OGH 5Ob705/77

OGH5Ob705/7721.2.1978

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold, Dr. Thoma, Dr. Griehsler und Dr. Jensik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Hans Georg Herzog, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr. K*, Kaufmann, und 2.) I*, Kauffrau, beide in *wohnhaft, beide vertreten durch Dr. Wilhelm N. Leitgeb, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 6.426.949,-- samt Anhang, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Oktober 1977, GZ 1 R 173/77‑34, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 20. April 1977, GZ 13 Cg 78/75‑29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1978:0050OB00705.77.0221.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin binnen 3 Tagen die mit S 31.098,39 (einschließlich S 1.992,47 Umsatzsteuer und S 4.200,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Auf Grund des von den beiden bezogenen Beklagten angenommenen und von der Klägerin am 20. Februar 1975 in W* ausgestellten und am 28. Februar 1975 am selben Ort fällig gestellten Order-eigenen-Wechsels hat das Erstgericht am 11. April 1975 den beiden Beklagten den Auftrag erteilt, der Klägerin zur ungeteilten Hand die Wechselsumme von S 6.426.949,-- samt 6 % Zinsen seit 1. März 1975 und die mit S 171.034,-- bestimmten Kosten des Wechselzahlungsauftrages binnen 3 Tagen zu bezahlen.

Dieser Wechsel war am 17. Februar 1972 von den Beklagten als Blankoakzept der Klägerin in Erfüllung des Vertrages vom 19. November 1971/5. Jänner 1972 mit der Ermächtigung übersandt worden, ihn im Falle des Eintrittes der Verpflichtung zur Zahlung der in diesem Vertrag festgelegten „Vertragsstrafe“ fällig zu stellen. Diesem Vertrag zufolge hatte die Klägerin den Beklagten als Gegenleistung für deren Verpflichtung zum ausschließlichen Bezug des gesamten Bedarfes an Treibstoff und Schmiermitteln für ihre Tankstelle auf die Dauer von 30 Jahren mit einer Mindestmenge von 2 Millionen Liter im 1. Vertragsjahr, 3 Millionen Liter im 2. Jahr und dann von jährlich 4 Millionen und insgesamt von 117 Millionen Liter Vergaserkraftstoff einen Baukostenzuschuß von S 4,5 Millionen zur Errichtung einer Tiefgarage mit einer sogenannten Unterflurtankstelle gewährt und die Beklagten haben sich insbesondere auch für den Fall einer unverschuldeten oder zufälligen Nichterfüllung ihrer Abnahmeverpflichtung oder einer vorzeitigen, von der Klägerin nicht verschuldeten Vertragsauflösung zur Bezahlung einer „Vertragsstrafe“ verpflichtet, die S 38,50 pro tausend Liter Minderabnahme gegenüber der vertraglich festgelegten Mindestabnahmemenge betragen und nach einem Mischindex auf der Basis des Verbraucherindex 1966 wertgesichert sein sollte; dadurch sollte das Recht der Klägerin, bei Nichterfüllung der jährlichen Abnahmeverpflichtung eine vorzeitige Vertragsauflösung zu begehren, nicht eingeschränkt werden. Die Klägerin hatte im Verlauf der zum Vertragsschluß führenden Verhandlungen den Beklagten gegenüber die Menge des voraussichtlichen jährlichen Kraftstoffbedarfes in der geplanten Unterflurtankstelle mit ungefähr einer Million Liter veranschlagt, aber der Erstbeklagte hielt dem entgegen, daß Fachleute und andere Mineralölfirmen, mit denen er auch in Verhandlungen stehe, einen jährlichen Bedarf von 4 Millionen Liter Vergaserkraftstoff annähmen; die Klägerin habe, meinte er, schlechte Fachleute und sich nur oberflächlich mit der Sache befaßt. Zur Begründung seiner Annahme des hohen Treibstoffbedarfes verwies der Erstbeklagte auf Schätzungen der Firma K*, die dort etabliert ist, über die Zahl der Kaufhausbesucher, auf die Abstellplätze der Garage, die mit dem Kaufhaus unterirdisch verbunden sein sollte, auf die Benützung der Garage durch die Gäste des von den Beklagten dort betriebenen Hotels und der darauf, daß nach der Errichtung der Garage von der Verwaltung der Stadt K*, zu der er gute persönliche Beziehungen unterhalte, in den umliegenden Straßen ein Halte- und Parkverbot verfügt werde, sodaß die Garage benützt werden müsse. Auf Grund dieser Mitteilungen des Erstbeklagten entschloß sich die Klägerin, die von den Beklagten genannte jährliche Menge des Bedarfes an Vergasertreibstoff nicht weiter zu prüfen und allen weiteren Berechnungen zugrunde zu legen. Von dieser jährlichen Abnahmemenge wurde bei der Berechnung der Amortisation des Baukostenzuschusses von S 4,5 Millionen auch ausgegangen und demgemäß für den Fall der Nichterreichung dieser Abnahmemenge die Bezahlung eines Betrages von S 38,50 pro 1000 Liter Mindermenge in der Form einer „Vertragsstrafe“ vereinbart. Die Klägerin hatte zur Zeit dieser Vereinbarung mit den Beklagten keine Erfahrung über den Umsatz in Unterflurtankstellen, denn es gab damals in Österreich noch keine derartige Tankstelle. Von den Parteien war überdies vereinbart worden, daß von den Beklagten „sämtliche Zahlungen“ an die Klägerin „unter Ausschluß jeder Aufrechnung zu leisten“ seien. Bald nach der Eröffnung der Tankstelle der Beklagten zeigte sich, daß der Absatz an Vergasertreibstoff hinter den vereinbarten Mindestabnahmemengen zurückblieb. Durch die Treibstoffkrise des Jahres 1973 wurde der gesamte Mineralölvertrieb schwer getroffen, aber die Beklagten wurden in dieser Zeit von der Klägerin keineswegs schlechter beliefert als andere Tankstellen. In Ansehung des verrechneten Treibstoffpreises wurden die Beklagten durch die rückwirkend mit 14. November 1973 gewährte Erhöhung des Vergütungsbetrages von S 0,43 auf S 0,60 besser behandelt als andere Tankstellen. Es wurde ihnen auch eine Herabsetzung der vertraglich festgelegten Mindestabnahmemenge zugestanden, aber für den Fall, daß die für die Zeit vom 1. Jänner 1974 bis 31. August 1974 berechnete aliquote Mindestabnahmemenge von 1,5 Millionen Liter nicht erreicht werden sollte, die Auflösung des Vertrages in Aussicht gestellt. Die Beklagten haben aber auch im Jahre 1974 nicht die vereinbarte Mindestmenge an Vergasertreibstoff abgenommen - die abgenommene Menge betrug in diesem Jahr 174.870 Liter -, weshalb die Klägerin mit dem Brief vom 18. September 1974 den Vertrag mit sofortiger Wirkung als aufgelöst erklärte. Da die Beklagten während der Vertragsdauer zur Abnahme von mindestens 117 Millionen Liter Treibstoff verpflichtet waren, tatsächlich aber bis zur Auflösung des Vertrages durch die Klägerin nur 440.600 Liter bezogen haben, ergibt sich eine Minderbezugsmenge von 116.559.400 Liter. Der vertraglich als „Vertragsstrafe“ festgelegte Zurückzahlungsbetrag auf den gewährten Baukostenzuschuß bezüglich der Minderbezugsmenge von S 38,50 pro 1000 Liter Vergasertreibstoff erfuhr durch die vereinbarte Wertsicherung eine Aufwertung um 43,3 % auf S 55,07 pro 1000 Liter, sodaß sich als Gesamtrückzahlungsbetrag („Vertragsstrafe“) ein Betrag von insgesamt S 6.418.926,-- ergibt. Nach dem Vertrag der Parteien sind die Beklagten auch zum Ersatz der Wechselstempelgebühr von S 8.023,-- (= 1/8 % von S 6.418.926,--) verpflichtet.

Gegen den eingangs angeführten Wechselzahlungsauftrag des Erstgerichtes haben die Beklagten im wesentlichen folgende Einwendungen erhoben:

Der Treibstoffbezugsvertrag sei ungültig, weil in Anbetracht der irrealen Abnahmemenge von insgesamt 117 Millionen Liter Vergasertreibstoff im Verlauf von 30 Jahren geradezu Unmögliches Gegenstand des Vertrages gewesen sei und überdies die Klägerin die Beklagten durch die Verschweigung, daß derartige Mengen an Treibstoff in Unterflurtankstellen nicht abgesetzt werden könnten, listig in Irrtum geführt habe; es habe ihr auch der Irrtum der Beklagten in dieser Beziehung auffallen müssen. Die Geltendmachung der vereinbarten Vertragsstrafe sei unzulässig, weil die Klägerin selbst an der Auflösung des Vertrages ein Verschulden treffe, denn sie habe im Verlauf der Treibstoffkrise (1973) die Beklagten nicht ausreichend mit Treibstoff versorgt und sogar die Einstellung des Verkaufes verlangt und überdies die Preise so gestaltet, daß die Tankstelle als sogenannte Diskonttankstelle nicht haltbar gewesen sei; außerdem habe die Klägerin die G* AG veranlaßt, ein den Beklagten gewährtes Darlehen fällig zu stellen. Dadurch sei den Beklagten ein die Klageforderung übersteigender Schaden entstanden, der aufrechnungsweise geltend gemacht werde. Die Vertragsstrafe könne auch deshalb nicht begehrt werden, weil die Beklagten kein Verschulden treffe und die Vereinbarung wegen der sich aus dem Vertrag ergebenden Ungleichbehandlung der Vertragspartner sittenwidrig sei. Die Klägerin habe darauf auch stillschweigend verzichtet, weil sie die vorgesehene jährliche Differenzzahlung nicht begehrt und sich erst nach Auflösung des Vertrages auf die Vertragsstrafevereinbarung berufen habe. Überdies unterliege die Vertragsstrafe dem richterlichen Mäßigungsrecht, weil die Beklagten keine Kaufleute seien, und sei auch nicht fällig, denn die Klägerin habe nicht das vertraglich festgelegte Auflösungsverfahren eingehalten. Der Klägerin sei überhaupt kein Schaden entstanden. Die Klageforderung sei nicht richtig berechnet worden.

Die Klägerin erwiderte im wesentlichen, die Beklagten hätten dem von ihr geäußerten Zweifel an der von ihnen in Aussicht gestellten Abnahmemenge mit der Erklärung begegnet, sie müsse schlechte Sachverständige haben, andere Mineralölfirmen seien zu günstigeren Ergebnissen gekommen. Die angebliche Irreführung sei verjährt. Der mit dem Wechsel geltend gemachte Anspruch sei kein Schadenersatzanspruch, vielmehr werde die Zurückzahlung des durch Warenlieferungen nicht amortisierten Teiles des den Beklagten gewährten Baukostenzuschusses begehrt, der im Vertrag als „Vertragsstrafe“ bezeichnet worden sei. Durch die Kündigung des Bezugsvertrages der Parteien sei auch der von der G* AG den Beklagten eingeräumte Kredit fällig geworden. Die Geltendmachung von Gegenforderungen sei den Beklagten auf Grund des Vertrages verwehrt.

Das Erstgericht entschied, daß die Klageforderung in voller Höhe zu Recht bestehe, die Aufrechnung mit der einredeweise geltend gemachten Gegenforderung unzulässig sei und deshalb der Wechselzahlungsauftrag aufrecht erhalten werde. Zur rechtlichen Beurteilung des oben dargestellten Sachverhaltes führte das Erstgericht im wesentlichen aus:

Die Klägerin habe die Beklagten in keiner Weise in Irrtum geführt und es habe ihr auch nicht der Irrtum der Beklagten hinsichtlich der Umsatzmöglichkeiten den Umständen nach auffallen müssen; sie habe nämlich selbst über keine eigenen Erfahrungen verfügt, sondern nur Schätzungen vorgenommen. Es treffe sie auch kein Verschulden an der Vertragsauflösung, sodaß sie die Konventionalstrafe geltend machen könne, die sich in Wahrheit ohnedies als die für den Fall der Vertragsauflösung vorgesehene Zurückzahlung des Baukostenzuschusses darstelle. Sie sei dem Vertrag zufolge von einem Verschulden der Beklagten an der Nichterfüllung der Vertragspflichten unabhängig und verlange auch keinen Schaden der Klägerin. Die Vereinbarung sei auch keineswegs sittenwidrig. Die Klägerin habe auf den ihr zustehenden Anspruch nicht schlüssig verzichtet. Da die Beklagten bei Vertragsschluß Vollkaufleute gewesen seien, komme auch das richterliche Mäßigungsrecht nicht zur Anwendung. Die Aufrechnung der Beklagten mit einer nicht konkretisierten und auch nicht bezifferten Gegenforderung sei zufolge des vereinbarten Aufrechnungsverbotes unzulässig.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es übernahm in Verwerfung der Rüge angeblicher Verfahrensmängel und Aktenwidrigkeiten die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines als unbedenklich erachteten Beweisverfahrens und führte zur Rechtsrüge der Beklagten im wesentlichen aus:

Die vereinbarte Verpflichtung der Beklagten zur Abnahme der festgelegten Treibstoffmengen stelle keine geradezu unmögliche Leistung im Sinne des § 878 ABGB dar, denn sie sei weder rechtlich unmöglich noch faktisch absurd und mußte bei vernünftigem Urteil der Parteien zur Zeit des Vertragsschlusses nicht als unmöglich angesehen werden; vielmehr konnten die Parteien durchaus die Möglichkeit der Leistung voraussetzen. Der Vertrag werde nicht dadurch unwirksam, daß sich nachträglich die erwarteten Voraussetzungen als tatsächlich unrichtig erweisen. Der von den Beklagten geltend gemachte Irrtum über die Absatzmöglichkeiten sei als Irrtum über den Beweggrund anzusehen, der den Vertrag nur bei Arglist anfechtbar mache. Für die Annahme arglistigen Verhaltens der Klägerin fehle aber jede tatsächliche Grundlage. Da die Klägerin selbst keine Erfahrungen über den Umsatz von Unterflurtankstellen gehabt habe, sondern nur über Schätzungen verfügte und die Beklagten auf die von ihr geschätzten geringeren Umsatzmengen aufmerksam gemacht habe, könne nicht angenommen werden, daß ihr der Irrtum der Beklagten auffallen mußte. Da die Klägerin an der Vertragsauflösung kein Verschulden treffe und nach dem Vertrag ein Verschulden der Beklagten für die Geltendmachung der „Vertragsstrafe“ nicht erforderlich sei, sei das Klagsbegehren der Klägerin nicht unzulässig. Der Einwand der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung sei nicht berechtigt, weil sich die „Vertragsstrafe“ in Wahrheit als Zurückzahlung des von der Klägerin gewährten Baukostenzuschusses darstelle. Überdies könne nach der herrschenden Vertragsfreiheit, derzufolge die wirtschaftliche Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen keine Voraussetzung für die Vertragsgültigkeit sei, die Ungleichheit der beiderseitigen Leistungen oder das Fehlen einer unmittelbar zu erbringenden Gegenleistung an sich einen Vertrag noch nicht sittenwidrig machen, solange nicht ein Ausbeutungstatbestand oder ein Sachverhalt von gleicher Bedeutung hinzutrete. Eine Vertragsstrafevereinbarung sei insbesondere dann nicht sittenwidrig, wenn sie wegen der Nichterfüllung des Vertrages und der daraus resultierenden Vertragsauflösung begehrt werde. Es könne auch nicht von einem Verzicht der Klägerin auf den Vertragsstrafeanspruch gesprochen werden, weil sie diesen Anspruch nicht schon früher geltend gemacht habe. Nach ständiger Rechtsprechung sei der Anspruch auf Bezahlung der Vertragsstrafe nicht vom Eintritt oder Nachweis eines Schadens abhängig. Das vereinbarte Aufrechnungsverbot beziehe sich auf „sämtliche Zahlungen“ an die Klägerin und könne, da andere Zahlungen der Beklagten nicht vereinbart worden seien, nur die aus dem Alleinbezugsvertrag entstehenden Verbindlichkeiten der Beklagten zum Gegenstand haben. Das Erstgericht habe deshalb mit Recht die Aufrechnungseinrede der Beklagten abgewiesen. Die Gegenforderung wäre aber auch meritorisch nicht berechtigt gewesen, weil die Klägerin an der Auflösung des Vertrages kein Verschulden treffe und sie nachher nicht mehr zu weiteren Lieferungen verpflichtet gewesen sei.

Gegen das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten wegen Aktenwidrigkeit, Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, die Entscheidungen der Unterinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde, oder sie aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungs- oder an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung und Beseitigung der Nichtigkeiten zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Zum Anfechtungsgrund der Nichtigkeit führen die Revisionswerber zunächst aus, die Klägerin habe mit ihrer Wechselklage die Bezahlung einer Konventionalstrafe aus dem Treibstoffbezugsvertrag der Parteien geltend gemacht, aber die Unterinstanzen seien ohne entsprechende Parteienbehauptungen von der Feststellung ausgegangen, die Klägerin begehre in Wahrheit die Zurückzahlung des ihnen gewährten Baukostenzuschusses; es werde damit ein „Scheingeschäft“ der Wechselklage zugrunde gelegt.

Die Revisionswerber gehen dabei von einer aktenwidrigen Annahme aus: tatsächlich hat die Klägerin in Erwiderung auf die Einwendungen der Beklagten ausdrücklich vorgebracht, es handle sich bei der als „Vertragsstrafe“ bezeichneten Verpflichtung der Beklagten um nichts anderes als um die Zurückzahlung der durch Warenlieferungen nicht amortisierten Teile des ihnen gewährten Baukostenzuschusses (ON 4 S 21). Im übrigen verkennen die Revisionswerber die Natur des wechselmäßigen Anspruches, der von der Klägerin geltend gemacht wurde, wenn sie behaupten, die Klägerin habe die Bezahlung einer Konventionalstrafe klageweise begehrt. Der Klageanspruch ist nur auf die abstrakte Wechselforderung gegründet, nicht aber auf das der Begebung des Wechsels zugrunde liegende Rechtsgeschäft. Freilich geht die Abstraktheit der Wechselforderung nicht soweit, daß das Fehlen, die Nichtigkeit oder der Wegfall des Grundgeschäftes ohne jede rechtliche Bedeutung für die Wechselforderung wäre; zwischen den Parteien des Grundgeschäftes führt sie zu einer Umkehr der Beweislast, denn es obliegt dem Schuldner, den Nachweis für das Fehlen, die Nichtigkeit oder den Wegfall des Grundgeschäftes zu erbringen (für alle: Baumbach-Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz11, 37). Wenngleich der wechselmäßige Anspruch der Klägerin vom Bestand der der Wechselbegebung durch die Beklagten zugrunde liegenden Forderung abhängt, war sie deshalb nicht verpflichtet, den Bestand dieser Forderung durch substantielle Behauptungen darzulegen und zu beweisen. Es ist allerdings auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens von den Unterinstanzen die Richtigkeit ihrer Behauptung, daß ihr aus dem Grundgeschäft, das ist der Treib-Stoffbezugsvertrag, infolge der begründeten vorzeitigen Vertragsauflösung wegen Nichtabnahme der vereinbarten Mindestmengen an Treibstoff der Anspruch auf Zurückzahlung des nicht amortisierten Teiles des gewährten Baukostenzuschusses zusteht, festgestellt worden. Daß es sich bei der diesbezüglichen Vereinbarung der Parteien nicht um ein „Scheingeschäft“ handelt, wird im Zusammenhang mit der Erledigung der Rechtsrüge dargestellt werden.

