European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00214.24T.0130.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Die Revisionsrekursbeantwortung des Vaters M*, dieser vertreten durch Dr. Kristina Venturini, Rechtsanwältin in Wien, wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht legte die hauptsächliche Betreuung des Minderjährigen unter Aufrechterhaltung der Obsorge beider Eltern beim Vater fest.
[2] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
[3] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter, mit dem sie die Abänderung der Entscheidung dahin beantragt, dass ihr die hauptsächliche Betreuung des Minderjährigen zugewiesen werde.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[5] Maßgebendes Kriterium für die – typischerweise im Einzelfall zu treffende (RS0115719 [T14]; RS0130918 [T3]; 1 Ob 61/17b; 3 Ob 72/19p) – Entscheidung über die Festlegung der hauptsächlichen Betreuung gemäß § 180 Abs 2 ABGB ist – wie auch sonst bei der Regelung der Obsorge (RS0048632) und des Kontaktrechts (RS0087024) – allein das Kindeswohl (1 Ob 149/20y; 4 Ob 73/20v; 3 Ob 154/21z). Es kommt darauf an, welcher Elternteil in einer Gesamtschau unter Gegenüberstellung der Persönlichkeit, der Eigenschaften und der Lebensumstände besser zur Wahrnehmung des Kindeswohls geeignet ist (2 Ob 120/23w; 5 Ob 27/24t).
[6] Die Vorinstanzen haben unter Berufung auf den Grundsatz der Kontinuität (dazu RS0047928 [etwa T16]) ausführlich und nachvollziehbar begründet, warum die Festlegung der hauptsächlichen Betreuung durch den Vater – trotz gleicher (Erziehungs‑)Eignung der Eltern – dem Kindeswohl besser entspricht. Dafür war vor allem ausschlaggebend, dass der Minderjährige zum Wohnort des Vaters, an dem er seit der Geburt aufgewachsen ist, sowohl eine räumlich als auch sozial stärkere Bindung, insbesondere zu den väterlichen Großeltern als wichtige Bezugspersonen, aufweist. Schon deshalb kommt der von der Mutter ins Treffen geführte Aspekt, dass bei gleicher Eignung der Eltern die Betreuung eines Kleinkindes durch die Mutter vorzuziehen wäre (dazu RS0047911 [T4]; RS0047830 [T7]; RS0047839 [T8]), hier nicht zum Tragen. Darüber hinaus kann bei einem bereits fünf Jahre alten Kind von keinem „Kleinkind“ mehr gesprochen werden (3 Ob 115/14d). Eine Gefährdung von Interessen des Kindes (vgl RS0130247) kann entgegen ihrer Ansicht aus dem festgestellten Sachverhalt nicht abgeleitet werden.
[7] Auch der Umstand, dass über den Vater mit Beschluss des Erstgerichts vom 5. Dezember 2024 eine Beugestrafe verhängt wurde, weil er den Minderjährigen nicht – wie in der vorläufigen Betreuungsregelung festgelegt – zur Mutter gebracht hat, vermag an der Gesamtbeurteilung nichts zu ändern, handelt es sich doch um einen einmaligen Vorfall, der die maßgebliche Tatsachengrundlage nicht wesentlich verändert (RS0122192; RS0106313 [T3]; RS0119918 [T2]).
[8] Insgesamt zeigt die Mutter weder das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechungsgrundsätze noch eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung auf. Ihr Revisionsrekurs ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[9] Die vom Vater erhobene Revisionsrekursbeantwortung erweist sich – ungeachtet des Umstands, dass sie vom Obersten Gerichtshof nicht freigestellt wurde (§ 68 Abs 3 Z 3 AußStrG) – gemäß § 68 Abs 1 AußStrG als verspätet (Zustellung des Revisionsrekurses: 11. November 2024, Revisionsrekursbeantwortung 5. Dezember 2024). Sie ist daher zurückzuweisen (Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 68 Rz 36 [Stand 1. Juni 2019, rdb.at]).
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