European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00016.25A.0402.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft samt dem darauf errichteten Mehrfamilienwohnhaus mit drei Obergeschossen. Der Erstantragsgegner ist Hauptmieter der Wohnung Top 4a im zweiten Obergeschoss, die Zweitantragsgegnerin Hauptmieterin der Wohnung Top 3a im ersten Obergeschoss. Die Antragstellerin plant die Errichtung eines Aufzugsschachtzubaus im Lichthof und hat eine rechtsgültige Baubewilligung dafür erwirkt.
[2] Gegenstand des Verfahrens ist ihr Antrag, die Antragsgegner zur Duldung der Durchführung und Errichtung des – unter Bezugnahme auf einen Plan näher beschriebenen – Aufzugsschachts im Lichthof zu verpflichten.
[3] Das Erstgericht gab diesem Antrag mittels Teilsachbeschluss statt und wies den Antrag der Antragsgegner, der Antragstellerin aufzutragen, schalldichte und dem Stand der Technik entsprechende Fenster, in den an die Liftanlage angrenzenden Räumen ihrer Wohnungen zu montieren, wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs zurück.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in jedem der verbundenen Verfahren 10.000 EUR übersteige und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[6] 1. Auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren kann ein vom Rekursgericht verneinter Mangel erster Instanz keinen Revisionsrekursgrund bilden (RS0050037; RS0030748). Wenn der Revisionsrekurs damit argumentiert, das Rekursgericht habe den geltend gemachten Verfahrensmangel wegen der Nichteinholung der Sachverständigengutachten aus dem Bereich Bauwesen, Aufzugs‑ und Fenstertechnik „ignoriert“, übersehen die Antragsgegner, dass sich das Rekursgericht sehr wohl mit dem Verfahrensmangel auseinandergesetzt und diesen aus rechtlichen Gründen für irrelevant erachtet hat. Da diese rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden ist, liegt keine Mangelhaftigkeit vor, die an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann.
[7] 2. Nach § 8 Abs 1 Z 1 MRG hat der Mieter die vorübergehende Benutzung und die auch dauernde (RS0069346) Veränderung seines Mietgegenstands zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs‑ oder Verbesserungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses notwendig oder zweckmäßig ist. In der Rechtsprechung des Fachsenats wurde bereits mehrfach bejaht, dass es sich bei einem geplanten Lifteinbau um eine Verbesserungsarbeit im Sinn des § 8 Abs 2 Z 1 MRG handelt (5 Ob 73/12i; 5 Ob 32/18v; 5 Ob 57/21z). Dass die Vorinstanzen die geplante Maßnahme auch hier als Verbesserungsarbeit im Sinn des § 8 Abs 2 Z 1 MRG werteten, beruht somit auf gesicherter höchstgerichtlicher Rechtsprechung.
[8] 3. Ebenso ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass (im Gegensatz zu § 8 Abs 2 Z 2 MRG) § 8 Abs 2 Z 1 MRG keine Interessensabwägung vorsieht (RS0069319; 5 Ob 57/21z). Es gilt zwar das Schonungsprinzip des § 8 Abs 3 MRG, eine weitergehende Interessen‑ oder Zumutbarkeitsprüfung hat aber nicht stattzufinden (RS0069474 [T4]; 5 Ob 57/21z).
[9] 4. Klargestellt hat die Rechtsprechung auch, dass nicht jeder Eingriff ins Mietrecht dem Regime des § 8 Abs 2 MRG unterliegt. Die Duldungspflicht besteht dann nicht, wenn die geplanten Maßnahmen wegen der damit verbundenen tiefgreifenden Umgestaltung den Begriff der „Veränderung des Mietgegenstands“ überschreiten würden (vgl RS0038223). Abzustellen ist bei der Beurteilung dieser Frage aber darauf, ob durch die Veränderung der Mietgegenstand in einem wesentlichen Punkt seiner bisherigen Funktion nicht mehr entspricht (5 Ob 57/21z; 5 Ob 73/12i). Dabei handelt es sich typischerweise um eine Frage des Einzelfalls. Der den Gerichten dabei eingeräumte Wertungsspielraum reduziert die Möglichkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs auf die Geltendmachung grober Beurteilungsfehler, die im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren wären (5 Ob 240/99a). Eine in diesem Sinn korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zeigen die Revisionsrekurswerber aber nicht auf.
[10] 5. Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist der erforderliche Lichteinfall in die Küche des Erstantragsgegners auch nach Errichtung des Aufzugsschachts weiterhin gegeben, während es der Wohnung der Zweitantragsgegnerin an einer ausreichenden Belichtung des 6,87 m² großen Zimmers, vor dem der Aufzugsschachtzubau errichtet werden soll, bereits jetzt mangelt. Als durchschnittlichen Luftschallpegel des eingebauten Liftmodells stellte das Erstgericht 53 dB, als maximalen Schallpegel der fahrenden Kabine 60 dB fest. Der maximale Schallpegel in den Haltestellen in 1 m Entfernung von der Tür beträgt 52 dB. Festgestellt wurde auch, dass die Fenster auch nach Errichtung des Aufzugsschachts problemlos geöffnet werden können. Angesichts dieser Feststellungen bedarf die Auffassung, selbst wenn man eine Einsichtsmöglichkeit in die beiden betroffenen Räume durch Benutzer des Lifts berücksichtigt und den Verlust des nach den Behauptungen des Erstantragsgegners vorhandenen Grünblicks sowie Vibrationen durch den Liftbetrieb unterstellen wollte, liege insgesamt keine so tiefgreifende Umgestaltung der betroffenen Mietgegenstände vor, dass davon ausgegangen werden müsste, dass diese nicht mehr ihrer bisherigen Funktion entsprechen würden, keiner Korrektur im Einzelfall.
[11] 6. Das in § 8 Abs 3 MRG normierte Schonungsprinzip macht es nur dann, wenn eine für den Mieter schonendere und für den Vermieter nicht ungünstigere Alternative zur Erreichung desselben Zwecks zur Verfügung steht, notwendig, dass der Vermieter diese schonendere Alternative ergreift. Würde hingegen die Alternative für einen anderen Mieter zu einer vergleichbaren oder gar höheren Beeinträchtigung führen oder wäre diese Alternative technisch aufwändiger und/oder mit höheren Kosten für den Vermieter verbunden, kann sich der Mieter auf das Schonungsprinzip insoweit nicht berufen. Bei im Wesentlichen gleicher Eingriffsintensität steht es dem Vermieter frei, von welchem seiner Mieter er die Duldung begehrt (5 Ob 73/12i). Nach den Feststellungen gibt es keine Möglichkeit, den Lift an anderer Stelle im Außenbereich der Liegenschaft zu errichten. Im Gebäudeinneren wäre die Errichtung mit einem massiven Eingriff in bestehende Nutzungsrechte verbunden, weil Teile der Objekte über alle Geschosse verändert werden müssten. Eine für die Antragstellerin günstigere, aber gleichwertige Alternative, die für die Antragsgegner mit weniger Beeinträchtigungen verbunden wäre, steht daher nicht fest, sodass auch die Auffassung der Vorinstanzen, das Schonungsprinzip des § 8 Abs 3 MRG sei durch die geplante Aufzugsschachterrichtung nicht verletzt, nicht zu beanstanden ist.
[12] 7. Soweit die Revisionsrekurswerber mit sekundären Feststellungsmängeln zur Frage der Notwendigkeit des Einbaus schalldichter, kippbarer und optisch ansprechend vergitterter Fenster argumentieren, sind sie darauf hinzuweisen, dass ihr darauf abzielender Antrag wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs zurückgewiesen wurde. Formal fechten sie zwar auch diesen Spruchpunkt an, ihr Revisionsrekurs enthält dazu aber keine Ausführungen. Die rechtliche Beurteilung beider Vorinstanzen, im Rahmen des § 8 Abs 2 MRG sei nicht zu prüfen, ob der Vermieter zur Verminderung allfälliger negativer Auswirkungen der geplanten Verbesserungsmaßnahme zusätzliche Umbauarbeiten am Mietobjekt des betroffenen Mieters vorzunehmen hat und ein derartiger Anspruch nicht aus dem Schonungsprinzip des § 8 Abs 3 MRG abgeleitet werden könne, blieb im Revisionsrekurs letztlich unbeanstandet.
[13] 8. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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