Eine weitere Nichtigkeit erblicken die Revisionswerber in dem Fehler mehrerer von ihnen im einzelnen angeführter Feststellungen, die insgesamt die unzulässige Neuerung betreffen, es seien die für die Klägerin bei den Verhandlungen eingeschrittenen Personen in Anbetracht der „Größenordnung des Vertrages“ zum Vertragsschluß nicht bevollmächtigt gewesen und es sei deshalb von nicht vorhandenen Voraussetzungen ausgegangen worden.

Feststellungsmängel sind, wenn sie für die rechtliche Beurteilung der Sache unentbehrliche Tatsachen betreffen, dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnen und können jedenfalls keine Nichtigkeit des Verfahrens zur Folge haben. Auf die Rüge der Revisionswerber ist aber auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der Sache nicht einzugehen, weil sie von einer unzulässigen und daher unbeachtlichen Neuerung ausgeht.

Schließlich wird als Nichtigkeit geltend gemacht, daß sich die Mentalreservation der Klägerin bezüglich der Unmöglichkeit der vereinbarten Treibstoffbezugsmenge in der Formulierung der Vertragsstrafe widerspiegle. Damit wird jedoch nicht auf das Verfahren vor den Unterinstanzen, sondern auf die dieser Annahme der Revisionswerber entgegenstehenden Tatsachenfeststellungen Bezug genommen, die einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen sind.

Ob, wie die Revisionswerber als Verfahrensmangel rügen, zum Beweis für die behauptete Kenntnis der Klägerin von der Unmöglichkeit des zu erzielenden Treibstoffumsatzes, wie er vertraglich festgelegt wurde, auch die Beziehung eines Sachverständigen notwendig war, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die durch den Obersten Gerichtshof nicht geprüft werden kann (EvBl 1958/94 ua).

Die Unterinstanzen sind in Anbetracht der von ihnen als erwiesen angenommenen Vereinbarung des Aufrechnungsverbotes verfahrensrechtlich richtig mit der Abweisung der Aufrechnungseinrede der Beklagten vorgegangen, ohne sich weiter mit dem Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung zu befassen (SZ 41/68, SZ 43/229 uva; Fasching III, 581 f), sodaß deshalb auch das Verfahren nicht mangelhaft bleiben konnte.

Die Rechtsrüge ist ebenfalls nicht begründet.

Zutreffend sind die Unterinstanzen zu dem Ergebnis gekommen, daß der der Wechselforderung zugrunde liegende Anspruch der Klägerin nach der festgestellten Vereinbarung der Parteien ungeachtet seiner unrichtigen Bezeichnung als „Vertragsstrafe“ auf Zurückzahlung des durch den Ausfall der vereinbarten Treibstofflieferungen nicht amortisierten Teiles des gewährten Baukostenzuschusses gerichtet ist. Dieser Zurückzahungsanspruch war vertraglich für den Fall der Nichtabnahme der für die einzelnen Vertragsjahre und endlich auch für die gesamte Vertragsdauer von 30 Jahren festgelegten Mindestmengen an Treibstoff vorgesehen, weil die Amortisation des gesamten Baukostenzuschusses sonst nur bei Abnahme der vereinbarten Mindestmengen an Treibstoff erreichbar war. Seinem Wesen nach hat dieser bedingte Zurückzahlungsanspruch mit einer Vertragsstrafe im Sinne des § 1336 ABGB nichts gemein, denn bei dieser handelt es sich um einen vorweg pauschalierten Schadenersatz, der unabhängig von dem infolge einer Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrages tatsächlich eingetretenen Schaden vom säumigen Schuldner zu leisten ist (Koziol-Welser, Grundriß I4, 169 für alle). Eine derartige Vereinbarung ist von den Parteien nicht getroffen worden, auch wenn sie die bedinge Zurückzahlungsabmachung in rechtlich unrichtiger Qualifizierung als „Vertragsstrafe“ bezeichnet haben. Es entspricht dem auch das materielle Privatrecht beherrschenden Grundsatz, daß eine falsche rechtliche Bezeichnung eines Tatbestandes nichts schadet. Von einem Scheingeschäft kann in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden, weil die von den Vertragsparteien deutlich zum Ausdruck gebrachten Tatbestandselemente bei richtiger rechtlicher Qualifikation die Annahme einer Vertragsstrafe nicht zulassen und an dem Charakter der Vereinbarung als der eines bedingten Zurückzahlungsanspruches des von der Klägerin den Beklagten gewährten Baukostenzuschusses keinen Zweifel aufkommen lassen. Auch die vereinbarte Wertsicherung der Höhe des bedingten Zurückzahlungsanspruches ist nach dem festgestellten Sachverhalt nicht in Frage zu stellen. Gegen die Zulässigkeit dieser Vereinbarungen bestehen keine ersichtlichen rechtlichen Bedenken, insbesondere ist nicht erkennbar, in welcher Beziehung ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen soll, sowohl was die Vereinbarungen als solche betrifft als auch die Geltendmachung der daraus entstandenen Ansprüche. Die Revisionswerber beschränken sich auf die allgemein gehaltene Behauptung, der Anspruch sei nicht richtig berechnet, sie können aber nicht darlegen, in welcher Hinsicht die Berechnung des wertgesicherten Anspruches der Klägerin unrichtig sein soll.

Es ist richtig, daß der bedingte Zurückzahlungsanspruch der Klägerin nach dem Vertrag der Parteien dann ausgeschlossen sein sollte, wenn die vorzeitige Vertragsauflösung durch die Klägerin verschuldet war. Nach den Feststellungen der Unterinstanzen hat die Klägerin den Vertrag wegen der Nichterfüllung der Abnahmeverpflichtungen durch die Beklagten aufgelöst. Von einem Verschulden der Klägerin an der Vertragsauflösung kann deshalb keine Rede sein. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe die Nichterfüllung der Mindestabnahmeverpflichtung insoferne schuldhaft veranlaßt, als sie während der Treibstoffkrise 1973 nicht ausreichende Mengen an Treibstoff geliefert und durch ihre Preisgestaltung den Absatz von Treibstoff im Diskontwege vereitelt habe, ist nicht erwiesen. Im Gegenteil, es ist festgestellt, daß die Klägerin während der Treibstoffkrise 1973 keineswegs die Beklagten schlechter beliefert hat als andere Tankstellen und daß sie doch die rückwirkend mit 14. November 1973 gewährte Erhöhung des Vergütungsbetrages von 0,43 auf 0,60 S die Beklagten besser behandelte als andere Tankstellen. Sie hat demnach auch nicht die Nichterfüllung der Mindestabnahmeverpflichtung durch die Beklagten schuldhaft veranlaßt.

Die Beklagten haben die Nichtigkeit des Vertrages wegen der angeblichen anfänglichen Unmöglichkeit der vertraglich bedungenen Abnahmeleistung eingewendet, die der Klägerin bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt gewesen sei und die sie ihnen, den Beklagten, arglistig verschwiegen habe.

Nach herrschender Auffassung ist unter dem Begriff des „geradezu Unmöglichen“ im Sinne des § 878 ABGB das rechtlich Unmögliche und das faktisch Absurde zu verstehen (Koziol-Welser aaO 114 für alle). Da die Vereinbarung der Parteien rechtlich durchaus nicht unmöglich war, kommt nur der Einwand des faktisch Absurden in Betracht. Absurd ist eine Leistungszusage, wenn die Erfüllung der Leistungsverpflichtung von vernünftigen Geschäftspartnern im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als ausgeschlossen angesehen werden mußte (Koziol-Welser ebendort). Nach dem von den Unterinstanzen festgestellten Sachverhalt war dies hier jedoch nicht der Fall, denn es bestand zur Zeit des Vertragsschlusses keine Erfahrung über die Höhe des Treibstoffumsatzes in sogenannten Unterflurtankstellen und die Besonderheit, daß die Tankstelle in einer unterirdischen Garage untergebracht wurde, die mit einem Kaufhaus und einem Hotel verbunden ist, und infolge des vom Erstbeklagten kraft seiner angeblichen persönlichen Beziehungen zur Verwaltung der Stadt K* für die Umgebung der Garage erwarteten Park- und Halteverbotes, das einen Garagierungszwang bewirken sollte, ließ offenkundig auch keine auch nur annähernd genaue Schätzung des zu erwartenden Treibstoffumsatzes zu. Es kann deshalb nicht von der Annahme ausgegangen werden, daß die Vertragsparteien bei vernünftiger Betrachtungsweise der Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses die Erfüllung der Abnahmeverpflichtung durch die Beklagten als ausgeschlossen ansehen mußten. Aus diesem Grunde ist aber auch der Arglisteinwand der Beklagten nicht gerechtfertigt. Arglist könnte nämlich der Klägerin nur vorgeworfen werden, wenn ihr zur Zeit des Vertragsschlusses der erzielbare Umsatz an Treibstoff und der Irrtum der Beklagten bei der Veranschlagung desselben bewußt gewesen wäre und ihr überdies bekannt gewesen wäre oder bekannt hätte sein müssen, daß die Beklagten bei Aufklärung ihres Irrtums entweder überhaupt nicht oder nicht im Umfange der tatsächlich übernommenen Abnahmeverpflichtung kontrahieren würden. Ihre eigene Schätzung von etwa einer Million Liter Treibstoff hat die Klägerin den Beklagten zur Erwägung gestellt, aber die Beklagten haben sich auf angeblich von ihnen eingeholte sachverständige Schätzungen berufen und die Veranschlagung der Klägerin als unzureichend abgetan. Aus diesem Grunde kann der Klägerin auch nicht die Verletzung ihr zumutbarer vorvertraglicher Schutzpflichten gegenüber den Beklagten angelastet werden, die sich auf selbst eingeholten sachverständigen Rat beriefen. Gegen die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums gemäß § 871 ABGB, die nach herrschender Auffassung gerichtlich im Wege der Klage oder der Einrede erfolgen muß (Koziol-Welser aaO 107 für alle), hat die Klägerin mit Recht die Einrede der Verjährung gemäß § 1487 ABGB erhoben, denn die dreijährige Frist für die gerichtliche Geltendmachung, die vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu laufen beginnt (SZ 39/56 ua), ist bereits zur Zeit der Erhebung der Anfechtungseinrede in diesem Prozeß abgelaufen gewesen (JB 36).

Aus der bloßen Tatsache, daß die Klägerin nicht sofort noch während des aufrechten Bestandes des Vertrages ihre bereits damals entstandenen Ansprüche auf teilweise Zurückzahlung des gewährten Baukostenzuschusses infolge des Verzuges der Beklagten mit den für die ersten Vertragsjahre festgelegten Abnahmemengen geltend gemacht hat, kann nicht auf einen Verzicht auf die Geltendmachung des Zurückzahlungsanspruches überhaupt geschlossen werden. Für einen schlüssigen Verzicht ist erforderlich, daß an dem Verzichtswillen des Berechtigten bei Anwendung der Regeln des redlichen Verkehrs auf sein Verhalten kein Zweifel bestehen kann. Die bloße Unterlassung der sofortigen Geltendmachung entstandener Ansprüche läßt einen solchen Schluß jedoch nicht zu.

Die Revision der Beklagten, die sich zum Teil in unzulässiger Weise auf Verweisungen auf die Ausführungen in der Berufungsschrift erschöpft, ist aus den dargelegten Erwägungen in keiner Weise berechtigt.

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