OGH 5Ob2/25t

OGH5Ob2/25t30.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin G*, vertreten durch Mag. Bernd Widerin, Dr. Martin Sam, Rechtsanwälte in Bludenz, gegen die Antragsgegner 1. A*, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in Schruns, sowie 2. bis 98. sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, wegen § 16 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG, über den (richtig:) außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 23. Mai 2024, GZ 10 R 70/24d‑38, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 18. Dezember 2024, GZ 10 R 70/24d‑46, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Bludenz vom 21. Februar 2024, GZ 3 MSch 9/22b‑30, aus Anlass des Rekurses als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die als Klage zu wertenden Anträge aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00002.25T.0430.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

1. In Ansehung der Entscheidung über das Hauptbegehren wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

2. In Ansehung der Entscheidung über das Eventualbegehren wird dem außerordentlichen Revisionsrekurs hingegen Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird insoweit aufgehoben und dem Rekursgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragstellerin aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Antragstellerin ist zu 99/6540 Anteilen Miteigentümerin, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung 36 verbunden ist. Sie bietet ihre Wohnung über eine Internetplattform zur Vermietung an Arbeiter und Touristen um einen Pauschalpreis an.

[2] Die Antragstellerin begehrte zunächst die Feststellung, dass die gelegentliche touristische Vermietung ihrer Eigentumswohnung „keiner Widmungsänderung bedarf“. Im Schriftsatz vom 3. November 2022 ergänzte sie dies durch das Eventualbegehren ihr „für die gelegentliche touristische Vermietung ihrer Eigentumswohnung die Widmungsänderung zu erteilen“.

[3] Das Erstgericht wies das Haupt‑ und Eventualbegehren ab. Es ging von einer Widmungsänderung im Sinn des § 16 WEG aus, auch wenn diese bisher nicht zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer geführt habe.

[4] Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses der Antragstellerin den erstinstanzlichen Sachbeschluss und das ihm vorangegangene außerstreitige Verfahren ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes als nichtig auf und trug dem Erstgericht gemäß § 40a JN die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den als Klage zu wertenden Antrag (Haupt‑ und Eventualbegehren) auf. Schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer verpflichte den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitgerichts einzuholen, widrigenfalls er in unerlaubter Eigenmacht handle und im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls zur Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden könne. Da eine Vermietung eines als Wohnung gewidmeten Objekts zu Fremdenverkehrszwecken eine Widmungsänderung sei, der Antrag aber darauf abziele, dies zu verneinen, sei er im streitigen Verfahren abzuhandeln. Diese Entscheidung enthielt zunächst keinen Bewertungs‑ oder Zulassungsausspruch.

[5] Dagegen erhob die Antragstellerin Revisionsrekurs.

[6] Nach dessen Vorlage stellte der Oberste Gerichtshof den Akt zu 5 Ob 179/24w an das Rekursgericht mit der Aufforderung zurück, die Entscheidung durch einen Bewertungs‑ und Zulassungsausspruch zu ergänzen.

[7] Das Rekursgericht ergänzte daraufhin seinen Beschluss dahin, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Frage, welchen Sachverhalt und welches Begehren ein Antrag enthalte, einzelfallbezogen zu beantworten sei.

[8] Nach Zustellung des Ergänzungsbeschlusses erhob die Antragstellerin nun „Zulassungsvorstellung“ verbunden mit einem Revisionsrekurs, den die Vorinstanzen zutreffend als außerordentlichen Revisionsrekurs werteten (RS0110049 [T13]) und dem Obersten Gerichtshof vorlegten.

[9] Den Antragsgegnern wurde die Beantwortung dieses Revisionsrekurses freigestellt. Die Erstantragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, ihn als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben. Die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der außerordentliche Revisionsrekurs kann in Bezug auf das Hauptbegehren keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen; hinsichtlich des Eventualbegehrens ist er hingegen zulässig und im Sinn einer Aufhebung auch berechtigt.

1. Zulässigkeit der Verbesserung des Revisionsrekurses:

[11] 1.1. Fehlen für die Beurteilung der Anfechtungszulässigkeit notwendige Aussprüche in einer zweitinstanzlichen Entscheidung, so ist dies nachzutragen (RS0041371; RS0007073). Ergibt diese Verbesserung, dass ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist, ist dem Rechtsmittelwerber die Rechtsmittelschrift zur Verbesserung zurückzustellen, um ihm Gelegenheit zu geben, die Gründe anzugeben, warum ein solches entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts doch zulässig ist (RS0041647 [T17, T22]).

[12] 1.2. Hier stellte sich die Notwendigkeit einer gesonderten Anführung der Gründe, die für die Zulässigkeit des außerordentlichen Rechtsmittels sprechen (§ 65 Abs 3 Z 6 AußStrG) erst durch die Ergänzungsentscheidung des Rekursgerichts heraus. Der um den Zulassungsantrag ergänzte (nunmehr) außerordentliche Revisionsrekurs ist daher rechtzeitig und zulässig.

2. Zum Revisionsrekurs in Ansehung des Hauptbegehrens:

[13] 2.1. Die Begründung des Rekursgerichts befasst sich nur mit der Unzulässigkeit des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens für das Hauptbegehren und führt aus, dass dieses unter Berücksichtigung des zu seiner Begründung aufgestellten Sachvorbringens auf die Feststellung abziele, dass in der gelegentlichen touristischen Vermietung des Wohnungseigentumsobjekts der Antragstellerin keine Widmungsänderung liege. Die Auffassung, damit sei nur die Verneinung der Genehmigungsbedürftigkeit einer solchen Änderung angesprochen, die im Streitverfahren abzuhandeln sei, zieht die Revisionsrekurswerberin nicht in Zweifel. Sie meint nur, weder hätte das Erstgericht erörtert noch eine der Parteien eingewendet, dass über den Antrag nicht im außerstreitigen sondern im streitigen Verfahren zu entscheiden sei. Damit sei sie überrascht worden. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zeigt sie damit nicht auf.

[14] 2.3. Zutreffend verwies das Rekursgericht auf die auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren anwendbare Bestimmung des § 55 Abs 3 AußStrG, wonach es dann, wenn es aus Anlass eines zulässigen Rekurses zur Überzeugung kommt, dass der angefochtene Beschluss oder das Verfahren erster Instanz an einem bisher unbeachtet gebliebenen Mangel (ua) nach § 56 Abs 1 AußStrG leidet, diesen wahrzunehmen hat, auch wenn dies von keiner der Parteien geltend gemacht wurde. Darunter fällt auch die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs nach § 56 Abs 1 AußStrG.

[15] 2.4. Gemäß § 14 Satz 1 AußStrG sind – auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren – die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Anleitungs‑ und Belehrungspflicht anzuwenden. Demgemäß wäre (RS0120057) auf ein verfehltes Begehren, das nicht dem offenkundig verfolgten Rechtsschutzziel der Partei entspricht, aufmerksam zu machen und ihr Gelegenheit zur Änderung zu geben. Ob ein solcher Fall hier vorliegt, kann aber dahinstehen. In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 14 AußStrG und § 182 ZPO hätte der Rechtsmittelwerber nämlich jedenfalls darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte und somit auch, welchen Verlauf das Verfahren genommen hätte, wäre der Fehler unterblieben (RS0037095 [T4, T6, T14]). Derartige Ausführungen zur Relevanz fehlen im Revisionsrekurs aber.

[16] 2.5. Mit der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts in Bezug auf das Hauptbegehren setzt sich der Revisionsrekurs nicht auseinander. Im Zulassungsantrag vermisst die Antragstellerin zwar die Klärung der Frage, ob die gelegentliche touristische Vermietung einer Eigentumswohnung auch dann unzulässig ist, wenn anderen Wohnungseigentümern keine Beeinträchtigung ihrer Rechte droht, weil der vermietende Wohnungseigentümer durch sorgfältige Maßnahmen alle Vorkehrungen getroffen hat, um eine solche verlässlich auszuschließen. Warum aufgrund ihrer eigenen Argumentation dann aber nicht die im streitigen Verfahren abzuhandelnde Genehmigungsbedürftigkeit alleiniger Gegenstand des Hauptbegehrens sein soll, führt sie aber nicht aus.

