OGH 5Ob80/25p

OGH5Ob80/25p25.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*. U*. I*. D*. H*, vertreten durch Riel Grohmann Sauer Rechtsanwälte in Krems an der Donau, gegen die beklagten Parteien 1. P*. M*. O* und 2. M*, beide vertreten durch die Sacha Katzensteiner Blauensteiner Marko Rechtsanwälte GmbH in Krems, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 20. März 2025, GZ 1 R 217/24b‑25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 27. Oktober 2024, GZ 8 C 247/24z‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00080.25P.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 552,66 EUR (darin 92,11 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger und die Zweitbeklagte sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Der Erstbeklagte ist der Lebensgefährte der Zweitbeklagten.

[2] Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, alle Handlungen zu unterlassen, durch welche andere Wohnungseigentümer länger als insgesamt drei Stunden pro Tag daran gehindert werden, die Allgemeinfläche der Liegenschaft für deren eigene Zwecke zu verwenden. Außerdem stellt er mehrere Eventualbegehren, die ebenfalls auf Unterlassung sowie eines auf Entfernung gerichtet sind.

[3] Die Zweitbeklagte und deren Lebensgefährte würden ihre Fahrzeuge auf der Allgemeinfläche dauerhaft parken. Dadurch sei es den anderen Wohnungseigentümern und auch dem Kläger praktisch unmöglich, ebenfalls diese Allgemeinfläche, für die keine Benützungsregelung bestehe, zu nützen. Die Zweitbeklagte dürfe als Miteigentümerin die Allgemeinfläche zwar benützen, jedoch nur zeitlich begrenzt in einem Ausmaß, sodass auch andere zur angemessenen Benützung in der Lage seien. Der Kläger sei als Miteigentümer berechtigt, eigenmächtige Eingriffe in das gemeinsame Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage gegen die Störer abzuwehren.

[4] Die Beklagten wendeten die mangelnde Aktivlegitimation des Klägers ein. Die übrigen Wohnungseigentümer würden die Ansicht des Klägers hinsichtlich der Eingriffe in das Eigentum durch die Beklagten nicht teilen und hätten eine Anspruchsverfolgung gegenüber den Beklagten nicht gewünscht. Die Beklagten würden die Allgemeinfläche nur vorübergehend und nur dann zum Parken verwenden, wenn die Fläche nicht verparkt sei.

[5] Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass der Kläger das Recht der Zweitbeklagten – und sich davon ableitend das Recht des Erstbeklagten – zur Nutzung der Allgemeinfläche gar nicht bestritten hat und im Ergebnis eine zeitliche Regelung der Nutzung der Allgemeinfläche anstrebte. Ein einzelner Miteigentümer sei in Bezug auf eine zeitliche Regelung der Benutzung jedoch alleine nicht aktivlegitimiert.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil unter Hinweis auf § 500a ZPO und ließ die ordentliche Revision „zur weiteren Differenzierung und Aufbereitung der hier angesprochenen Rechtsfrage“ zu.

Rechtliche Beurteilung

[7] Dagegen richtet sich die von den Beklagten beantwortete Revision des Klägers, die – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig ist. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[8] 1. Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg (RS0012214). Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs sind zunächst die Klagsbehauptungen maßgeblich (RS0005896; RS0005861). Die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs ist hingegen irrelevant (RS0013639).

[9] 2. Jeder Mit‑ und Wohnungseigentümer ist berechtigt, eigenmächtige Eingriffe auch eines anderen Mit-oder Wohnungseigentümers in das Eigentumsrecht mit der Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren (RS0012137; RS0012112). Solche Klagen gehören nach der Rechtsprechung ungeachtet des § 838a ABGB auf den streitigen Rechtsweg (5 Ob 275/08i [Abstellen von Motorrädern auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft durch eine Wohnungseigentümerin und ihren Ehegatten] = RS0013199 [T2]; 5 Ob 98/19a [Abstellen und Parken von Fahrzeugen auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft durch einen Wohnungseigentümer]).

[10] 3. Die Klage ist aufgrund der vorgebrachten anspruchsbegründenden Tatsachen und dem verfolgten Rechtsschutzziel (Unterlassung der Benutzung von Allgemeinflächen) als Eigentumsfreiheitsklage iSd § 523 ABGB anzusehen.

[11] 4. Der Kläger beruft sich auf sein Recht, als Wohnungseigentümer eine Unterlassungsklage zur Abwehr eigenmächtiger Eingriffe in das gemeinsame Eigentum durch eine andere Wohnungseigentümerin und dessen Lebensgefährten zu erheben. Den eigenmächtigen Eingriff erblickt er darin, dass die Zweitbeklagte und der ihr zurechenbare Erstbeklagte ständig und dauernd ein Fahrzeug auf der Allgemeinfläche abstellen, wodurch er und die anderen Wohnungseigentümer an der Nutzung dieser Allgemeinfläche durch Parken von Fahrzeugen de facto gehindert würden.

[12] 4.1. Allgemeine Teile einer Liegenschaft, die im Wohnungseigentum stehen, dienen nach ihrer Zweckbestimmung (Widmung) der allgemeinen Benützung   (§ 2 Abs 4 WEG). Während die Nutzung der Wohnungseigentumsobjekte jeweils den Wohnungseigentümern zukommt (§ 16 WEG), steht die Nutzung der allgemeinen verfügbaren Teile der Liegenschaft sämtlichen Wohnungseigentümern als Teilhaberrecht im Sinn der Bestimmungen des ABGB über die Gemeinschaft des Eigentums zu (5 Ob 61/06s; 5 Ob 183/22f).

[13] 4.2. Grundsätzlich hat jeder Miteigentümer Anspruch auf eine annähernd seinem Miteigentumsanteil entsprechende Nutzung der gemeinsamen Sache, wenn er auch einen persönlichen Bedarf daran hat (RS0013612; RS0013575; 4 Ob 221/17d; 4 Ob 162/20g).

[14] Bei bloß beschränkter Gebrauchsmöglichkeit darf ein Miteigentümer – auch ohne vorherige Absprache oder Vereinbarung mit den anderen – jeden Gebrauch von der Sache machen, durch den er den Gebrauch durch die anderen nicht stört. Dabei ist nicht auf abstrakte Gebrauchsmöglichkeiten anderer Miteigentümer abzustellen, sondern auf den konkreten Gebrauch durch den anderen Bedacht zu nehmen (RS0013197 [T3; T4]; RS0013211 [T7]; 8 Ob 101/04t; 1 Ob 213/07s; 4 Ob 162/20g; 7 Ob 145/23h).

[15] Solange keine Gebrauchsstörung der anderen Miteigentümer vorliegt, steht ihm daher auch das Recht zur ausschließlichen Benützung der Sache oder eines Teils zu (RS0112571). Der Widerstand eines Miteigentümers macht den übermäßigen Gebrauch eines anderen nur dann rechtswidrig, wenn der widersprechende Miteigentümer einen konkreten Gebrauchswunsch zur Sachbenützung äußert (4 Ob 162/20g). Ohne Beanspruchung eines konkreten Gebrauchs liegt keine titellose Benützung durch den anderen Miteigentümer vor (1 Ob 213/07s mwN; 4 Ob 162/20g; 7 Ob 145/23h). Der widerstreitende Wohnungseigentümer muss die Benützung einvernehmlich oder gerichtlich regeln (RS0013185 [T1]; 4 Ob 162/20g).

[16] 4.3. Unstrittig ist, dass hinsichtlich der Allgemeinfläche eine Benützungsregelung weder vereinbart noch gerichtlich festgesetzt wurde. In einem solchen Fall kann ein rechtswidriger Eingriff in die Anteilsrechte der anderen Miteigentümer nach den dargelegten Grundsätzen nur dann vorliegen, wenn ein tatsächlicher Gebrauch oder konkreter Gebrauchswunsch anderer Miteigentümer besteht, weil ohne Gebrauchsstörung selbst ein alleiniger Gebrauch nicht in die Anteilsrechte der anderen Miteigentümer eingreift und daher nicht rechtswidrig ist (4 Ob 162/20g).

[17] Die Entscheidung des Berufungsgerichts folgt diesen Grundsätzen.

[18] Der Kläger macht gar nicht geltend, einen konkreten Gebrauch der Allgemeinfläche für sich zu beanspruchen. Er vertritt nur die Ansicht, dass die Beklagten die Allgemeinfläche – unabhängig vom konkreten Gebrauch der anderen – nicht über ihren Anteil hinaus benutzen dürfen.

[19] Ein rechtswidriger Eingriff der Zweitbeklagten in das Eigentum des Klägers liegt daher nicht vor (vgl 4 Ob 162/20g; 7 Ob 145/23h).

[20] 4.4. Der Erstbeklagte, der mit der Zweitbeklagten in deren Eigentumswohnung auf der Liegenschaft wohnt, leitet sein Nutzungsrecht von der Zweitbeklagten als Mit‑ und Wohnungseigentümerin ab. Auch sein Verhalten ist nicht rechtswidrig, weil ihm die Nutzung von der Zweitbeklagten gestattet wurde und in der Nutzung durch die Beklagten insgesamt keine Rechtswidrigkeit liegt.

[21] 4.5. Der Kläger stützt sich in seiner Revision auch auf die Hausordnung aus 2003, wonach „das Abstellen von Motorfahrzeugen außerhalb der Garage und unter Fenstern“ strengstens verboten ist.

[22] Das Berufungsgericht hat die Hausordnung dahin ausgelegt, dass das Abstellen von Fahrzeugen nicht generell außerhalb der Garagen verboten sei, sondern nur soweit dies unter Fenstern erfolge. Diese Auslegung durch das Berufungsgericht ist im hier vorliegenden konkreten Einzelfall nicht zu beanstanden, weil der Einschränkung „unter Fenstern“ kein zusätzlicher Bedeutungsgehalt zukommen würde, wenn man das Abstellen von Motorfahrzeugen generell außerhalb von Garagen als verboten ansehen würde. Das Abstellen „unter Fenstern“ erfolgt zwangsläufig außerhalb von Garagen.

[23] Darüber hinaus geht auch der Kläger in seinem Vorbringen selbst davon aus, dass jedem Wohnungseigentümer die – anteilsmäßige – Nutzung der Allgemeinfläche zum Abstellen von Fahrzeugen gestattet sei. Auch seine Begehren zielen im Ergebnis auf eine Nutzung dieser Fläche zum Parken ab.

[24] 4.6. Soweit der Kläger aus dem auf der Liegenschaft aufgestellten Fahrverbotsschild mit der Zusatztafel „Ausgenommen Garagenbesitzer“ eine Rechtswidrigkeit des Parkens durch die Beklagten ableiten will, entfernt er sich von den Feststellungen des Erstgerichts, wonach es keine Benützungsvereinbarung der Wohnungseigentümer gibt, dass Wohnungseigentümer, die keine Garage angemietet haben, von der Zufahrt und Nutzung der Allgemeinfläche ausgeschlossen sind. Da auch nicht festgestellt werden konnte, wann und von wem das Schild angebracht worden war, bleibt unklar, ob es überhaupt den Wohnungseigentümern oder der Wohnungseigentumsgemeinschaft zugerechnet werden kann. Eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die aus Anlass des Rechtsmitttels aufzugreifen wäre, liegt daher auch insoweit nicht vor.

[25] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

[26] 6. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0123222 [T8]).

[27] Da der Kläger im Verfahren erster Instanz entgegen § 56 Abs 2 JN das mit ON 11 geänderte Klagebegehren nicht bewertet hat und die Beklagten dies entgegen § 7 Abs 1 RATG nicht gerügt haben, gilt der Zweifelsstreitwert des § 14 lit c RATG (vgl Obermaier, Kostenhandbuch4 Kapitel 2 Rz 2.41, 2.44 [Stand 8. 1. 2024, rdb.at]; 9 ObA 24/24f). Dieser beträgt für Verfahren am Bezirksgericht 1.000 EUR.

[28] Aufgrund der Anspruchshäufung (Unterlassungsbegehren gegen den Erstbeklagten und Unterlassungsbegehren gegen die Zweitbeklagte als formelle Streitgenossen nach § 11 Z 2 ZPO) gilt für jeden Anspruch der Zweifelsstreitwert nach § 14 RATG. Die Zweifelsstreitwerte sind gemäß § 12 RATG zu addieren (vgl Obermaier, Kostenhandbuch4 Kapitel 1 Rz 1.346 [Stand 8. 1. 2024, rdb.at]). Die Bemessungsgrundlage für die Kostenentscheidung beträgt daher 2.000 EUR.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte