OGH 5Ob151/24b

OGH5Ob151/24b3.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin H* K*, vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. M* H*, 2. K* A*, beide vertreten durch Mag. Florian Reiterer, Mag. Martin Ulmer, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 6. Mai 2024, GZ 5 R 110/22w‑105, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00151.24B.0603.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin ist die Mieterin, die Antragsgegner sind die Vermieter einer Wohnung.

[2] Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung der Zulässigkeit des vereinbarten und vorgeschriebenen Hauptmietzinses für die von der Antragstellerin gemietete Wohnung. Im Revisionsrekursverfahren ist (nur) die Frage der Anwendbarkeit des MRG strittig, konkret das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs 2 Z 5 MRG.

[3] Das Erstgericht bejahte die Anwendbarkeit des MRG und seiner mietzinsrechtlichen Bestimmungen und stellte den gesetzlich zulässigen Hauptmietzins sowie die Tatsache und die Höhe der Überschreitung dieses zulässigen Hauptmietzinses fest.

[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner Folge und wies den Antrag ab. Der von den Antragsgegnern behauptete Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG liege vor.

[5] Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

[6] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie beantragt, die Entscheidung des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass dem Rekurs der Antragsgegner keine Folge gegeben (also der Sachbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt) wird. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[7] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

[8]

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG sind Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten (Ein- und Zwei‑Objekte‑Häuser) vom Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes ausgenommen, wobei Räume, die nachträglich durch einen Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, nicht zählen.

[9] 2. Die Kriterien für solche Ein‑und Zwei‑Objekte‑Häuser sind in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt; insbesondere ist die zur Vorgängerbestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG idF vor der MRN 2001 für Ein‑ und Zweifamilienhäuser entwickelte Judikatur auch auf § 1 Abs 2 Z 5 MRG idF BGBl I 2001/161 anwendbar (RS0069412 [T3, T4]).

[10] Nach derRechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Ausnahme des § 1 Abs 2 Z 5 MRG nicht daran geknüpft, dass das Haus weniger als drei selbständige Objekte aufweist, sondern daran, dass neben zwei selbständigen Objekten überhaupt keine weiteren einer Vermietung zugänglichen Räume im Haus vorhanden sind (2 Ob 210/20a; 5 Ob 157/19t; RS0069412 [T2]; RS0069389).

[11] Maßgebend ist dabei der objektive bauliche Zustand im Zeitpunkt der Vermietung. Die Widmung und die tatsächliche Verwendung von Räumlichkeiten durch den Vermieter sind unerheblich, es ist vielmehr auf die objektive Verwendbarkeit nach den tatsächlichen baulichen Gegebenheiten nach Maßgabe der Verkehrsauffassung abzustellen (5 Ob 157/19b; 3 Ob 247/18x; 8 Ob 116/17t).

[12] Für die Ausnahmeschädlichkeit zusätzlicher Räume in einem nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG privilegierten Ein- oder Zwei‑Objekte‑Haus kommt es demnach zwar auf deren selbständige Vermietbarkeit an. Eine Ausnahme von dieser Regel macht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs allerdings für Räume, die – obwohl sie abgesondert vermietbar wären – üblicherweise zu einem Ein- oder Zwei‑Objekte‑Haus (Ein‑ oder Zweifamilienhaus) gehören (wie etwa Abstellräume, Kellerräume oder Garagen) oder Bestandteil eines Wohnungsverbandes sind (RS0069389 [T14]; RS0112564). Auch ob an sich selbständig vermietbare Räume zu einer Wohnung gehören oder nicht, entscheidet die Verkehrsauffassung (RS0069389 [T7]; RS0112564 [T2]). War im maßgeblichen Zeitpunkt der Vermietung ein selbständig vermietbarer Raum auch tatsächlich vermietet, geht die Verkehrsauffassung dahin, dass damit die Zugehörigkeit dieses Raumes zu einer anderen Wohnung aufgehoben wurde (RS0069389 [T8]; RS0112564 [T3]). Dass solcheRäume selbständig vermietbar wären, schadetalso an sich nicht; nur deren tatsächliche Vermietung würde die in § 1 Abs 2 Z 5 MRG vorgesehene Privilegierung aufheben (1 Ob 67/20i; 8 Ob 116/17t; RS0112564 [T11]). Die Eigennutzung durch den Vermieter kann im Einzelfall einer Vermietung gleichzustellen sein (1 Ob 67/20i; RS0112564 [T12]).

[13] Zusammengefasst kommt es in Bezug auf sämtliche in Betracht kommenden Mietobjekte (Wohnungen und Geschäftsräume) auf die Zahl getrennt zugänglicher (abgeschlossener) Raumeinheiten an, die selbständig vermietbar sind, wobei typische Nebenräume eines Hauses oder eines Bestandobjekts nicht zu berücksichtigen sind, außer der Charakter als Nebenraum wurde durch tatsächliche Vermietung aufgehoben. Maßgebend ist der objektive bauliche Zustand im Zeitpunkt der Vermietung nach Maßgabe der Verkehrsauffassung (4 Ob 167/21v; 3 Ob 247/18x; 8 Ob 116/17t; RS0069389 [T15]; RS0112564 [T16]).

