OGH 5Ob31/24f

OGH5Ob31/24f3.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. A*verband, *, 2. S*-AG, *, beide vertreten durch Hohenberg Rechtsanwälte GmbH, Rechtsanwaltsgesellschaft in Graz, wegen Einverleibung einer Dienstbarkeit, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 7. Dezember 2023, AZ 1 R 153/23a, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 20. Juli 2023, TZ 1144/2023, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00031.24F.0703.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

Urkunden

1 Dienstbarkeitsvertrag vom 20. 06. 2023

 

Bewilligt wird

1 in EZ * KG *

die Einverleibung der Dienstbarkeit des Rechts

zur Einleitung von Straßen-, Niederschlags- und

Oberflächenwässern über GST‑NR * für

GST‑NR * gemäß III.

Ivm IV. Dienstbarkeitsvertrag vom 20. 06. 2023

 

2 in EZ * KG *

die Ersichtlichmachung der Dienstbarkeit des

Rechts zur Einleitung von Straßen-,

Niederschlags- und Oberflächenwässern über

GST‑NR * für GST‑NR * gemäß III. iVm IV. Dienstbarkeitsvertrag vom 20. 06. 2023

 

 

Verständigt wird:

1) HOHENBERG Rechtsanwälte GmbH,

*“

 

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

 

Begründung:

[1] Der Erstantragsteller, ein Abfallwirtschaftsverband, ist Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, bestehend aus dem Grundstück Nr */3 (im Folgenden: dienendes Grundstück). Die Zweitantragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ * KG *, bestehend (ua) aus dem Grundstück Nr */5 (im Folgenden: herrschendes Grundstück).

[2] Die Antragsteller begehrten die Einverleibung einer zwischen ihnen vertraglich vereinbarten Dienstbarkeit des „Rechts zur Einleitung von Straßen-, Niederschlags- und Oberflächenwässern“. Die auf den (in einem Plan näher definierten) Flächen des herrschenden Grundstücks der Zweitantragstellerin anfallenden Straßen-, Niederschlags- und Oberflächenwässer sollen (auf unbestimmte Zeit unentgeltlich und uneingeschränkt) auf das Grundstück des Erstantragstellers abgeleitet „und in die dort befindlichen und/oder zu errichtenden Entwässerungs- und Kanalanlagen“ eingeleitet werden.

[3] Das Erstgericht bewilligte die Vormerkung der Dienstbarkeit beim dienenden Grundstück und die Ersichtlichmachung der Dienstbarkeit beim herrschenden Grundstück. Die Einverleibung der beantragten Eintragungen wies es hingegen ab, weil kein hinreichender Nachweis der Zeichnungsberechtigung der für den Erstantragsteller einschreitenden Personen vorliege, weder durch eine Bestätigung des Amtes der Landesregierung als zuständige Behörde, noch durch eine Beurkundung durch den Notar.

[4] Das Rekursgericht bestätigte die abweisende Entscheidung im Ergebnis. Den Rekurswerbern sei zwar zuzugestehen, dass keine begründeten Bedenken gegen die Verfügungs- und Einschreiterbefugnis bestünden: Der Erstantragsteller als Gemeindeverband werde von seinem Obmann vertreten, der die Urkunde namens des Erstantragstellers unterfertigt habe und vom beglaubigenden Notar namentlich genannt worden sei. Allerdings liege ein anderer, vom Erstgericht nicht aufgegriffener Abweisungsgrund vor: Der Erstantragsteller unterliege gemäß § 14 Abs 2 des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes (StAWG) grundsätzlich den Bestimmungen des Gemeindeverbandsorganisationsgesetzes (GVOG). Damit seien auch die Bestimmungen der Steiermärkischen Gemeindeordnung (Stmk GemO) anzuwenden. Die Wirksamkeit der Einräumung einer Dienstbarkeit auf unbeweglichem Gemeindevermögen sei durch eine aufsichtsbehördliche Genehmigung aufschiebend bedingt. Der dem Antrag zugrundeliegende Vertrag sei aber nicht aufsichtsbehördlich genehmigt worden. Die Ausnahmebestimmung des § 90 Abs 6 Z 2 Stmk GemO, die nur die Errichtung, Erhaltung und den Betrieb bestimmter Leitungen auf gemeindeeigenen Grundstücken von der Genehmigungspflicht ausnehme, sei auf die hier vereinbarte Dienstbarkeit nicht anwendbar. Eine Behebung des Eintragungshindernisses durch Verbesserung scheitere an § 82a Abs 2 GBG und daran, dass die aufsichtsbehördliche Genehmigung im Zeitpunkt des Einlangens des Antrags offenkundig nicht vorgelegen sei.

[5] Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil dem Obersten Gerichtshof bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien keine Leitfunktion zukomme.

[6] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Entscheidung im stattgebenden Sinn abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil dem Rekursgericht eine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist.

[8] 1. Die vom Rekursgericht zutreffend (mit Hinweis auf Bestimmungen des StAWG und des GVOG) begründete Anwendbarkeit der Stmk GemO auf den dem Antrag zugrunde liegenden Dienstbarkeitsvertrag bezweifeln auch die Antragsteller nicht. Die Rechtsauffassung des Rekursgerichts, nach der die mit diesem Dienstbarkeitsvertrag eingeräumte Servitut nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 90 Abs 6 Z 2 Stmk GemO falle, ist hier aber nicht zu überprüfen. Das Rekursgericht hat in seiner Entscheidung nicht beachtet, dass die vom Erstgericht bereits rechtskräftig bewilligte Vormerkung der Dienstbarkeit einer Wahrnehmung dieses (allfälligen) Eintragungshindernisses entgegen steht.

[9] 2.1 Gegenstand der Vormerkung nach § 8 Z 2 und § 35 GBG können grundsätzlich alle grundbücherlich einzutragenden Rechte sein (Verweijen in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 35 Rz 4 mwN). Künftige oder aufschiebend bedingte Rechte können hingegen nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre nicht vorgemerkt werden (vgl RS0060269 [T1, T4, T8]; RS0060261 [T3]; Verweijen in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 35 Rz 23 ff mwN; Hinteregger in Schwimann/Kodek, ABGB5 Vor §§ 431–446 ABGB, Rz 19 mwN; Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 431 Rz 22 mwN).

[10] 2.2 Nach der Rechtsprechung des Fachsenats ist es anerkannt, dass Entscheidungen im Grundbuchsverfahren in (formeller) Rechtskraft erwachsen, wenn sie nicht weiter angefochten werden können, sei es, dass die letzte Instanz entschieden hat, sei es, dass ein weiteres Rechtsmittel wegen Ablaufs der Rechtsmittelfrist oder aus anderen Gründen (Rechtsmittelverzicht oder Rechtsmittelzurücknahme) nicht mehr in Betracht kommt; entscheidend ist die Zustellung an alle nach dem Grundbuchstand zur Zeit der erstinstanzlichen Entscheidung Berechtigten (RS0041483 [T4]).

[11] 2.3 Daraus, dass Beschlüsse des Grundbuchsgerichts in formeller und materieller Rechtskraft erwachsen (vgl RS0060736 [T5]), ergibt sich, dass die bei Bewilligung der Vormerkung bereits geprüften Eintragungsvoraussetzungen nicht neuerlich darzulegen sind. Das Grundbuchsgericht ist insoweit an seine frühere Entscheidung gebunden (5 Ob 256/04i mwN). Bei der Beurteilung eines Antrags auf Rechtfertigung sind daher die Voraussetzungen der Vormerkungsbewilligung grundsätzlich nicht neuerlich zu untersuchen, sondern es ist nur noch zu prüfen, ob die Urkunde, deren Fehlen bisher dem unbedingten Eintrag entgegenstand, nunmehr vorliegt (5 Ob 11/19g mwN; RS0060736 [T4]).

[12] 2.4 Aus der Bestimmung des § 119 GBG ergibt sich, wem im Grundbuchsverfahren zuzustellen ist. Neben den in § 119 GBG angeordneten Zustellungen gibt es eine Reihe weiterer Anordnungen von Verständigungen in Verordnungen und Erlässen (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 119 Rz 34 mwN). Nach der neueren höchstgerichtlichen Rechtsprechung steht Personen (oder Institutionen), die nicht in § 119 GBG angeführt sind, keine eigene Rekursfrist offen. Sie können daher ein Rechtsmittel nur innerhalb der dem zuletzt gemäß § 119 GBG Verständigten offen stehenden Rekursfrist einbringen (vgl RS0060727; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 123 Rz 16 f mwN). Wäre einer Partei zuzustellen gewesen, war sie aber nicht aktenkundig, so richtet sich die Rekursfrist gemäß § 46 Abs 2 AußStrG nach jenem Zeitpunkt, bis zu dem eine aktenkundige Partei einen Rekurs erheben kann (5 Ob 206/14a mwN).

[13] 2.5 Gemäß § 85 Abs 3 GBG begreift das Begehren um Einverleibung jenes um Vormerkung stillschweigend in sich, wenn der Antragsteller die Vormerkung nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat. Das Verhältnis der Vormerkung zur Einverleibung als bloßes Minus ergibt sich außerdem aus dem Wesen der Vormerkung nach § 8 Z 2 GBG (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 8 Rz 12, § 85 Rz 30 und § 96 Rz 22 mwN; vgl auch RS0060665).

[14] 3.1 Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 20. Juli 2023 die Vormerkung der Dienstbarkeit auf dem dienenden Grundstück bewilligt und diesen Beschluss am 21. Juli 2023 an die Antragsteller als aktenkundige Parteien zugestellt. Andere aktenkundige Parteien gibt es nicht. Die vom Erstgericht – als Minus zu der von den Antragstellern begehrten Einverleibung – bewilligte Vormerkung ist daher rechtskräftig.

[15] 3.2 Der Auffassung des Rekursgerichts, die beantragte Einverleibung könne zwar nicht wegen des fehlenden Nachweises der Vertretungsbefugnis des Erstantragstellers, aber wegen der nicht vorgelegten Genehmigung des Dienstbarkeitsvertrags durch die Aufsichtsbehörde nicht vorgenommen werden, steht daher die Rechtskraft der erstinstanzlich bewilligten Vormerkung entgegen.

[16] 3.3 In Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen war daher das Einverleibungsgesuch der Antragsteller zu bewilligen.

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