European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00054.25I.0805.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.043,68 EUR (darin 507,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin war Generalunternehmerin bei einem Bauvorhaben in Wien. Sie erteilte im Jahr 2021 der Beklagten zwei Subaufträge („Konstruktiver Stahlbau“ und „Aluschlosser“).
[2] Im Dezember 2022 verlangte die Beklagte die Sicherstellungen gemäß § 1170b ABGB (für das Gewerk „Konstruktiver Stahlbau“ 111.526,93 EUR und für das Gewerk „Aluschlosser“ 74.563,63 EUR); diese leistete die Klägerin im Jänner 2023 in Form von zwei Bankgarantien.
[3] Nach Legung der Schlussrechnungen Ende März 2023 zahlte die Klägerin am 1. Juni 2023 der Beklagten die unstrittigen Schlussrechnungssummen (526.280,25 EUR „Konstruktiver Stahlbau“ und 484.539,32 EUR „Aluschlosser“) aus. Die Beklagte forderte drei Wochen später von der Klägerin die Ausweitung der Sicherstellungen auf Basis ihrer jeweils begehrten unkorrigierten Schlussrechnungssummen. Dieser Forderung kam die Klägerin nicht nach. Daraufhin erklärte die Beklagte am 27. Juni 2023 hinsichtlich beider Aufträge die Vertragsaufhebung und zog am selben Tag die beiden Bankgarantien. Die Klägerin wies die Erklärung der Beklagten über die Vertragsaufhebung am Folgetag schriftlich zurück.
[4] Die Klägerin fordert von der Beklagten die Rückzahlung der gezogenen Garantiebeträge. Die Verwendung der Sicherstellung zur Befriedigung des strittigen Entgeltanspruchs sei unzulässig, weil die Verwertung der Sicherheit erst bei Fälligkeit des Werklohns und Zahlungsverzug des Bestellers zulässig sei. Die Beklagte wolle durch die Verwertung der Sicherheiten Befriedigung für Werklohnforderungen erlangen, gegen die die Klägerin begründete Einwendungen erhoben habe. Die Beweislast für die Berechtigung ihrer Mehrkostenforderungen treffe jedenfalls die Beklagte. Die Beklagte habe innerhalb der Frist des Punktes 8.4.2 der ÖNORM B 2110 einen Vorbehalt gegen die Schlusszahlungen erhoben und gehe daher zumindest insoweit von einem Fortwirken des Vertrags aus, als die Abrechnung nach diesen Regelungen zu erfolgen habe. Zum Skontoabzug für die dritte Teilrechnung habe die Beklagte keinen Vorbehalt erklärt; daher sei ihr Anspruch insoweit verfristet.
[5] Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, die Parteien hätten Festpreise bis zum jeweiligen geplanten, aber nicht bis zum tatsächlichen Bauende vereinbart. Das geplante Bauende der Gewerke sei wegen verspäteten Agierens seitens der Klägerin als Generalunternehmerin überschritten worden. Aufgrund der Verzögerung sei eine Preisgleitung anhand der Preisbasis März 2021 vereinbart worden, die im jeweiligen Ausschreibungsverzeichnis enthalten sei. Die Klägerin habe die Schlussrechnungssummen zu Unrecht gekürzt. Die Forderung auf Ausweitung der Sicherstellung sei daher berechtigt gewesen. Die Klägerin habe sich geweigert, die fällige Werklohnforderung zu begleichen und Sicherstellungen beizuschaffen, weshalb sie zur Vertragsaufhebung und zur Inanspruchnahme der Bankgarantien berechtigt gewesen sei. Da die Klägerin die Rückzahlung eines Garantiebetrags fordere, habe sie auch die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung zu beweisen.
[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (abzüglich einer „Gegenforderung“ von 4.674,10 EUR betreffend einen von der Schlussrechnung vorgenommenen Abzug für „Schäden“, dessen Rechtfertigung die Klägerin nicht nachweisen konnte) statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 181.416,46 EUR sA.
