European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00019.77.0524.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:
„Aus Anlaß des Rekurses wird der angefochtene Beschluß als nichtig aufgehoben und die ihm vorangegangene mündliche Verhandlung vom 17. September 1976 für nichtig erklärt. Dem Erstgericht wird auf getragen, das gesetzliche Verfahren über den Antrag auch in Ansehung der Antragsgegnerin A* einzuleiten.
Der Antragsteller wird mit seinem Rekurs auf diese Entscheidung verwiesen.“
Begründung:
Der Antragsteller und die in seinem Antrag bezeichneten 19 Antragsgegner sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ * des Grundbuches über die Katastralgemeinde *; ihm selbst steht das Eigentum an einer Garage, den Antragsgegnern das Eigentum an Wohnungen in dem auf der Liegenschaft befindlichen Haus * zu.
Der Antragsteller begehrt mit dem Hinweis auf § 19 Abs 2 Z 2 WEG die Feststellung, daß eine auf Grund des Verteilungsschlüssels erfolgende Verrechnung der Betriebs- und Erhaltungskosten des Personenaufzuges im Hause * ihm gegenüber unzulässig sei und daß ihm in Hinkunft keine derartigen Gebühren und Kosten verrechnet werden dürften.
Das Erstgericht hat die einzige Gleichschrift dieses Antrages der Fa. W*‑Gesellschaft m.b.H. in Wien als der vom Antragsteller bezeichneten Verwalterin zugestellt. Diese Gesellschaft teilte dem Erstgericht mit, daß sie die Interessen aller Miteigentümer zu vertreten habe und deshalb in dieser Sache die Antragsgegner nicht vertreten könne.
Mit Ausnahme der Miteigentümer A* haben dann alle anderen Antragsgegner dem Rechtsanwalt Dr. Walter Macher Vollmacht zur Vertretung in der Rechtssache erteilt und durch ihn den Sachantrag gestellt, das Begehren des Antragstellers abzuweisen. Das Unterbleiben der Zustellung von Ausfertigungen des Antrages an jeden einzelnen von ihnen haben sie nicht gerügt.
Das Erstgericht wies nach Durchführung eines Beweisverfahrens den Antrag ab. A* hatte sich an dem Verfahren nicht beteiligt, eine Ausfertigung des Antrages ist ihr auch nicht zugestellt worden.
Das Gericht zweiter Instanz hob aus Anlaß des Rekurses des Antragstellers von Amts wegen den angefochtenen Beschluß des Erstgerichtes als nichtig auf und sprach überdies aus, daß dem Rekurse Folge gegeben und dem Erstgericht aufgetragen werde, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden; das Verfahren sei erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen.
Den amtswegigen Ausspruch über die Nichtigkeit der Entscheidung des Erstgerichtes begründete das Gericht zweiter Instanz damit, daß gemäß § 26 Abs 2 Z 1 WEG allen Miteigentümern im Verfahren Parteistellung zukomme und das Erstgericht durch die Unterlassung der Beiziehung der Antragsgegnerin A* einen Nichtigkeitsgrund (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO) gesetzt habe. Es sei von vornherein verfehlt gewesen, den Antrag der Hausverwalterin zuzustellen, da deren Vollmacht, wie sich aus § 17 WEG ergebe, nur Verwaltungshandlungen betreffe, welche durch die Liegenschaftsverwaltung bedingt seien, und sich nicht auf ein Verfahren zur Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels für die Aufwendungen des Personenaufzuges erstrecken könne; sie habe nämlich die Interessen aller Miteigentümer wahrzunehmen, nicht aber die eines einzelnen, wenn sie mit den Interessen der übrigen in Widerspruch stehen. Es habe deshalb der Antrag nicht mit Wirksamkeit für die Antragsgegner an sie zugestellt werden können. Die fehlerhafte Zustellung sei jedoch hinsichtlich der durch Rechtsanwalt Dr. Walter Macher vertretenen Antragsgegner nachträglich geheilt worden.
Ungeachtet der Nichtigerklärung der Entscheidung des Erstgerichtes führte das Gericht zweiter Instanz zur Sache selbst aus, daß die Ansicht des Erstgerichtes verfehlt sei, es handle sich hier nicht um einen Antrag im Sinne des § 26 Abs 1 Z 5 WEG: der Antragsteller begehre unter ausdrücklichem Hinweis auf die Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 2 WEG die gänzliche Befreiung von der Bezahlung der Aufzugskosten. Das Erstgericht werde daher für den Fall, daß dem Antragsteller die Möglichkeit zur Nutzung (des Aufzuges) offenstehe, entsprechend dem gesetzlichen Auftrag den der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeit entsprechenden Verteilungsschlüssel nach billigem Ermessen festzusetzen haben, ohne dadurch gegen die Bestimmung des § 405 ZPO zu verstoßen. Der Antrag werde daher unter Beiziehung der Antragsgegnerin A* als ein solcher im Sinne des § 26 Abs 1 Z 5 WEG zu behandeln sein.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der durch Rechtsanwalt Dr. Walter Macher vertretenen 18 Antragsgegner mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt werde; hilfsweise wird begehrt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.
Das Gericht zweiter Instanz hat richtig erkannt, daß der Antragsteller, sein Begehren auf § 19 Abs 2 Z 2 WEG gründet und daß deshalb gemäß § 26 Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 1 WEG in einem solchen Verfahren allen Miteigentümern der Liegenschaft Parteistellung zu gewähren ist. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß in den sich aus der Gemeinschaft des Eigentums zwischen den Miteigentümern ergehenden Regelungsstreitigkeiten, welche die Sonderinteressen der einzelnen Miteigentümer betreffen, kein Raum für irgend eine Vertretungsmacht des Verwalters sein kann, dessen Aufgabe die Wahrung der Interessen und die Vertretung aller Miteigentümer ist (§ 17 Abs 1 und 3 WEG). Deshalb konnte die Zustellung des Antrages an ihn keine Wirkung für die Antragsgegner erzeugen. Die durch Rechtsanwalt Dr. Walter Macher vertretenen 18 Antragsgegner haben sich jedoch ohne Rüge dieses Mangels in das Verfahren sachlich eingelassen, so daß sie in ihrem Recht auf Gehör nicht beeinträchtigt wurden. Der Antragsgegnerin A* wurde jedoch durch die Unterlassung der Zustellung einer Ausfertigung des Antrages – zu deren Vorlage der Antragsteller gemäß § 26 Abs 2 Z 8 WEG verpflichtet gewesen wäre – die Möglichkeit, sich an dem Verfahren als Partei zu beteiligen, entzogen. Aus diesem Grunde ist die Entscheidung des Erstgerichtes und die ihr vorangegangene Verhandlung vom 17. September 1976 nichtig. Das Erstgericht wird deshalb in Ansehung dieser Antragsgegnerin das gesetzliche Verfahren über den Antrag einzuleiten haben.
Wird von einem zulässigerweise angerufenen Rechtsmittelgericht in amtswegiger Wahrnehmung einer der angefochtenen Entscheidung oder dem ihm vorangegangenen Verfahren anhaftenden Nichtigkeit aus diesem Grunde die angefochtene Entscheidung als nichtig aufgehoben, dann ist es dem Rechtsmittelgericht verwehrt, schon in diesem Verfahrensstadium zur materiellrechtlichen Beurteilung der Sache in irgend einer Weise Stellung zu beziehen und etwa gar Weisungen zu erteilen, weil mit der Beseitigung der nichtigen Entscheidung die funktionelle Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichtes erschöpft ist und das Gericht unterer Instanz seine – nun neuerdings erstmalige – Sachentscheidung frei von Rechtsweisungen zu treffen hat. Aus diesem Grunde ist in teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses die Entscheidung des Rekursgerichtes spruchgemäß abzuändern.
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