagegen erhoben die Klägerin sowie Erst‑ und Zweitbeklagte Rekurs, und zwar die Klägerin gegen die Nichtigerklärung, Erst‑ und Zweitbeklagte gegen die Berichtigung.
[11] Erstmals im Rekurs beriefen sich die Erst‑ und die Zweitbeklagte darauf, dass die Zweitbeklagte „für das vorliegende Verfahren“ nicht (partielle) Gesamtrechtsnachfolgerin der Erstbeklagten sei, „da mit der laufenden Nummer 94 [gemeint die Nummer dieser Firmenbucheintragung] der klagsgegenständliche 'Teilbetrieb Bau' zu einer weiteren konkret benannten Gesellschaft der Unternehmensgruppe, [der] E* S* G* GmbH (FN *), übergegangen“ sei.
[12] Die Klägerin setze dem in ihrer Rekursbeantwortung entgegen, es werde dabei § 15 Abs 1 SpaltG außer Acht gelassen: Die Klägerin könne nach ihrem Belieben irgendeine der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften in Anspruch nehmen.
[13] Das Rekursgericht wies die Rekurse im ersten Rechtsgang zurück, weil es – aus Anlass des Rekurses – die Parteibezeichnung auf diese bisher am Verfahren nicht beteiligte weitere Gesellschaft (die vormals als Drittbeklagte geführt worden war) berichtigte. Diese Beschlüsse, gegen die sich nicht nur diese Gesellschaft, sondern auch die Klägerin sowie die Erst‑ und die Zweitbeklagte wendeten, wurden mit Beschluss zu 6 Ob 108/24m, auf dessen Begründung verwiesen werden kann, aufgehoben. Bei der gegebenen Sachlage hätte das Rekursgericht die Parteibezeichnung nicht ohne weitere Erörterung und gegen den Willen der Klägerin (was bei Erörterung hervorgekommen wäre) auf diese weitere Gesellschaft berichtigen dürfen, zumal die Klägerin – nachdem ihr nicht nur der Verschmelzungsvorgang, sondern nun auch das Vorbringen der Gegenseite zur Abspaltung des Betriebs „Bau“ bekanntgeworden war – unter Berufung auf § 15 Abs 1 SpaltG und den wesentlich größeren Haftungsfond der Zweitbeklagten die Berichtigung auf die Zweitbeklagte, nicht aber auf die vom Rekursgericht herangezogene Gesellschaft angestrebt habe. Den Rekursen fehlte daher die Beschwer tatsächlich nicht, und es wurde dem Rekursgericht die (inhaltliche) Entscheidung darüber aufgetragen.
[14] Mit dem im zweiten Rechtsgang gefassten Beschluss änderte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es dem Antrag der Klägerin, die Bezeichnung der Erstbeklagten auf die Zweitbeklagte zu berichtigen, abwies und dem Rekurs der Klägerin (gegen den Beschluss über die Nichtigerklärung des Verfahrens gegenüber der Erstbeklagten) nicht Folge gab.
[15] Es vertrat den Standpunkt, Neuerungen seien im Rekursverfahren zulässig gewesen, weswegen die Erst‑ und Zweitbeklagten mit ihrem Vorbringen in der Rekursbeantwortung zur Abspaltung des Teilbetriebs „Bau“ nicht gegen das Neuerungsverbot verstoßen hätten. Nach dem im Rekursverfahren vorgelegten Spaltungsvertrag (dessen Inhalt das Rekursgericht teilweise wiedergab) sei die Schadenersatzverpflichtung der Erstbeklagten dem Teilbetrieb „Bau“ zuzuordnen. Diese Verbindlichkeit sei im Spaltungsweg auf die Drittbeklagte übergegangen. Zwar trete die von der Klägerin relevierte Haftung der Zweitbeklagten gemäß § 15 Abs 1 SpaltG gleichrangig neben die Haftung der Drittbeklagten, jedoch habe die Klägerin die Erstbeklagte für eine eigene, nicht aber für eine fremde Schuld in Anspruch genommen. Es sei aber stets zwischen jener Gesellschaft, die als Hauptschuldnerin einzustehen habe, und jenen anderen Gesellschaften zu unterscheiden, die betraglich beschränkt als Gesamtschuldner bloß mithafteten. Mit ihrer Auffassung lasse die Klägerin in Wahrheit den Anspruch gegen die Hauptschuldnerin fallen und beschränke sich auf die Solidarhaftung der Zweitbeklagten. Die Befürchtung der Klägerin, sie könne durch den geringeren Haftungsfonds der Drittbeklagten Nachteile erleiden, sei nicht nachvollziehbar, weil die Zweitbeklagte ohnehin geklagt worden sei.
[16] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nicht zu.
[17] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin strebt weiter die Berichtigung auf die Zweitbeklagte an. Es habe sich erst nach Klagseinbringung herausgestellt, dass die Erstbeklagte rechtlich nicht mehr existent sei. Während sich – trotz umfangreicher Erörterung der Sach‑ und Rechtslage durch das Erstgericht – „die Beklagten“ zu keinem Zeitpunkt gegen die Antragstellung der Berichtigung der Parteienbezeichnung der Erstbeklagten auf die Zweitbeklagte entgegengestellt hätten, sei plötzlich im Rekurs vorgebracht worden, dass die Berichtigung angeblich deshalb nicht zulässig sei, weil der Teilbetrieb „Bau“ auf die Drittbeklagte übertragen worden sei. Es habe der Gläubiger der übertragenden Gesellschaft, gerade weil die weitgehende Spaltungsfreiheit eine völlig willkürliche Verteilung des Gesellschaftsvermögens ermögliche, ein freies Wahlrecht dahingehend, welche der am Spaltungsvorgang beteiligten Gesellschaft er in welcher Reihenfolge in Anspruch nehme. Das Vermögen der Erstbeklagten sei im Rahmen der Umgründungsvorgänge ungleich verteilt worden. Während das Eigenkapital der aufgespaltenen und verschmolzenen Erstbeklagten rund 85 Millionen EUR betragen habe, ergebe sich für die Drittbeklagte nur ein Eigenkapital von 5 Millionen EUR, für die Zweitbeklagte dagegen aber eines in Höhe von 77 Millionen EUR. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts führe dazu, dass die Klägerin als Gläubigerin gleichsam verpflichtet werde, eine bestimmte der am Spaltungsvorgang beteiligten Gesellschaften zuerst in Anspruch zu nehmen, welcher Zwang aber der Rechtslage widerspreche. Das Rekursgericht verkenne zudem, dass die Haftung der Zweitbeklagten nicht subsidiär sei. Einen Anspruch gegenüber der Erstbeklagten habe die Klägerin auch nicht „fallen gelassen“. Sie habe deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Zweitbeklagte einerseits für deren eigenes Handeln und Unterlassen in Anspruch nehme, andererseits aber auch für die Handlungen und Unterlassungen der Erstbeklagten aufgrund der Bestimmung des § 15 SpaltG.
[18] Die Revisionsrekursbeantwortung beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben. Der vorliegende Fall sei eine von den besonderen Umständen des Einzelfalls geprägte Konstellation, zu der es keiner Entscheidung des Höchstgerichts bedürfe. Der Auslegung des Vorbringens der Klägerin komme keine erhebliche Bedeutung zu. Es habe die Klägerin die Klage gegen zwei eindeutig anhand der Firmenbuchnummer individualisierte Rechtssubjekte erhoben, weshalb „eindeutig“ sei, dass zwei verschiedene Parteien geklagt worden seien. Es sei unmöglich, zwei „parallele“ Klagen „zusammenzulegen“. Die Klägerin habe die Eintragungen im Firmenbuch nicht sorgfältig überprüft.
[19]
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt, weil die Entscheidung des Rekursgerichts einer Korrektur bedarf:
[20] 1.1. § 235 Abs 5 ZPO über die Berichtigung der Parteibezeichnung stellt in ihrem Kern darauf ab, dass irrtümlich vonzwei (nach wie vor existenten)Rechtssubjekten ein bloß falsch bezeichnetes, das nach dem Inhalt der Klage nicht gemeint war, geklagt wurde. Es soll mit dieser Bestimmung ihrem Zweck nach vermieden werden, dass ein Prozessaufwand aus der irrtümlichen Inanspruchnahme eines bestimmten Rechtssubjekts verloren geht, wiewohl das andere – ebenso nach wie vor existente – Rechtssubjekt bloß (erkennbar) falsch bezeichnet wurde (vgl RS0039337; RS0039297 [T4, T5]).
[21] Ein solcher Irrtum im Sinne einer „Personenverwechslung“ zweier nach wie vor existenter Personen liegt hier nicht vor. Vielmehr geht es um gesellschaftsrechtliche Umgründungsvorgänge, die (manchmal bloß partielle) Gesamtrechtsnachfolge nach sich ziehen und zuweilen auch zum – allerdings ohne Abwicklung erfolgenden – Untergang einer der daran beteiligten juristischen Person führen können (aber nicht müssen). Die hier angesprochene Frage der verfahrensrechtlichen Konsequenzen von gesellschaftsrechtlichen Umgründungen werden in der Zivilprozessordnung nicht ausdrücklich geregelt.
[22] Auf Gesamtrechtsnachfolge wird in der ZPO etwa in den §§ 155 ff über die Folgen des Ablebens (Todes) der unvertretenen Partei Bezug genommen. Es kommt im Fall des Todes einer unvertretenen Partei zur Unterbrechung und zur Weiterführung des Prozesses durch den Rechtsnachfolger der „verstorbenen Partei“ (womit nach der Textierung nur eine natürliche Person angesprochen ist). Gleich, ob der Verstorbene anwaltlich vertreten war (dann kommt es nicht zur Prozessunterbrechung [RS0035686]), ist wegen der eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge die Parteibezeichnung auf den Gesamtrechtsnachfolger (die Verlassenschaft und später die eingeantworteten Erben „umzustellen“ oder zu „berichtigen“; RS0035114; RS0035686; RS0039666 [T5, T19]).
[23] 1.2. Weder § 235 Abs 5 ZPO noch §§ 155 ff ZPO sind ihrem Kern nach auf gesellschaftsrechtliche Umgründungsvorgänge mit Gesamtrechtsnachfolge zugeschnitten, werden aber in der Rechtsprechung auf die dadurch geschaffene Verfahrenssituation angewendet (vgl nur 3 Ob 122/06x; 3 Ob 190/08z; 4 Ob 33/09w; RS0039592; RS0036806).
[24] Häufig haben Gläubiger von Gesellschaften keine Kenntnis von Umgründungsmaßnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung kann – auch wenn die Gesamtrechtsnachfolge (etwa durch Verschmelzung) schon vor Einbringung der Klage erfolgt ist – die Bezeichnung der beklagten (übertragenden) Gesellschaft in die der aufnehmenden Gesellschaft berichtigt werden. Darauf, dass der Umstand, dass die Umgündungsmaßnahme schon vor Klagseinbringung durchgeführt wurde, kommt es also nicht (als hindernd) an (vgl RS0039592; vgl 3 Ob 162/07f zur Berichtigung der Parteibezeichnung bei [im Jahr 1997 erfolgter] Gesamtrechtsnachfolge weit vor Schaffung des Titels oder vor Erteilung der Exekutionsbewilligung [erst im Jahr 2007]). Die Verschmelzung zweier Gesellschaften führt (vielmehr) gemäß § 235 Abs 5 ZPO – in jeder Lage des Verfahrens – zur Berichtigung der Parteibezeichnung“ (so schon 5 Ob 504/96 [5 Ob 505/96]).
[25] 1.3. Ein „Aufgehen“ der übertragenden Gesellschaft, wie bei der Verschmelzung, in nur einem (anderen) aus dem Umgründungsvorgang resultierenden Rechtsträger zieht naturgemäß und im Regelfall allseits unbezweifelt den Übergang (auch) des Prozessrechtsverhältnisses auf die übernehmende Gesellschaft als Folge der eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge nach sich. Insoweit sind, obwohl die Frage der Parteifähigkeit das Verfahrensrecht (RS0106922) betrifft und die Frage der Aktiv‑ oder Passivlegitimation von der Richtigstellung der Parteienbezeichnung zu unterscheiden ist (vgl 5 Ob 54/10t [ErwGr 2.]; 4 Ob 581/78; RS0035306; 6 Ob 234/23i [Rz 9, 27]), materielles Recht und Verfahrensrecht miteinander verknüpft.
[26] Es mag daher in den Fällen, in denen eine von der Umgründungsmaßnahme betroffene Gesellschaft ohne Liquidation „untergeht“, die Berichtigung der Parteibezeichnung „zwanglos“ die Folge der damit verbundenen (universellen) Gesamtrechtsnachfolge sein. Der Untergang einer (oder mehrerer) an einer Umgründungsmaßnahme beteiligten juristischen Personen ist aber nicht zwingend; Umgründungen sind vielmehr in mannigfaltiger Form (und mit unterschiedlichem Ergebnis) zulässig.
[27] 2.1. Es verdient im vorliegenden Fall besondere Beachtung, dass es hier in einem ersten Schritt zur Abspaltung eines Teilbetriebs („Bau“) von der Erstbeklagten auf eine weitere (schon bestandene) Gesellschaft der Gruppen (die E* S* G* GmbH, FN *; im Weiteren als „Aufnahmegesellschaft“ bezeichnet) und erst im nächsten Schritt zur Verschmelzung der danach noch bestandenen Erstbeklagten – mit all den weiterhin auf ihr lastenden Pflichten und ihr noch zugeordneten Rechten – auf die Zweitbeklagte kam.
[28] Die Abspaltung zur Aufnahme zieht keine „universelle“ Gesamtrechtsnachfolge, sondern partielle Gesamtrechtsnachfolge nach sich. Die daran beteiligten Gesellschaften bestehen – wenn auch in Bezug auf ihren „vermögensmäßigen“ Gehalt verändert – weiter. Insofern weist die Klägerin völlig zu Recht darauf hin, dass keine der hier an den Umgründungsvorgängen beteiligten Gesellschaften mit der ehemals Erstbeklagten völlig „ident“ ist.
[29] 2.2. Auch in Fällen partieller Gesamtrechts-nachfolge wurde bereits ausgesprochen, dass das Prozessverhältnis (etwa auf die Österreichischen Bundesbahnen) übergeht und die bisherige Partei (Republik Österreich) aus dem Verfahren ausscheidet. Auch partielle Gesamtrechtsnachfolge wirkt ipso iure (RS0053149; vgl auch RS0112576), und es soll ihr auch die Verfahrensstellung in einem anhängigen Gerichtsverfahren unterliegen (RS0052718). Diese Rechtsprechung erging aber vor dem Hintergrund anderer gesetzlicher Bestimmungen (§ 17 BundesbahnG 1992 [6 Ob 508/95; 5 Ob 2001/96t; 1 Ob 236/97f]; §§ 61a, 61b Abs 2 VAG [7 Ob 7/92; 6 Ob 627/93]) und/oder war von einem darauf gerichteten Willen der Gläubigerin/Gegenseite getragen, die eine solche Umstellung ausdrücklich beantragte (6 Ob 508/95; 5 Ob 2001/96t; 1 Ob 236/97f).
[30] 2.3. Bei der Abspaltung zur Aufnahme gilt es aber auch, die im SpaltG vorgesehene Nachhaftung (§§ 17 Abs 1 iVm § 15 SpaltG) und die damit verbundene Wahlmöglichkeit, die aus der Spaltung hervorgehenden Gesellschaften beide gleichrangig und nebeneinander auf der Passivseite bei einem Begehren auf Schadenersatz in Anspruch nehmen zu können, zu beachten.
[31] Diese Nachhaftung – hier der Erstbeklagten als abspaltende Gesellschaft (die „übrige an der Spaltung beteiligte Gesellschaft“ iSd § 15 Abs 1 SpaltG) – dient vor allem dem Gläubigerschutz (vgl Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung³ § 15 SpaltG Rz 5, 7 [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]; Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 9 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]). Gläubiger haben nämlich keine Möglichkeit, die Spaltung (von der sie häufig auch gar keine Kenntnis haben [vgl die einer Unkenntnis Rechnung tragenden Schutzbestimmungen nach § 14 Abs 4 und 5 SpaltG]) zu verhindern. Es können aber anlässlich der Spaltung Rechtsverhältnisse (Verträge, Verbindlichkeiten, Forderungen) der übertragenden Gesellschaft im Spaltungsplan privatautonom einer anderen Gesellschaft zugeordnet werden (Jennewein, Spaltung, in RDB Keywords² Rz 16 [Stand 28. 8. 2024, rdb.at]). Einer Zustimmung des Vertragspartners bedarf es nicht (6 Ob 140/20m [Rz 72]). Schon im Initiativantrag 352/A 18. GP 53 wurde eingeräumt, dass bei der Spaltung häufiger als bei der Verschmelzung eine Gläubigergefährdung denkbar sei.