[7] Die Parteien hätten ausdrücklich Festpreise und keine variablen Preise vereinbart; eine Preisanpassung sei gerade nicht vereinbart worden. Die (näher festgestellten) Verhandlungen darüber seien letztlich gescheitert.
[8] Zur behaupteten Bauzeitverzögerung habe die Beklagte nicht konkret vorgebracht, welche um wie viel verspäteten Planfreigaben für welche Verzögerung ursächlich gewesen sein sollten. Auch der Höhe nach sei die Forderung der Beklagten für die behauptete Bauzeitverzögerung nicht nachvollziehbar. Der von den Parteien vereinbarte Ausschluss der – grundsätzlich dispositiven – Bestimmung des § 1168 Abs 1 ABGB sei hier – aus näher dargelegten Gründen – wirksam. Den Skontoabzug habe die Beklagte nicht in ihren Schlusszahlungsvorbehalt aufgenommen, weshalb sie dies gemäß Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110 nicht mehr geltend machen könne. Die Klägerin habe daher – abgesehen vom unberechtigten Abzug für Bauschäden (4.674,10 EUR) – ihre Schlussrechnungskorrekturen gegenüber der Beklagten zu Recht vorgenommen. Die Beklagte habe demgegenüber zu Unrecht die Bankgarantien gezogen und sei zur Rückzahlung verpflichtet.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge.
[10] Nach allgemeinen Grundsätzen sei der Kläger dafür beweispflichtig, dass die Garantie zu Unrecht abgerufen worden sei. Diese Frage sei hier nach § 1170b ABGB zu prüfen. Diese Bestimmung regle zwar nicht, wann der Unternehmer die Sicherheit verwerten dürfe. Der Oberste Gerichtshof habe aber schon ausgesprochen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 1170b Abs 1 letzter Satz ABGB die Sicherheit bei Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch selbst dann aufrecht zu erhalten sei, wenn sich diese Einwendungen als unbegründet erweisen würden. Die Klägerin habe hier – ähnlich wie in dem der Entscheidung 6 Ob 113/20s zugrunde liegenden Fall – eine Rechnungsprüfung vorgenommen und Zahlungen nur in Höhe der von ihr akzeptierten Positionen geleistet. Die Beklagte sei daher schon aus diesem Grund nicht berechtigt gewesen, die Bankgarantien zur Befriedigung ihrer darüber hinausgehenden Forderungen zu ziehen. Auf die Berechtigung der Mehrkostenforderungen komme es für die Beurteilung der Frage, ob die Garantie zu Unrecht abgerufen worden sei, nicht an. Die Beweislast für deren Berechtigung liege bei der Beklagten.
[11] Die Revision sei zur Frage zuzulassen, ob ein ausdrücklicher Vorbehalt nach Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110 auch hinsichtlich erfolgter Skontoabzüge erforderlich sei.
[12] Gegen die Entscheidung wendet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im abweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird die Aufhebung begehrt.
[13] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO).
[15] 1. Zur Bestimmung der ÖNORM B 2110 Punkt 8.4.2 („Vorbehaltsregelung“; in früheren Fassungen der ÖNORM B 2110 Punkt 5.30.2 bzw Punkt 2.29.2) liegt bereits Rechtsprechung vor. Sie dient im Wesentlichen dazu, möglichst rasch Klarheit über die Abrechnung zu schaffen (RS0122419 [T6]). Die vorbehaltlose Annahme einer Zahlung des Werkbestellers soll Nachforderungen des Werkunternehmers unzulässig machen (RS0122419 [T3]). Die Bestimmung umfasst (wie schon ihre Vorgängerbestimmungen) insbesondere den Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abzüge vornimmt und entsprechend weniger bezahlt (RS0070863 [T8, T10, T12]). Die dreimonatige Frist ist eine materiell‑rechtliche; die Erklärung des Vorbehalts muss daher dem Werkbesteller am letzten Tag der Frist zugegangen sein (1 Ob 45/04f; Karasek, ÖNORM B 21104 Rz 83). Die Frage, ob der Werkunternehmer einen ausreichenden Vorbehalt im Sinn der genannten Bestimmung erhoben hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (9 Ob 50/23b mwN).
[16] 1.1 Hier behauptet die Beklagte selbst nicht, dass sie vor dem Beginn des gegenständlichen Verfahrens Skontoabzüge der Klägerin iSd Punktes 8.4.2 der ÖNORM B 2110 beanstandet hätte, sondern meint, ein solcher Vorbehalt sei nicht erforderlich gewesen. Noch in ihrer Klagebeantwortung hat sie im Übrigen die jeweils zu ihren Teilrechnungen erhaltenen Netto-Zahlungen „unter Berücksichtigung des gewährten Skontos aus den einzelnen Teilrechnungen“ angeführt und erstmals in ihrem vorbereitenden Schriftsatz die ihrer Ansicht nach unberechtigten Skontoabzüge aufgeschlüsselt und dazu erklärt, wann ihrer Ansicht nach bei welchen der Teilrechnungen die Klägerin (wegen später als vereinbart erfolgter Zahlungen) unberechtigte Abzüge gemacht habe.
[17] 1.2 Sowohl der klare Wortlaut als auch der in ständiger Rechtsprechung betonte Zweck der Regelung in Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110 spricht für die Ansicht der Vorinstanzen, dass der Werkunternehmer auch für als ungerechtfertigt erachtete Skontoabzüge einen fristgerechten, begründeten Vorbehalt zu erklären hat. Nur so kann möglichst rasch Klarheit über die gesamte Abrechnung der Werklohnforderung geschaffen werden. Im Übrigen ist der Oberste Gerichtshof bereits in der vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung zu 9 Ob 4/16b, in der die Frage der hinreichenden Begründung eines schriftlichen Vorbehalts iSd Punktes 8.4.2 der ÖNORM B 2110 zu beurteilen war, unter anderem auch auf Rechnungskorrekturen in Form von Skontoabzügen inhaltlich eingegangen.
[18] 1.3 Eine plausible Begründung für ihre Behauptung, dass die Regelung in Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110 nur „Leistungskorrekturen“ umfasse, vermag die Beklagte nicht aufzuzeigen. Ihre Annahme, die Regelung betreffe nur „Massenkorrekturen“, während „andere Themen“ davon nicht erfasst seien, übergeht nämlich insbesondere den dritten Satz der Bestimmung, die den Fristbeginn für einen Vorbehalt mit der schriftlichen Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrags zwischen Schlusszahlung und Rechnungsbetrag ansetzt. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass ein entsprechender (schriftlicher, begründeter) Vorbehalt gegen sämtliche vom Werkbesteller vorgenommenen Rechnungskorrekturen bzw Zahlungsabzüge erforderlich ist, um die Verfristung von Einwänden des Werkunternehmers gemäß Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110 zu verhindern.
[19] 1.4 Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, lässt sich damit schon aufgrund einer klaren, eindeutigen Regelung – hier in Form der ÖNORM B 2110 – lösen, sodass keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO vorliegt, selbst wenn eine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur konkreten Fallgestaltung fehlt (vgl RS0042656).
[20] 2. Auch mit ihren übrigen Revisionsausführungen vermag die Beklagte keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:
[21] 2.1 Die Frage der Beweislast ist dann von Bedeutung, wenn die Beweisergebnisse nach der Überzeugung des Gerichts nicht ausreichen, um einen entscheidungswesentlichen Tatumstand als erwiesen anzunehmen (vgl RS0039903). Negativfeststellungen fallen demjenigen zur Last, den die Beweislast trifft (RS0039903 [T5]).
[22] 2.2 Die Beklagte argumentiert zusammengefasst, die angefochtene Entscheidung stehe im Widerspruch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung betreffend die Beweislast des Bereicherungsklägers. Die vom Berufungsgericht in seiner Begründung herangezogene Entscheidung 6 Ob 113/20s sei nicht einschlägig und stimme mit der Entscheidung 3 Ob 134/20g nicht überein und der Zweck des § 1170b ABGB werde nicht erfüllt, wenn der Werkbesteller es in der Hand habe, dem Werkunternehmer faktisch den Zugriff auf die Sicherstellung zu verwehren. Im Ergebnis zielt sie darauf ab, dass die Beweislast für die Berechtigung ihrer Kostenmehrforderungen nicht sie treffe, sondern die Klägerin zu beweisen habe, dass ihr die behaupteten Forderungen nicht zustünden.
[23] 2.2.1 Die mit dem Handelsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2005/120 eingefügte Bestimmung des § 1170b ABGB sieht eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers unabhängig von der Unsicherheitseinrede des § 1052 Satz 2 ABGB vor. Zweck der Regelung ist es, den Insolvenzrisiken im Bau- und Baunebengewerbe entgegenzuwirken. Die Obliegenheit des Werkbestellers, auf Verlangen des Unternehmers eine Sicherstellung zu leisten, wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht bis zur vollständigen Bezahlung des Entgelts (6 Ob 65/18d mwN; 9 Ob 30/21h mwN).
[24] 2.2.2 Das Recht, Sicherstellung zu begehren, steht dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zu. Diese soll vom Werkbesteller nicht unter Berufung auf die Mangelhaftigkeit verweigert werden können, sodass der Werkunternehmer gemäß § 1170b Abs 2 ABGB die Vertragsaufhebung auch bei mangelhafter Leistungserbringung erklären können soll (9 Ob 30/21h mwN). Damit ist allerdings für die Frage der Zulässigkeit der Verwertung der Sicherstellung durch den Werkunternehmer noch keine Aussage getroffen.
[25] 2.2.3 In der Entscheidung 6 Ob 113/20s befasste sich der Oberste Gerichtshof anlässlich einer vom Berufungsgericht als unzulässig erachteten Inanspruchnahme einer Bankbürgschaft für zwischen den Parteien des Werkvertrags strittige Forderungen ausführlich mit den Literaturmeinungen zur Zulässigkeit der Verwertung einer Sicherstellung iSd § 1170b ABGB. Er kam zu dem Ergebnis, dass nach dem klaren Wortlaut des § 1170b Abs 1 letzter Satz ABGB auch bei Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch die Sicherstellung aufrecht zu erhalten sei, auch wenn die Einwendungen sich als unbegründet erweisen würden. Die Überlegung des Berufungsgerichts, dass die Unternehmerin die Bankbürgschaft nicht zur (teilweisen) Begleichung ihrer Rechnung hätte verwenden dürfen, sei daher zutreffend.
[26] 2.2.4 Auch in der Literatur wird für die Zulässigkeit der Verwertung der Sicherheit nach § 1170b ABGB durch den Unternehmer die Fälligkeit der (gesicherten) Werklohnforderung sowie Zahlungsverzug des Bestellers vorausgesetzt (Schopper in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 [Klang], § 1170b ABGB Rz 113 mwN; Böhler in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1170b Rz 35 mwN; Kietaibl in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar6 § 1170b ABGB, Rz 11 bis 13 mwN).
[27] 2.2.5 In dem der Entscheidung 3 Ob 134/20g zugrunde liegenden Fall war demgegenüber die Frage zu prüfen, ob die konkrete Ausgestaltung einer Bankgarantie ein taugliches Sicherungsmittel iSd § 1170b ABGB bildete. Der Senat kam zu dem Ergebnis, dass die in der konkreten Bankgarantie vorgesehenen Effektivitätsklauseln die Sicherheit für den Werkunternehmer „völlig entwertet“ hätten und die Klägerin daher – wegen nicht erfolgter fristgerechter Sicherstellung nach § 1170b ABGB – berechtigt vom Vertrag zurückgetreten war. Ein Widerspruch zur Entscheidung 6 Ob 113/20s, wie die Beklagte meint, ist damit nicht zu erkennen.
[28] 2.3 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin nach Fertigstellung der Arbeiten und Legung der Schlussrechnung durch die Beklagte die für die beiden Subaufträge geforderten Werklohnansprüche – abzüglich der Korrekturen – an die Beklagte ausgezahlt hat. Nach Übermittlung des Schlussrechnungsvorbehalts durch die Beklagte und ihrer – (wie im Revisionsverfahren nicht mehr angezweifelt) unberechtigten – Forderung einer ergänzenden Sicherheitsleistung waren daher die einzelnen Positionen der über die korrigierte Schlussrechnung hinausgehenden Werklohnforderungen der Beklagten strittig. Damit bestand in dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte die Bankgarantien zog, keine Fälligkeit der restlichen Werklohnforderungen, sondern genau die Situation, in der die Parteien zunächst – nach den entsprechenden werkvertraglichen Regelungen und Bestimmungen – die Frage der Berechtigung von Schlussrechnungskorrekturen bzw Mehrkostenforderungen klären mussten. Ausgehend davon bedarf die Ansicht des Berufungsgerichts, die Sicherheiten seien von der Beklagten zu Unrecht abgerufen worden, keiner Korrektur. Fragen der Beweislastverteilung stellen sich in diesem Zusammenhang nicht mehr.
[29] 2.3.1 Dem Anspruch der Klägerin hielt die Beklagte ihre behaupteten Kostenmehrforderungen aus dem Werkvertragsverhältnis entgegen. Dass sie die für die Berechtigung ihrer geltend gemachten Ansprüche erforderlichen Tatsachen zu beweisen hatte, folgt schon aus der allgemeinen Regel, nach der grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen nachzuweisen hat (RS0037797). Schon deshalb ist die Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die Negativfeststellungen des Erstgerichts (wie zur von der Beklagten behauptete Einigung über Mehrkostenforderungen nach dem ÖBV-Leitfaden [Preisgleitung], oder zum tatsächlichen Ausmaß der Bauzeitüberschreitung und den Gründen hiefür) der Beklagten zur Last fallen. Soweit die Beklagte auch noch in dritter Instanz Ansprüche aus den von den Negativfeststellungen erfassten Sachverhalten ableiten will, muss darauf nicht näher eingegangen werden.
[30] 2.3.2 Der behaupteten Forderung aus der Position „Mindermenge Stahl“ liegt zugrunde, dass die Klägerin Stahlträger in drei Gewichtskategorien ausgeschrieben hatte, die die Beklagte jeweils mit dem gleichen Einheitspreis anbot, wobei die Klägerin letztlich Stahlträger der leichtesten Kategorie abrief. Der Ansicht des Berufungsgerichts, dabei handle es sich um einen Kalkulationsirrtum, der zu Lasten der Beklagten gehe, und nicht um eine Leistungsabweichung iSv Punkt 7.4.1 der ÖNORM B 2110, hält die Beklagte lediglich – wie schon in ihrer Berufung – das Beispiel entgegen, dass anstelle der vereinbarten Stahlkonstruktion von 10 t nur eine solche von 10 kg abgerufen wird. Dabei übersieht sie, dass sie die tatsächlich abgerufene Gewichtskategorie – wenn auch allenfalls unrichtig – zu einem bestimmten Einheitspreis angeboten hat, und sie kann damit auch keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts aufzeigen. Inwieweit bei dieser Ausgangslage der Anwendungsbereich von § 1168 Abs 1 ABGB eröffnet sein soll, ist nicht zu erkennen. Ob diese Bestimmung vertraglich wirksam abbedungen wurde, kann daher dahinstehen.
[31] 2.4 Ausführungen zum unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Abzug von 4.674,10 EUR vom Zahlungsbegehren (die Klägerin hatte in dieser Höhe eine Korrektur der Schlussrechnung für nicht nachgewiesene „Schäden“ vorgenommen und das Erstgericht in dieser Höhe eine Gegenforderung der Beklagten festgestellt) sind entbehrlich, weil es der Beklagten insoweit an einem rechtlichen Interesse fehlt (vgl RS0006497 [T4]).
[32] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht.
[33] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen (RS0035979 [T16]).
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