OGH 6Ob12/25w

OGH6Ob12/25w26.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin *, vertreten durch Dr. Manfred Dallago, Rechtsanwalt in Kufstein, wider die Antragsgegnerin C*, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz und andere Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 10. Oktober 2024, GZ 55 R 52/24m‑118, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Kufstein vom 7. März 2024, GZ 15 FAM 20/23y‑114, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00012.25W.0326.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die volljährige Antragstellerin betreibt – nach erfolgreichem und raschem Abschluss des Bachelorstudiums Europäische Ethnologie – seit 30. 11. 2021 die Masterstudien Gender, Kultur und Sozialer Wandel sowie Politikwissenschaften. Das Masterstudium Politikwissenschaften konnte von der Antragstellerin durch die Erfüllung von Auflagen aufgenommen werden und wird von der Universität als Fortsetzung (des von der Antragstellerin absolvierten Bachelorstudiums) anerkannt.

[2] Das Rekursgericht verpflichtete die Antragsgegnerin zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen für die Zeit von 1. 11. bis 31. 12. 2021 in Höhe von 480 EUR, für die Zeit von 1. 1. bis 31. 12. 2022 in Höhe von 495 EUR und für die Zeit ab 1. 1. 2023 in Höhe von 520 EUR. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es habe seine Entscheidung zwar an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientiert, allerdings komme der Frage, inwieweit ein erst durch Auflagen als Fortsetzung anerkanntes Masterstudium als auf das Bachelorstudium aufbauend angesehen werden könne, wesentliche Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels des Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG):

[4] 1. Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Unterhaltspflicht für die Dauer eines Masterstudiums aufrecht bleibt, liegt bereits vor (vgl 5 Ob 185/18v; 9 Ob 34/16i; 3 Ob 69/14i; 6 Ob 92/08k; 9 Ob 63/08t). Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass für die Belastbarkeit des Geldunterhaltspflichtigen generell zu beachten ist, dass Entscheidungen in Unterhaltssachen an den Verhältnissen in einer fiktiven „intakten Familie“ zu orientieren sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl nur 8 Ob 72/24g [Rz 19]).

[5] 2.1. Da die Universität die Aufnahme des Masterstudiums der Politikwissenschaften durch die Antragstellerin als Fortsetzung des bisherigen Bachelorstudiums anerkannte, hat die Antragstellerin das Studium nicht – wie von der Antragsgegnerin behauptet – gewechselt oder damit eine neue Ausbildung begonnen. Sie betreibt vielmehr (auch) mit dem Masterstudium Politikwissenschaften eine Ausbildung, die von der Universität – der insoweit die Beurteilungskompetenz zukommt – als Fortsetzung des von ihr bisher absolvierten Bachelorstudiums anerkannt wird.

[6] 2.2. Wenn die Antragstellerin im konkreten Einzelfall eine Anstellung bei den Vereinten Nationen anstrebt, bedarf die Beurteilung der Vorinstanzen, es könnten die Masterstudien die beruflichen Möglichkeiten der Antragstellerin erweitern, in einer intakten Familie würde weiterhin ein durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin begrenzter finanzieller Beitrag zur Ausbildung des Kindes geleistet, keiner Korrektur.

[7] 3. Der angemessene Umfang der Anrechnung der Leistungen zur Wohnversorgung auf den zu leistenden Geldunterhalt bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (RS0123484 [T1]; vgl dazu, dass die Rechtsprechung bei durchschnittlichen Verhältnissen eine Kürzung des Geldunterhaltsanspruchs aus dem Titel der Wohnversorgung lediglich um rund ein Viertel zulässt 6 Ob 105/23v [ErwGr 1.2.]; 8 Ob 164/22h [ErwGr 3.]; 2 Ob 95/22t [ErwGr 2.1.]; 10 Ob 82/19k [ErwGr 1.1.]; 8 Ob 64/13i [ErwGr V.]; vgl 4 Ob 42/10w [ErwGr 4.2.]). Auch darin, dass das Rekursgericht den ermittelten Geldunterhalt aufgrund der Zurverfügungstellung der Wohnmöglichkeit um 25 % (nicht aber um 50 % [die Antragsgegnerin hält eine solche Kürzung angesichts der in den letzten Jahren „extremen Preissteigerungen im Bereich Wohnen für nicht mehr gerechtfertigt“]) kürzte, liegt hier schon allein deshalb keine erhebliche Rechtsfrage, weil das Haus nach dem – auch für den Obersten Gerichtshof bindend – festgestellten Sachverhalt ohnehin lediglich im Hälfteeigentum der Antragsgegnerin steht und somit der Wohnbedarf der Antragstellerin auch durch das Hälfteeigentum deren Vaters gedeckt ist.

[8] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht entgegen (vgl RS0129365 [T3]). Die volljährige Antragstellerin hat auf die fehlende Zulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass ihr die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung zustehen (RS0122774). Bemessungsgrundlage des Anwaltshonorars ist gemäß § 9 Abs 3 RATG der Einjahreswert des strittigen Betrags. Werden neben dem laufenden Unterhalt rückständige Beträge begehrt, so sind diese nicht in die Bemessungsgrundlage einzurechnen. Es bleibt bei der einfachen Jahresleistung (RS0121989).

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