European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00631.76.0713.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.989,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 129,60 Umsatzsteuer und S 240,– Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28. 1. 1971, 21 Cg 7/71‑4, aus dem Verschulden des Mannes geschieden. In dem für den Fall der Scheidung geschlossenen Vergleich verpflichtete sich dieser, der Frau zur gänzlichen Entfertigung ihrer Unterhaltsansprüche und als Ablöse ihres Miteigentums an dem gemeinsam angeschafften PKW, Vauxhall Viva, einen Betrag von S 60.000,— in monatlichen Raten von S 1.000,— ab 1. 2. 1971 bei Exekution zu bezahlen. Von der Frau wurde ein Unterhaltsverzicht erklärt. Mit dem Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 30. 4. 1974, 21 Cg 262/71‑21, wurde die Wiederaufnahme des obgenannten Ehescheidungsverfahrens bewilligt und das in diesem Verfahren ergangene Urteil, das bezüglich des Ausspruches der Scheidung der Ehe unberührt blieb, im Verschuldensausspruch beseitigt. Gleichzeitig wurde im wiederaufgenommenen Verfahren bezüglich des Verschuldensausspruches entschieden, daß das Verschulden an der Ehescheidung beide Teile treffe.
Mit der am 20. 3. 1975 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Rechtsunwirksamerklärung des am 28. 1. 1971 vor dem Landesgericht für ZRS Wien zu 21 Cg 7/71 geschlossenen Vergleiches und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 46.000,— samt Anhang. Die Beklagte habe den Scheidungsvergleich listig erschlichen und den Kläger darüber in Irrtum geführt, daß nicht er, sondern ihr nunmehriger Ehemann der Vater des von ihr am 24. 7. 1971 geborenen Sohnes sei. Dies habe sich im Wiederaufnahmsverfahren herausgestellt. Der Kläger habe auf Grund dieses Vergleiches bisher S 46.000,– an die Beklagte bezahlt.
Die Beklagte wendete demgegenüber ein, daß der Vergleich „für den Fall der Scheidung“ geschlossen worden sei. Eine Einschränkung wegen des Verschuldens an der Scheidung sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe den Kläger nicht durch List zum Vergleichsabschluß veranlaßt. Dieser, der bereits seit Herbst 1969 mit einer anderen Frau eine Lebensgemeinschaft eingegangen sei, habe die zunächst scheidungsunwillige Beklagte mit dem Hinweis auf das Vorhandensein eines Mannes, nämlich des nunmehrigen Gatten der Beklagten, zur Einbringung einer Scheidungsklage veranlaßt. Die Beklagte habe aber auf einer Regelung der vermögensrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere auf dem Ersatz der Aufwendungen für den Ankauf eines PKWs, bestanden. Der Kläger habe schließlich in Kenntnis davon, daß die Beklagte doch jetzt auch einen Freund hätte, den angefochtenen Vergleich abgeschlossen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,— übersteige.
Den Urteilen der Untergerichte liegt folgender wesentlicher Sachverhalt zugrunde:
Die Streitteile haben die Ehe am 28. 1. 1966 geschlossen. Der Kläger unterhielt ab Mitte 1969 zu einer anderen Frau ehebrecherische Beziehungen und zog Ende Oktober 1969 aus der ehelichen Wohnung. Seine Aufforderungen, gegen ihn eine Ehescheidungsklage einzubringen, lehnte die Beklagte bis Sommer 1970 ab. Dann lernte sie K* K* kennen, mit dem sie im September 1970 die Mutter des Klägers besuchte, wovon dieser bald darauf erfuhr. Der Kläger suchte die Beklagte auf und sagte zu ihr, daß sie jetzt ohnehin einen Freund habe und sich daher von ihm scheiden lassen könne. Die Beklagte machte ihr Einverständnis zu einer Scheidung davon abhängig, daß ihr der Kläger für seine Schulden S 60.000,— zahle. Dies deshalb, weil sie auf Grund einer mit dem Kläger 1966 geschlossenen Vereinbarung für den ehelichen Haushalt das gesamte Wirtschaftsgeld zur Verfügung gestellt hatte, sodaß sich der Kläger einen PKW kaufen konnte, nachdem er mit einem von der Beklagten um S 17.000,– gekauften PKW einen Totalschaden verursacht hatte. Darüber hinaus verlangte sie den Ersatz einer Arztrechnung über 5.000,— S, weil sie 1969 durch den Kläger geschlechtskrank geworden sei. Der Kläger erklärte sich damit einverstanden, der Beklagten aus den von ihr geltend gemachten Gründen für den Fall der Scheidung S 60.000,— zu bezahlen. Beim Zusammentreffen anläßlich des für 28. 1. 1971 anberaumten Termines zum Sühneversuch und zur mündlichen Streitverhandlung in dem von der Klägerin eingeleiteten Scheidungsverfahrens 21 Cg 7/71 des Landesgerichtes für ZRS Wien weigerte sich der Kläger aber S 60.000,— an sie zu bezahlen, weil sie doch einen Freund habe. Auf die Erklärung der Beklagten hin, sich unter diesen Umständen nicht scheiden lassen zu wollen, fand sich der Kläger aber schließlich doch zum Abschluß des eingangs dargelegten Vergleiches bereit. Er bezahlte in der Folge an die Beklagte auf Grund dieses Vergleiches S 46.000,–.
