OGH 5Ob184/24f

OGH5Ob184/24f18.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Republik Österreich (Bund), *, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen Berichtigung nach § 136 GBG ob der EZ * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. August 2024, AZ 46 R 143/24f, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00184.24F.1218.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Mit Urteil vom 18. Jänner 2024, AZ 607 Hv 5/19v, erklärte das Landesgericht für Strafsachen Wien in einem Strafverfahren die Liegenschaft des dort Angeklagten gemäß § 20b Abs 1 und 2 StGB für verfallen. Am 28. März 2024 bestätigte es, dass das Urteil „keinem weiteren, die Vollstreckung hemmenden Rechtszug“ unterliege.

[2] Das Erstgericht bewilligte aufgrund des vorgelegten Strafurteils „mit Rechtskraftvermerk“ sowie einer Unbedenklichkeitsbescheinigung die Berichtigung des Grundbuchs nach § 136 GBG durch Eintragung des Eigentumsrechts für die Antragstellerin sowie Löschung des ob der Liegenschaft einverleibten Pfandrechts und Belastungs‑ und Veräußerungsverbots.

[3] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Liegenschaftseigentümers und der Pfandgläubigerin Folge und wies den Grundbuchsantrag ab. Das vorgelegte Urteil weise keine Bestätigung der Rechtskraft, sondern nur der Vollstreckbarkeit auf, die im Übrigen mittlerweile mit Beschluss des Strafgerichts mangels Ladung der Pfandgläubigerin aufgehoben worden sei.

[4] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend. Den Revisionsrekurs ließ es mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 1. Gegenstand des Verfahrens ist eine von der Antragstellerin begehrte Berichtigung des Grundbuchs nach § 136 Abs 1 GBG. Danach ist auf Ansuchen zur Berichtigung die erforderliche Eintragung vorzunehmen, ohne dass die sonst für eine solche Eintragung von diesem Bundesgesetz geforderten Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn das Grundbuch die wirkliche Rechtslage nicht richtig wiedergibt und die Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen ist. Die Anwendung des § 136 Abs 1 GBG setzt voraus, dass nachträglich eine Rechtsänderung außerbücherlich eingetreten ist (RS0079847 [T1]; RS0060992 [T1]; RS0061010 [T23]) und mit der Grundbuchsberichtigung die Nachführung des Grundbuchstands an die wahre außerbücherlich eingetretene Rechtslage vorgenommen wird (RS0061010; RS0060992 [T3]).

[7] 2. Voraussetzung für eine derartige Grundbuchsberichtigung ist der „Nachweis der Unrichtigkeit“ des Grundbuchs, der dann erbracht ist, wenn die Unrichtigkeit offenkundig ist oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen wurde. „Offenkundige Unrichtigkeit“ wäre nur dann zu bejahen, wenn sich der vom Antragsteller behauptete außerbücherliche Rechtsübergang und die damit jeweils verbundene Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergäbe (RS0061010; 5 Ob 1/10y). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

[8] 3. Damit oblag es aber der Antragstellerin, die Unrichtigkeit der derzeitigen Grundbuchseintragung sowie des Umstands, wie der Grundbuchstand richtig zu lauten hat, durch Vorlage öffentlicher Urkunden nachzuweisen (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 136 GBG Rz 17). Durch diese Urkunden müssen alle Zweifel ausgeräumt sein, dass die begehrte Eintragung nur dazu dient, den Grundbuchstand mit der tatsächlichen Rechtslage in Einklang zu bringen (5 Ob 1/10y). Auch wenn der Antragstellerin zuzugestehen ist, dass der Hinweis des Rekursgerichts auf eine § 33 GBG entsprechende Bewilligungsurkunde im gegebenen Zusammenhang zumindest missverständlich ist (vgl 5 Ob 94/06v; Kodek aaO Rz 19), bedurfte es daher jedenfalls der Vorlage einer öffentlichen Urkunde, aus der sich der von der Antragstellerin behauptete originäre, lastenfreie Eigentumserwerb an der Liegenschaft zweifelsfrei ergab. Ob die tatsächlich vorgelegte Urkunde zu Zweifeln daran Anlass geben konnte, ist aber typischerweise eine Frage des Einzelfalls, die im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts liegt nicht vor.

[9] 4. Durch höchstgerichtliche Rechtsprechung (RS0128305; vgl auch Fuchs/Tipold in Höpfl/Ratz, WK2 StGB § 20 Rz 2) ist nämlich bereits geklärt, dass beim strafgerichtlichen Verfall der originäre Erwerb des lastenfreien Eigentums durch den Bund mit Eintritt der Rechtskraft des Verfallserkenntnisses ex lege erfolgt. Damit ist mit den Vorinstanzen und der Revisionsrekurswerberin zunächst davon auszugehen, dass bei Nachweis eines rechtskräftigen Verfallserkenntnisses in Ansehung einer Liegenschaft die Grundbuchsberichtigungnach § 136 Abs 1 GBG aufgrund des dadurch außerbücherlich eingetretenen Eigentumswechsels in Betracht kommt.

[10] 5. Der Begriff der „Rechtskraft“ fällt aber mit demjenigen der „Vollstreckbarkeit“ weder bei straf- noch bei zivilgerichtlichen Entscheidungen notwendigerweise immer zusammen. Auch im Strafverfahren gibt es Ausnahmen dahin, dass die Vollstreckbarkeit bereits vor oder auch erst nach der Rechtskraft eintritt (vgl Lässig in Fuchs/Ratz, WK‑StPO § 397 Rz 6, 7 ff). Konkret kann es etwa zum Eintritt der Vollstreckbarkeit vor Rechtskraft etwa im Fall angemeldeter Berufung gemäß § 294 Abs 1 zweiter Satz (§ 344) StPO kommen, wenn der Angeklagte selbst erklärt, die Freiheitsstrafe einstweilen antreten zu wollen, ebenso bei verspäteter oder nicht durch eine berechtigte Person angemeldeter Nichtigkeitsbeschwerde (vgl Lässig aaO Rz 7 f).

[11] 6. Ob hier allenfalls einer dieser Fälle vorliegt, in dem das Strafgericht zutreffend (nur) die Vollstreckbarkeit des Strafurteils, nicht hingegen dessen Rechtskraft bestätigte, lässt sich aus dem vorgelegten Urteil selbst ohne Einsichtnahme in den zugrundeliegenden Strafakt nicht verlässlich beurteilen. Die von der Revisionsrekurswerberin zitierten Entscheidungen 3 Ob 290/04z, 2 Ob 232/08v und 4 Ob 168/16h, die davon sprechen, dass Rechtskraftbestätigungen in aller Regel in Form einer Vollstreckbarkeitsklausel ausgefertigt würden, ändern daran nichts, weil sie eben nur auf den Regelfall Bezug nehmen (ebenso Danzl, GeO10 § 150 Anm 2 lit d). Da § 150 Abs 3 GeO ausdrücklich eine Vorgangsweise für Fälle vorsieht, in denen nur die Rechtskraft oder neben der Vollstreckbarkeit auch die Rechtskraft bestätigt werden soll (diesfalls ist der Stampiglienabdruck handschriftlich zu berichtigen und zu ergänzen), istnicht allgemein davon auszugehen, dass in jedem Fall die Bestätigung der Vollstreckbarkeit zwingend eine solche der Rechtskraft beinhaltet. Dass das Rekursgericht hier (erkennbar) daran zweifelte, dass die Bestätigung der Vollstreckbarkeit jedenfalls auch die Rechtskraft des Strafurteils erfassen sollte, ist daher keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[12] 7. Soweit die Revisionsrekurswerberin unter Verweis auf 5 Ob 16/94 (abl 3 Ob 191/10z) meint, Zivilurteile würden schon dann einen Anspruch auf Einverleibung des Eigentums gewähren, wenn dem Gegner kraft gesetzlicher Anordnung zwar ein die Rechtskraft, nicht aber die Vollstreckbarkeit hemmendes Rechtsmittel zur Verfügung steht, ist dem die bereits erwähnte, zum strafgerichtlichen Verfall ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung entgegenzuhalten (RS0128305), die unmissverständlich auf den Eintritt der Rechtskraft des Verfallserkenntnisses abstellt.

[13] 8. Wenn die Revisionsrekurswerberin moniert, das Rekursgericht hätte in Ansehung des Fehlens einer Rechtskraftbestätigung nach § 82a Abs 5 GBG mit einem Verbesserungsverfahren vorgehen müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Verbesserungsmöglichkeit nur Formgebrechen betrifft, Inhaltsmängel hingegen nicht nach § 82a Abs 5 beseitigt werden können (5 Ob 37/10d [fehlende Bestätigung der Rechtskraft der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung]; Rassi in Kodek Grundbuchsrecht2 § 82a GBG Rz 2). Ein inhaltlicher Mangel liegt dann vor, wenn das Begehren oder der Antragsinhalt widersprüchlich, unklar, unzulässig, unvollständig oder nicht durch die Urkunde gedeckt ist (Rassi aaO Rz 3 mwN). Durch die Urkunde gedeckt wäre die außerbücherliche Rechtsänderung aufgrund originären lastenfreien Eigentumserwerb der Republik Österreich hier aber nur unter der Bedingung, dass diese öffentliche Urkunde eine Rechtskraftbestätigung trägt, weil dieser außerbücherliche Eigentumserwerb an die Rechtskraft des Verfallserkenntnisses geknüpft ist. Ein relevanter Mangel des Rekursverfahrens wegen Nichteinhaltung eines nach § 82a GBG gebotenen Verbesserungsverfahrens liegt daher nicht vor.

[14] 9. Damit war der Berichtigungsantrag schon wegen der durch die (bloße) Vollstreckbarkeitsbestätigung auf dem Strafurteil aufgeworfenen Zweifel an der Rechtskraft des Verfallserkenntnisses abzuweisen. Auf den Umstand, dass das Rekursgericht – entgegen § 93 GBG, wonach Beurteilungsgrundlage die Sach‑ und Rechtslage zum Zeitpunkt des Einlangens des Gesuchs ist (RS0061117) – auch berücksichtigte, dass die Vollstreckbarkeitsbestätigung nachträglich vom Strafgericht aufgehoben wurde, kommt es daher nicht an.

[15] 10. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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