[32] Die Haftung jener Gesellschaften für bereits begründete Verbindlichkeiten, die ihnen nach dem Spaltungsplan nicht zugeordnet wurde, wird als eine primäre, unmittelbare, solidarische, akzessorische, zeitlich und betraglich beschränkte Haftung umschrieben (vgl nur Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung³ § 15 SpaltG Rz 7 ff [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]; Hahn, Individueller Gläubigerschutz bei Spaltungen, ecolex 2018, 46; zur gleichrangigen Nachhaftung der abspaltenden Gesellschaft schon 6 Ob 160/13t [ErwGr 3.4.]). Brix ortet dementsprechend eine durch diese Haftung als Gesamtschuldner herbeigeführte Verbindung der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften zu einer „Risiko‑ und Schicksalsgemeinschaft“ (Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 3 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]) und betont, es hafteten „dem Grunde nach alle beteiligten Gesellschaften den Gläubigern der übertragenden Gesellschaft in gleicher Weise“; die Haftung der „übrigen“ Gesellschaften sei im Außenverhältnis (zum Gläubiger) „keineswegs subsidiär“ (Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 10 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]).
[33] Eine in der Literatur angeführte unterschiedliche Bezeichnung der übernehmenden Gesellschaft als „Hauptschuldnerin“ (und der übrigen an der Spaltung beteiligten Gesellschaften als „Mithafter“) kann im vorliegenden Verfahren, in dem es nicht um Vertragserfüllung, sondern um Schadenersatz geht (vgl Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 11 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]), keine Rolle spielen; vielmehr haften für Schadenersatzansprüche alle an der Spaltung beteiligten Gesellschaften als Gesamtschuldner (so schon ausdrücklich in § 15 Abs 1 SpaltG angeordnet; vgl auch Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 11 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]; so auch Kalss,Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung³ § 15 SpaltG Rz 10 f [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]).
[34] 2.4. Die Haftung für bereits bestehende Verbindlichkeiten „spaltet“ sich damit anlässlich des Spaltungsvorgangs von einer zuvor nur gegen einen Rechtsträger bestandenen Verantwortlichkeit in eine direkte unbeschränkte Haftung der übernehmenden Gesellschaft und eine ebenso direkte und unmittelbar bestehende Nachhaftung (hier) der übertragenden Gesellschaft als an der Spaltung beteiligte Gesellschaft auf (ausgenommen es wäre eine Sicherstellung behauptet worden, was hier nicht der Fall war).
[35] Gerade wenn es § 15 Abs 1 SpaltG dem Gläubiger gestattet, nach seinem Belieben entweder den „Hauptschuldner“ oder eine der übrigen an der Spaltung beteiligten Gesellschaften (bis zur Höhe des diesen jeweils zugeordneten Nettoaktivvermögens) als „Mithafter“ in Anspruch zu nehmen, und der Gläubiger nicht gehalten ist, zunächst den „Hauptschuldner“ in Anspruch zu nehmen (Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 12 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]), ist das zwingende Ausscheiden der (offenkundig in Unkenntnis der Umgründungsvorgänge in Anspruch genommenen) übertragenden Gesellschaft aus dem Prozess nicht überzeugend.
[36] Die Abspaltung wirkt sich zusammengefasst hinsichtlich der Verbindlichkeiten so aus, dass es verknüpft mit der partiellen Gesamtrechtsnachfolge der aufnehmenden Gesellschaft gleichzeitig zur (gleichrangigen) Nachhaftung der abspaltenden Gesellschaft kommt (vgl dazu schon 6 Ob 160/13t [ErwGr 3.4.]) und es dem Gläubiger, der nicht auf eine subsidiäre Haftung der übertragenden Gesellschaft beschränkt ist, durch § 15 SpaltG ermöglicht werden soll, entweder auf beide Gesamtschuldner, aber auch nur auf einen von ihnen nach seiner freien Wahl zu greifen.