Die Beklagte, die mit dem Kläger zuletzt im Jahr 1969 geschlechtlich verkehrt hatte, war am 28. 1. 1971 von K* K* schwanger. Sie teilte dies dem Kläger nicht mit und dieser wußte auch nichts davon, daß die Beklagte von einem anderen Mann ein Kind erwarte. Dieser Umstand führte im Verfahren über die Wiederaufnahmsklage zu einer Beseitigung des Ausspruches über das Alleinverschulden des Klägers an der Ehescheidung und zu einer gleichteiligen Verschuldensaufteilung. Der Kläger hätte den Vergleich nicht geschlossen, wenn er gewußt hätte, daß die Beklagte von einem anderen Mann schwanger war.
Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß der Kläger den Vergleich vom 28. 1. 1971 nicht wegen Irrtums anfechten könne, weil der Umstand, daß die Beklagte im Zeitpunkt dieses Vergleichsabschlusses von einem anderen Mann ein Kind erwartet hat, weder die Wesenheit der Person noch des Gegenstandes im Sinne des § 1385 ABGB betreffe. Ein Irrtum über den Beweggrund sei beim Vergleich aber ohne Bedeutung. Es stelle jedoch auch keine List im Sinne des § 870 ABGB dar, daß die Beklagte dem Kläger nicht mitteilte, daß sie von einem anderen Manne ein Kind erwarte, zumal diesem bei Abschluß des Vergleiches bekannt gewesen sei, daß die Beklagte einen Freund habe. Da der Vergleich sohin rechtswirksam sei, könne der Kläger die von ihm auf Grund dessen erbrachten Zahlungen an die Beklagte nicht zurückfordern.
Das Berufungsgericht billigte auf der Grundlage der unbekämpft gebliebenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes dessen rechtliche Beurteilung. Es verneinte gleichfalls die Annahme einer listigen Veranlassung des Klägers zum Vergleichsabschlusse im Zusammenhang mit dem Verschweigen der Schwangerschaft der Beklagten. Die Eheverfehlung der Beklagten, die es dem Kläger ermöglicht hätte, seinerseits eine Ehescheidungsklage gegen sie einzubringen, sei nicht in ihrer Schwangerschaft an sich, sondern in der Tatsache eines ehewidrigen und ehebrecherischen Verhältnisses zu einem anderen Mann gelegen gewesen. Von der Existenz dieses Mannes habe der Kläger aber gewußt und auch im Rahmen der Vergleichsverhandlungen ausdrücklich darauf hingewiesen. Aus seiner Erklärung, daß sie einen Freund habe und er daher die S 60.000,— nicht an sie bezahlen wolle und sie selbst unter diesen Umständen ein Interesse an der Scheidung ihrer Ehe haben müsse, ergebe sich klar, daß der Kläger bei Vergleichsabschluß ohnehin von der Voraussetzung ausging, daß die Beklagte ein ehewidriges Verhältnis zu einem anderen Mann unterhalte. Von der Beklagten könne aber nicht verlangt werden, ihrem Prozeßgegner die notwendigen Beweise für die Einbringung einer Ehescheidungsklage zu liefern.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Revisionsantrag, das „angefochtene Urteil aufzuheben bzw. abzuändern und die Klage aufzuheben“. Den Revisionsausführungen kann aber doch entnommen werden, daß dem Klagebegehren stattgegeben werden soll.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Anfechtung wegen Irrtums gemäß dem § 871 ABGB ist nur wegen eines Geschäftsirrtums, nicht aber wegen eines bloßen Motivirrtums statthaft, es wäre denn der Beweggrund ausdrücklich als Bedingung vereinbart worden. Der Geschäftsirrtum liegt in der unrichtigen Vorstellung über innerhalb des Geschäftes liegende Punkte, insbesondere auch über eine für das Geschäft bedeutsame Eigenschaft des Geschäftspartners. Der Motivirrtum hingegen betrifft den Grund des für den Vertragsabschluß maßgebenden Parteiwillens (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 117; Ehrenzweig2 I/1, 226 f; Koziol-Welser I, 93 f.). lm vorliegenden Fall wurde ein Irrtum des Klägers nicht über den Inhalt des Geschäftes, sondern hinsichtlich der Annahme behauptet, die Beklagte sei nicht von einem anderen Manne schwanger. Es ist den Untergerichten aber darin beizupflichten, daß dies im Zusammenhang mit den Umständen, die zur Bereitwilligkeit der Klägerin geführt haben, sich scheiden zu lassen, dahin zu verstehen ist, daß der Kläger davon ausgegangen sei, die Beklagte habe selbst kein Verhalten gesetzt, das ihm seinerseits die Einbringung einer Klage wegen Scheidung zufolge Verschuldens der Beklagten ermöglichen würde. Dieses vom Kläger vermutete Verhalten wurde aber nicht erkennbar zum Vertragsinhalt gemacht (vgl. JBl 1975, 318). Ein solcher Irrtum kann daher bei einem entgeltlichen Geschäft nicht zur Nichtigerklärung führen. Dementsprechend liegt das Schwergewicht der Prozeßbehauptungen des Klägers und auch seiner nunmehrigen Revisionsausführungen auf einer listigen Erschleichung des Scheidungsvergleiches (§ 870 ABGB).
List ist beim Vergleich bereits dann gegeben, wenn ein Teil über entscheidende Tatsachen Gewissheit hat und dies dem anderen verheimlicht. Sie kann demnach auch in einer Verschweigung liegen, wenn dadurch eine Aufklärungspflicht verletzt wird (vgl SZ 37/76; RZ 1963, 196; JBl 1975, 318), List setzt aber die positive Kenntnis voraus, daß der andere Teil irrt und daß dieser Irrtum einen Einfluß auf seine Willensentscheidung ausübt (vgl SZ 41/33; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 111; Koziol-Welser I, 102). Eine solche Annahme läßt aber der festgestellte Sachverhalt nicht zu. Die Revision verweist diesbezüglich darauf, daß die Untergerichte nur festgestellt hätten, daß der Kläger informiert war, die Beklagte habe einen Freund. Freundschaft bedeute aber keinesfalls das Vorliegen von ehewidrigen und ehebrecherischen Beziehungen« Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß in diesem Zusammenhang die Erklärungen der Streitteile, insbesondere des Klägers bei der Tagsatzung am 28. 1. 1971 von besonderer Bedeutung sind. Demnach sagte der Kläger dabei zur Beklagten, daß sie doch einen Freund habe und daß er daher die S 60.000,– nicht an sie bezahlen wolle. Dies rechtfertigt den Schluß, daß der Kläger damit zum Ausdruck bringen wollte, er sei im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten nicht mehr darauf angewiesen, daß sie die Scheidungsklage gegen ihn aufrecht erhalte, damit er zu der von ihm schon lange angestrebten Scheidung der Ehe gelangen könne und sei sohin nicht genötigt, ihr deswegen finanziell entgegenzukommen. Dies ergibt sich auch aus seiner Aussage als Partei, wo er darauf hingewiesen hat, daß er bei Kenntnis der Schwangerschaft der Beklagten von einem anderen Manne nicht bereit gewesen wäre, den verlangten Betrag an sie zu bezahlen, weil ja die Beklagte ein Mitverschulden am Scheitern der Ehe getroffen hätte (AS. 22). Zudem ist weder behauptet worden noch hervorgekommen, daß die Beklagte bestrebt gewesen wäre, die bei der Kenntnis des Klägers von der Aufrechterhaltung einer „Freundschaft“ der Beklagten mit einem anderen Mann naheliegende Annahme ehewidriger bzw. ehebrecherischer Beziehungen durch gegenteilige Behauptungen zu widerlegen. Da die dem Vergleich zugrundeliegende Forderung der Beklagten auf Abgeltung ihrer Aufwendungen für den Kläger sachlich berechtigt war, was von diesem auch nicht in Abrede gestellt worden ist, kann der angefochtene Vergleich unter Berücksichtigung der übrigen dargelegten Umstände noch nicht als unredlich angesehen werden.
Der unbegründeten Revision muß daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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