[17] 2.6. In Ansehung des Hauptbegehrens war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

3. Zum Revisionsrekurs in Bezug auf das Eventualbegehren:

[18] 3.1. In ihrem Revisionsrekurs spricht die Antragstellerin den Umstand an, dass die Genehmigungsfähigkeit nicht Gegenstand des streitigen Verfahrens sein kann und daher die Frage, ob die Vermietung tatsächlich eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringt, im Außerstreitverfahren zu entscheiden ist. In Bezug auf das Eventualbegehren hätte das Rekursgericht zur Auffassung kommen müssen, dass dieser Anspruch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren zu beurteilen sei. Dem ist im Wesentlichen zu folgen.

[19] 3.2. Vorausgeschickt sei, dass die Auslegung einer Formulierung in einer gerichtlichen Entscheidung aufgrund des Wortlauts des Spruchs und der Gründe in Verbindung mit dem dadurch angewandten Gesetz zu erfolgen hat (1 Ob 65/20w), sodass gerichtliche Entscheidungen im Zweifel so auszulegen sind, dass ihnen nicht ohne Not eine Deutung gegeben wird, die sie als gesetzwidrig erscheinen ließe (RS0008802).

[20] 3.3. Hier lässt der Spruch des rekursgerichtlichen Beschlusses aber keinen Zweifel offen, dass dieses dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den als Klage zu wertenden Antrag in Bezug auf Haupt‑ und Eventualbegehren auftrug, zumal beide Begehren im Spruch ausdrücklich genannt sind. Allerdings fehlt es im Sinn des § 57 Abs 1 AußStrG an jeglicher Begründung des Rekursgerichts dazu, weshalb das Eventualbegehren im Streitverfahren abzuhandeln sein soll.

[21] 3.4. Auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren kann die Wirksamkeit von Parteihandlungen grundsätzlich von Bedingungen abhängig gemacht werden. So sind Eventualbegehren und Eventualanträge gestattet, die nur für den Fall erhoben werden, dass dem zuvor gereihten Hauptbegehren nicht stattgegeben wird (RS0006429 [T1]; vgl 5 Ob 170/01p). Grundsätzlich kann ein Eventualbegehren nicht nur für den Fall der Ab‑ sondern auch der Zurückweisung des Hauptbegehrens gestellt werden (RS0110359 [T4]; RS0037585 [T1, T8]). Allerdings sind Eventualbegehren an sich nur dann zulässig, wenn über sie in derselben Verfahrensart zu verhandeln ist (RS0037665). Im Fall einer wegen Verschiedenheit der vorgesehenen Verfahrensart unzulässigen Verbindung mehrerer Ansprüche in einer Klage hätte das Gericht das Verfahren über das in einem besonderen Verfahren zu verhandelnde Begehren vom Verfahren über das restliche Begehren zu trennen und die getrennten Verfahren so weiterzuführen, als wären mehrere Begehren angebracht worden (RS0037789).

[22] 3.5. Weshalb das Rekursgericht hier davon ausging, für das Eventualbegehren der Antragstellerin sei das wohnrechtliche Außerstreitverfahren nicht zulässig, ist völlig unklar. Gemäß § 16 Abs 1 Z 2 WEG ist über ein Begehren auf Zustimmung zur Widmungsänderung durch das Gericht jedenfalls im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren zu entscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (5 Ob 43/19p; 5 Ob 66/23a je mwN) ist die kurzzeitige Vermietung eines als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjekts zu Fremdenverkehrszwecken grundsätzlich als eine nach § 16 Abs 2 WEG genehmigungspflichtige Widmungsänderung zu werten. Dass die Antragstellerin eine inhaltliche Entscheidung über ihr Eventualbegehren nur für den Fall der Abweisung ihres Hauptbegehrens angestrebt hätte, ist ihrem Antrag nicht zu entnehmen; dagegen sprechen auch ihre Ausführungen im Revisionsrekurs.

[23] 3.6. Das Rekursgericht wird daher neuerlich über den Rekurs der Antragstellerin in Bezug auf das Eventualbegehren zu entscheiden haben. Sollte es neuerlich von einer Nichtigkeit des darüber geführten Verfahrens ausgehen wollen, wird es dies zu begründen, andernfalls den Rekurs insoweit inhaltlich zu behandeln haben.

[24] 4. Da die erforderlichen Billigkeitserwägungen erst aufgrund der Sachentscheidung angestellt werden können, war die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens der Endentscheidung vorzu-behalten (RS0123011 [T1]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte