European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00646.76.1005.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Die klagende Partei stützte ihr Begehren auf Zahlung von 79.910,— S samt Anhang auf den Titel des Schadenersatzes sowie hilfsweise auch auf eine Anweisung und deren Annahme durch den Beklagten als Angewiesenem (AS. 18).
Das Parteienvorbringen stimmt darin überein, daß die klagende Partei einem H* P* im August 1971 einen Kredit von 50.000,– S gewährte. Der Beklagte, damals Substitut des öffentlichen Notars von M*, Dr. H* F*, war mit der Durchführung eines Kaufvertrages über eine von H* P* verkaufte Liegenschaft betraut. Er richtete an P* am 19. August 1971 folgenden Brief: „Zur Vorlage bei der R* bestätige ich hiemit, daß Sie mich heute unwiderruflich angewiesen haben, aus dem Kaufpreis für Ihre Liegenschaft einen Teilbetrag von S 50.000,— ... bei Erfüllung der im Kaufvertrag für die Freigabe des Kaufpreises erforderlichen Bedingungen auf ein von ihrer R* noch bekanntzugebendes Konto zu überweisen.“ Der Beklagte verwendete aber den bei ihm erliegenden Kaufpreis zufolge ihm von P* am 17. Februar 1972 erteilter Aufträge zur Gänze zur Abdeckung anderer Verbindlichkeiten P*. Es kam daher nicht zur Überweisung der S 50.000,— an die Klägerin.
Die Klägerin begehrt sohin vom Beklagten die Bezahlung dieses Betrages sowie der aufgelaufenen Zinsen und Kosten von 29.910,– S. Der Beklagte hafte, weil er entgegen der unwiderruflichen Verpflichtungserklärung vom 19. August 1971 den Kaufpreis anderweitig ausbezahlt habe zufolge Uneinbringlichkeit der Darlehensforderung der Klägerin für den Ersatz des vollen Darlehensbetrages samt Zinsen, Prozeß- und Exekutionskosten. Er sei auch zahlungspflichtig, weil er die an ihn gerichtete Anweisung gemäß §§ 1400 f. ABGB angenommen habe.
Der Beklagte beantragte demgegenüber Abweisung der Klage, weil weder er noch Dr. F* bei der im Auftrage des H* P* abgegebenen Erklärung vom 19. August 1971 gewußt hätten, um welche R* es sich handle. Er sei damit gegenüber dieser unbekannten R* keinerlei Verpflichtung eingegangen. Der Betrag von 50.000,– S sei, sollte er zur Verfügung stehen, ausschließlich das Geld H* P* gewesen. Dieser habe diesbezüglich auch keine Forderung gegenüber dem Beklagten und dem Notar Dr. F*. Erst bei Widerruf des Auftrages zur Überweisung von 50.000,– S am 17. Februar 1972 habe der Beklagte erfahren, daß es sich bei der R* laut Schreiben vom 19. August 1971 um die Klägerin gehandelt habe. Er sei mit dieser in kein Rechtsverhältnis getreten, sondern nur zur Durchführung der Aufträge seines Auftraggebers P* verpflichtet gewesen.
Das Erstgericht hielt die Rechtssache auf der Grundlage des Parteienvorbringens, insbesondere der vom Beklagten zugestandenen Erklärung vom 19. August 1971 hinsichtlich des Teilbetrages von 50.000,– S für spruchreif und gab dem Klagebegehren in diesem Umfange mit Teilurteil statt. Es beurteilte diese Erklärung als Annahme einer Anweisung gemäß den §§ 1400, 1403 ABGB. Der Beklagte habe gar nicht bestritten, daß diese Erklärung der Klägerin zugekommen sei. Auch wenn ihm die Anweisungsempfängerin zunächst unbekannt gewesen wäre, sei er bis zur Rückgabe des Schreibens an seine Annahmeerklärung gebunden gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es erachtete nach eingehender Darlegung des Wesens der Anweisung und der diesbezüglichen Bestimmungen der §§ 1400 f ABGB das Verfahren gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO als ergänzungsbedürftig, weil die von den Parteien zugestandenen Tatsachen nicht ausreichten, um über den Anspruch der Klägerin verläßlich absprechen zu können. In der Erklärung des Beklagten vom 19. August 1971 sei von einer unwiderruflichen „Anweisung“ die Rede, doch sei schon der buchstäbliche Sinn des Ausdruckes mehrdeutig, weil dieses Wort sowohl im spezifischen Sinne der §§ 1400 ff ABGB. als auch im Sinne von „anordnen, beauftragen“ gebraucht werden könne. Die diesbezügliche Parteiabsicht sei aber aus dem Text der Erklärung allein nicht zu gewinnen. Zu klären sei daher, ob vereinbart gewesen sei, daß der Beklagte als Angewiesener im eigenen Namen, sei es durch Anweisung auf Schuld oder durch Anweisung auf Kredit, oder aber im Namen des H* P* aus einem diesen zustehenden Guthaben leisten sollte. Im Hinblick auf die für das Vorliegen einer Anweisung im Sinne der §§ 1400 ff. ABGB wesentliche Vorliegen einer Ermächtigung an den Anweisungsempfänger, die Leistung beim Angewiesenen als solche des Anweisenden einzuheben, sei zu prüfen, ob P* auch die Klägerin angewiesen habe, die Leistung in Empfang zu nehmen. Weiters sei zu klären, wann die Erklärung des Beklagten über die Annahme der Anweisung der Klägerin zugekommen sei. Sie sei für diese Behauptung beweispflichtig, da ihr unmittelbarer Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 1400 zweiter Satz ABGB davon abhängig sei. Diesbezügliche Feststellungen fehlten aber. Schließlich sei zu prüfen, wann die Person des Anweisungsempfängers dem Beklagten bekannt geworden sei und ob P* die Anweisung vor Kenntnis des Beklagten von der Person des Anweisungsempfängers widerrufen habe. Nach dem Zugeständnis des Beklagten stehe nicht fest, ob er kurz vor oder nach Abgabe der Widerrufserklärung P* Kenntnis von der Person des Anweisungsempfängers erhalten habe. In diesem Zusammenhang werde auch zu klären sein, ob die Verpflichtungserklärung vom 19. August 1971 vom Notar Dr. F* oder vom Beklagten stamme und mit welchen von beiden das Telefongespräch über die Kreditgewährung erfolgt sei. Sollte die Verfahrensergänzung ergeben, daß der Anspruch des Klägers in den §§ 1400 ff. ABGB nicht zu begründen sei, werde auf den von der Klägerin primär geltend gemachten Rechtsgrund des Schadenersatzes einzugehen sein.
Gegen den berufungsgerichtlichen Beschluß richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrage, den angefochtenen Beschluß dahingehend „abzuändern“, daß die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückverwiesen und diesem die Entscheidung in der Sache selbst im Sinne einer Bestätigung des Urteiles erster Instanz aufgetragen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Das Wesen der Anweisung und ihre rechtlichen Voraussetzungen im Sinne der §§ 1400 f. ABGB wurden vom Berufungsgericht eingehend und zutreffend dargelegt. Demnach handelt es sich um ein dreipersonales Schuldverhältnis, das eine doppelte Ermächtigung enthält. Einerseits wird der Angewiesene ermächtigt, an den Anweisungsempfänger zu leisten. Er handelt dabei zwar auf Rechnung des Anweisenden, jedoch im eigenen Namen, also nicht als direkter Stellvertreter. Das Verhältnis zwischen Anweisendem und Angewiesenem, das sogenannte Deckungsverhältnis, kann darauf beruhen, daß der Angewiesene dem Anweisenden die Erbringung der Leistung schon schuldet (Anweisung auf Schuld), eine Schenkung des Angewiesenen an den Anweisenden vorliegt, oder aber eine Kreditgewährung gegeben ist (Anweisung auf Kredit). Wenn vereinbart ist, daß der Angewiesene im Namen des Anweisenden leisten soll, liegt keine Anweisung, sondern ein Bevollmächtigungsverhältnis oder ein Auftrag vor (vgl. insb. Koziol-Welser, Grundriß3, I, 230 f.; Wolff in Klang2, VI, 324 f.).
Wenn die Rekurswerberin nunmehr vorbringt, die beklagte Partei habe im erstinstanzlichen Verfahren nie behauptet, daß sie ausschließlich im Vollmachtsnamen bzw. als Vollmachtsträger des H* P* tätig geworden sei, so trifft dies nicht zu. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß schon aus der Rolle des Beklagten als bevollmächtigter Verfasser des Kaufvertrages, der gemäß § 1009 ABGB allen aus dem Geschäft entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen hat, nahegelegen sei, daß mit der in der Erklärung vom 17. August 1971 angeführten Anweisung nur eine Ermächtigung des Beklagten gemeint war, im Namen des P* aus einem diesem zustehenden Guthaben zu leisten. In diese Richtung gehen auch die Ausführungen der Klagebeantwortung, wonach der Betrag von 50.000,— S ausschließlich das Geld H* P* gewesen sei und er diesbezüglich auch keine Forderung dem Beklagten sowie dem Notar Dr. F* gegenüber gehabt hätte. Daß es sich um einen Kaufpreiserlag für die verkaufte Liegenschaft handelte, ist aus der Erklärung vom 19. August 1971 direkt zu entnehmen.
Gemäß dem § 1400 letzter Satz ABGB erhält der Anweisungsempfänger einen unmittelbaren Anspruch gegen den Angewiesenen erst, wenn die Erklärung des Angewiesenen über die Annahme der Anweisung ihm zugekommen ist. Die Rekurswerberin vermeint hier, daß diesbezügliche Feststellungen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes im Hinblick auf die Prozeßbehauptungen der Parteien entbehrlich seien. Die Behauptungen der klagenden Partei über eine telefonische Kontaktaufnahme vor dem 17. Februar 1972 (Aktenseite 14) können aber schon deshalb keine Entscheidungsgrundlage abgeben, weil die beklagte Partei behauptet hat, erst in diesem Zeitpunkt erstmalig von P* erfahren zu haben, daß es sich bei der R* laut Schreiben vom 19. August 1971 um die Klägerin gehandelt habe (AS 11). Es kann auch nicht von vornherein gesagt werden, daß es der logischen Erfahrung widerlaufe, daß der Verfasser eines Schreibens Formulierungen wie in der Erklärung vom 19. August 1971 gebrauche, ohne sich zu vergewissern, welche R* gemeint sei.
Gemäß § 1403 ABGB kann der Anweisende die Anweisung widerrufen, solange der Angewiesene die Anweisung noch nicht dem Empfänger gegenüber angenommen hat. Die Annahme der Anweisung erzeugt eine abstrakte Schuld. Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis oder Valutaverhältnis kann der Angewiesene gegenüber dem Anweisungsempfänger nicht erheben. Dies setzt aber voraus, daß dem Angewiesenen ein bestimmter Anweisungsempfänger bekannt ist. Im Falle einer Blankoannahme wird der Annehmende erst in dem Zeitpunkt verpflichtet, in dem die Anweisung durch die Bekanntgabe des Anweisungsempfängers vollständig geworden ist (vgl. Wolff in Klang2 VI, 326). Es erweisen sich daher die Erhebungsaufträge des Berufungsgerichtes bezüglich des Zeitpunktes der Kenntnisnahme der Person des Anweisungsempfängers für den Beklagten im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Widerrufes der Anweisung als rechtlich relevant und mangels feststehenden Sachverhaltes notwendig.
Die Rekurswerberin kann sohin eine rechtliche Fehlbeurteilung seitens des Berufungsgerichtes nicht aufzeigen. Wenn dieses aber in einem solchen Falle den Sachverhalt als ergänzungsbedürftig befunden hat, kann der Oberste Gerichtshof, der Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (vgl. dazu SZ 38/29 und 227 u.v.a.).
Dem unbegründeten Rekurse war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
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