[14] 3. Die anhand der Verkehrsauffassung vorzunehmende Beurteilung, ob ein Ein- oder Zwei‑Objekte‑Haus iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG vorliegt, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RS0079853 [T1, T3]). Die Überprüfung von Einzelfallentscheidungen wirft keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf, es sei denn, dem Rekursgericht wäre bei seiner Entscheidung eine ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen. Das ist hier nicht Fall.

[15] Entgegen der Darstellung der Revisionsrekurswerberin hat das Rekursgericht bei der Beurteilung der Ausnahmeschädlichkeit der im Keller des Hauses gelegenen, getrennt zugänglichen Räumlichkeiten deren objektive Vermietbarkeit nicht etwa als nicht maßgeblich angesehen und ausschließlich darauf abgestellt, dass diese „Kellereinheit“ weder tatsächlich vermietet worden war noch von den Vermietern auf eine der Vermietung gleich zu haltende Weise selbst genutzt wurden. Vielmehr hat es – ungeachtet der einen oder anderen verkürzten und daher möglicherweise missverständlichen Formulierung – die als Hobbyraum oder Wohnung für geringe Wohnansprüche geeignete und daher an sich abgesondert vermietbare Kellereinheit als üblicherweise zu einem Ein- oder Zweifamilienhaus gehörend bzw als Bestandteil eines Wohnungsverbands qualifiziert und folgerichtig die Aufhebung dieser Eigenschaft als „Nebenraum“ durch Vermietung oder durch eine dieser gleichzustellende Eigennutzung geprüft.

[16] Die Revisionsrekurswerberin erkennt dies ohnedies selbst, zumal sie die Gleichstellung der Räume im Keller des Hauses mit bloßen (nicht ausnahmeschädlichen) Nebenräumen ausdrücklich kritisiert. In ihrer auf die festgestellten objektiven Verwendungsmöglichkeiten dieser Räume gestützten Argumentation übersieht sieaber, dass die Ausnahme nicht nur für Nebenräume im engeren Sinn, wie etwa Abstellräume, gilt, sondern auch für sonstige zwar selbständig zugängliche, aber dennoch einen Bestandteil einer der im Haus vorhandenen Wohnungen bildenden Räume. Bildeten selbständig zugängliche Räume nur Bestandteile einer der im Haus vorhandenen zwei selbständigen Wohnungen, dann kann aus der selbständigen Zugänglichkeit dieser Räume und ihrer damit an sich gegebenen selbständigen Vermietbarkeit noch nicht geschlossen werden, dass sie nicht zu einer Wohnung im Hause gehören; dass sich eine Wohnung auf mehrere Etagen erstreckt, schadet dabei nicht (RS0069389 [T2, T9, T11]; RS0069440 [T1]).

[17] Die anhand der konkreten Gegebenheiten getroffene Einzelfallbeurteilung des Rekursgerichts, dass hier die Räumlichkeiten im Keller in diesem Sinn nicht ausnahmeschädlich sind, hält sich im Rahmen des den Gerichten bei der Beurteilung von Einzelfällen eingeräumten Ermessensspielraums und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 7 Ob 519/96 [eine im Souterrain gelegene Küche mit einem weiterem nur von dieser Küche aus begehbaren Wirtschaftsraum]; ähnlich auch 6 Ob 327/00g; 8 Ob 87/08i [weitere, außerhalb der eigentlichen Wohnung gelegene Räume]); sie ist daher keine iSd § 62 Abs 1 AußStrGaufzugreifende Fehlbeurteilung.

[18] 4. Als durch einen „nachträglichen“ Dachbodenausbau geschaffen sind solche Räume anzusehen, die in der Errichtungsphase des Hauses noch nicht vorhanden waren, deren Neuschaffung also nicht mehr in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtungsphase des Hauses erfolgte (7 Ob 223/14s mwN; RS0069320 [T7]).

[19] Die Vorinstanzen haben die Räumlichkeiten in dem zu Wohnzwecken ausgebauten Dachboden des Hauses übereinstimmend nicht gezählt, weil dieser Ausbau nach den vom Rekursgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts in diesem Sinn nachträglich erfolgte. Die Antragstellerin unternimmt im Rahmen ihres Revisionsrekurses den unzulässigen Versuch, die diesbezügliche Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen. Der Oberste Gerichtshof ist allerdings nicht Tatsacheninstanz und Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel. Die Beweiswürdigung und die darauf beruhenden Feststellungen der Vorinstanzen sind im Revisionsrekursverfahren nicht mehr anfechtbar (RS0043371; RS0069246; RS0042903).

[20] Diese Rechtsmittelbeschränkung kann nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Beweiswürdigung als Mangel des Verfahrens (RS0043371 [T28]) oder unter dem Aspekt unrichtiger rechtlicher Beurteilung releviert wird.

[21] 5. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[22] 6. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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