[37] 2.5. Diese im Gesetz eingeräumte Wahlmöglichkeit muss konsequenterweise auf die Frage der Fortsetzung des Prozesses (mit der oder den von ihm gewählten Partei[en]) „durchschlagen“; dies gerade auch deshalb, weil der Haftungsfonds von den beteiligten Gesellschaften unterschiedlich bestückt werden kann. Darüber hinaus kommt auch den zu 6 Ob 627/93 angestellten Überlegungen zur möglichen Verjährung von Forderungen bei (als notwendig unterstellter) „Neueinklagung“ (damals zur Gesamtrechtsnachfolge nach dem VAG; siehe auch 6 Ob 508/95 [6 Ob 509/95]) Gewicht zu. Es könnte ansonsten der Gläubiger, dem die Umgründung nicht bekannt ist, dem aber das Gesetz den Zugriff auf beide Gesellschaften erlaubt, dieser Gefahr ausgesetzt sein, wenn partielle Gesamtrechtsnachfolge trotz der Nachhaftung zwingend zur Umstellung des bereits geführten Schadenersatzprozesses immer nur auf die übernehmende Gesellschaft führte. Haften dem Gläubiger nach einer Spaltung zwei Gesellschaften direkt, dann ist es ihm freizustellen, welche der Gesellschaften er als Partei in Anspruch nehmen will. Die gegenteilige Sichtweise führte dazu, dass die zum Schutz des (von den Umgründungsvorgängen nicht informierten) Gläubigers bestehende Nachhaftung entwertet würde, wiewohl diese Bestimmung gerade dem Schutz der Gläubiger dienen soll (vgl schon die Überschrift in § 10 SpaltG 1993; BGBl 1993/458).
[38] 2.6. Geht es also nach den Verfahrensvorschriften darum, bisherigen Prozessaufwand eines Gläubigers einer an der Spaltung beteiligten Gesellschaft nicht zu vernichten, und hat der Gläubiger nach der materiellen Gesetzeslage die Wahl, welche Gesellschaft(en) er wegen Schadenersatz in Anspruch nehmen will, zieht dies auch verfahrensrechtlich seine Wahlmöglichkeit nach sich. Er kann nach der Information über die Umgründungsvorgänge den Prozess gegen die weiterhin bestehende „alte“ Gesellschaft oder gegen diejenige, auf die Vermögen abgespalten wurde, oder gegen beide als Partei(en) fortsetzen.
[39] 3. Die nun in Kenntnis der Umgründungsvorgänge befindliche Klägerin hat hier als Prozessgegner (nur) die abspaltende Erstbeklagte gewählt. In deren Rechtsstellung ist die Zweitbeklagte mit der Verschmelzung durch (universelle) Gesamtrechtsnachfolge (im Hinblick auf alle noch auf der Erstbeklagten lastenden Rechte und Verbindlichkeiten) eingetreten, sodass insoweit die Umstellung der Parteibezeichnung in Bezug auf den die Erstbeklagte betreffenden Verfahrensstrang auf die Zweitbeklagte nicht fraglich ist (RS0039530 [T5]; RS0035114 [T5]; RS0039592 [auch bei Verschmelzung schon vor Klage]), werden doch die verschmolzenen (ehemals selbständigen) Gesellschaften zu einer einzigen Rechtsperson (RS0060147).
4. Daran ändert sich dadurch, dass (gleichzeitig und) schon bei Klagseinbringung auch ein von der Umgründung unabhängiger Anspruch gegen die Zweitbeklagte behauptet wurde, nichts. Die Zweitbeklagte wird von der Klägerin mit der Umstellung aufgrund der universellen Gesamtrechtsnachfolge nach der Erstbeklagten (rückwirkend) auch für deren Handeln in der Vergangenheit in Anspruch genommen und nicht nur für ihr eigenes Handeln (bis zur Verschmelzung), sodass es einer Nichtigerklärung des Verfahrens in Bezug auf die gelöschte Erstbeklagte nicht bedarf.
[40] 5. Zur Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird auf die Judikatur verwiesen, wonach in komplexen Verfahren die Kostenentscheidung dem Gericht zweiter Instanz aufgetragen werden kann (RS0124588).
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